Buchempfehlung: „In sich hinausgehen“ Wolfgang Bernard - Mit NLP zum Ur-Credo

Einleitung


In Zeiten des Wahlkampfes in Deutschland, der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft, angesichts der stattfindenden Demontage von Demokratien, besonders in Amerika unter Trump, der erneuten Ausbreitung alter imperialistischer, faschistischer und nationalistischer Vorstellungen, vertreten von Autokraten, Technokraten, und rechten Populisten, möchte ich hier etwas empfehlen, das in der Lage ist, das Individuum in der Gesellschaft wieder zur Selbstverantwortung zurückzuführen, zur Selbstreflexion, jenseits von Lüge, Fakenews und abstrusen Überzeugungen.


Ich habe obiges Buch in den 90er Jahren verschlungen und es ist mir jüngst wieder in die Hände gefallen. Damals begann meine aktiv „spirituelle“ Ausrichtung meines Lebens, das gerade über die Maßen eigentlich durch Beruf und Familie gefordert wurde: meine Seele brauchte irgendwie einen Halt, jenseits von Skills, Leistung und funktionieren müssen.


Damals führte mich dieses Buch in die neue Welt des NLP (Neuro Linguisisches Programmieren) und in die Welt des indischen Advaita und des „Vierten Weges“ von Gurdijieff. NLP Bücher stapelten sich in meinem Buchregal ebenso wie jene der sogenannten Advaita Meister, und eben auch Bücher über den „Vierten Weg“. Ich habe in meinem Blog bereits derartige Beiträge in der Vergangenheit publiziert.


Obiges Buch ließ mich damals mit dem Autor Wolfgang Bernard über eMail in Kontakt treten und es begann ein kurzer Austausch miteinander. Bernard gab damals in Südfrankreich diesbezügliche Seminare und empfahl als Basislektüre „Auf der Suche nach dem Wunderbaren“ von P.D. Ouspensky, einem Schüler von Gurdjieff und dem „Vierten Weg“. Ich hatte hier im Blog das Buch von Ouspensky „Die Psychologie der möglichen Evolution des Menschen“ ebenfalls bereits vorgestellt.


Nachdem ich dieses gelesen hatte and ein Austausch zwischen Bernard und mir darüber stattfand, lud er mich am Ende zu einem Seminar nach Frankreich ein, doch wie an vielen Scheidepunkten in meinem Leben konnte ich wiedereinmal einer Einladung nicht folgen, die für mich vermutlich lebensverändernd im positiven Sinne gewesen wäre. Mein Mindset aber war auf Vorsicht und Bewahrung meiner Komfortzone programmiert, und so ließ ich diese Gelegenheit leider aus. Heute gibt Bernard wohl keine Seminare mehr.


Doch kommen wir nun zu seinem beachtenswerten Buch. 


Bernard arbeitet damals als NLP-Trainer in Frankreich und hat in diesem Buch seine Forschungsergebnisse präsentiert. Bernard war davor bereits seit vielen Jahren Gruppentrainer und Psychotherapeut, bis er diesen im Buch beschriebenen „Ur-Credo-Prozess“ in seine NLP-Ausbildung einführte. Dem ging die Aufdeckung seines eigenen Ur-Credos voraus. Dieser existenzielle Durchbruch eröffnete ihm gänzlich neue Anwendungsbereiche des NLP.


NLP wurde bis zu seinen Erkenntnissen überwiegend „funktionell“ angewendet: auf die Art und Weise, wie der Mensch im Leben agiert, seine Strategien, seine Motivationen, wie er lernt und versteht, seine Auswahlkriterien, seine Überzeugungen, all das, was der Mensch „tut“.


Bernard hat dies nun auf den existenziellen Aspekt des Menschen erweitert, auf jene Dimension des Menschen jenseits des intellektuellen und gefühlsmäßigen Verständnisses. Diese Dimension umfaßt alles, was der menschliche Geist nicht „repräsentieren“ kann: das Unnennbare, die Nicht-Identität, die alle Phänomene verbindende Struktur; all das, was der Mensch „ist“. Es werden also zwei logische Ebenen unterschieden: die funktionelle und die existentielle. „Die Landkarte ist nicht das Gebiet“ ist die zentrale Aussage. Die Landkarte ist allgemeiner, abstrakter als das Gebiet, welches sie beschreibt. Sie ist ein Modell des Gebietes und gehört daher einer anderen logischen Ebene an. Man spricht auch von Meta-Ebenen. 


Im NLP werden z.B. bei der Sprache drei Ebenen unterschieden: Referenzstruktur, Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur. Die Referenzstruktur umfasst das primäre Erleben, also das unmittelbare, sinnliche Erleben ohne Worte, die Tiefen- und Oberflächenstruktur umfassen hingegen das sekundäre, mentale Erleben. NLP hat dafür das Meta-Modell der Sprache entwickelt.


Wenn wir mit einem Menschen kommunizieren, muss uns klar sein, dass wir an seinem unmittelbaren Erleben (primäres Erleben) kommunikativ nicht teilhaben können, sondern nur indirekt über seinen sprachlichen Ausdruck: sekundäres Erleben über seine Mittteilungen in Oberflächen- und Tiefenstruktur. Bereits diese Unterscheidung hilft erheblich, übliche Kommunikationsprobleme zwischen Menschen aufzulösen, indem man die geäußerte Oberflächenstruktur des Gegenübers gramatisch und semantisch auf seine Tiefenstruktur zurückführt.


Dabei helfen die drei mentalen Prozesse, die jedem vom menschlichen Geist geschaffene Modell zugrunde liegen:


Generalisierung


Wir ordnen Wahrgenommenes, Erlebtes und Gedachtes abstrakte in Kategorien ein: sobald ich gelernt habe, auf „meinem“ Fahrrad zu fahren, bin ich auch in der Lage, andere Fahrräder zu fahren. Generalisierung erfolgt bereits vor dem Spracherwerb.


Tilgung


Wenn wir uns auf etwas konzentrieren, tilgen wir in unserer Wahrnehmung unwichtiges: eine Mutter hört während einer Diskussion ihr Kind schreien.


Verzerrung


Sie ermöglicht uns, von der gegebenen Realität zu abstrahieren. Auf diese Weise können wir kreativ sein und Zukunft planen.


All diese mentalen Prozesse bilden sich bereits vor dem Spracherwerb.


Im unmittelbaren Erleben, der Referenzstruktur im Meta-Modell der Sprache, findet auch eine „vorsinnliche Wahrnehmung“, die Wahrnehmung von allem, was unnennbar ist, statt.


Es folgen einige Begriffserklärungen aus dem Buch, die für sich selbst sprechen


Vorsinnliche Wahrnehmung


Es handelt sich um die Wahrnehmung unseres Ursprungs und all dessen, was jeden Augenblick aus ihm erwächst, ein Ausdruck für das Unausdrückbare. Mit dieser Wahrnehmung sind wir geboren, bevor unser Ichbewußtsein, unsere Identität sich entwickelt. Durch die Entwicklung unserer Identität tritt sie in den Hintergrund und wird vergessen.


Ur-Credo


Das Ur-Credo ist der Grundbaustein unseres (immer auf wackligen Fundamenten gebauten) Ichbewußtseins. Es entwickelt sich in der frühen Kindheit. Aus ihm erwächst das, was wir im allgemeinen als „Psyche“ bezeichnen. Sein Vorhandensein ist Voraussetzung für die Fähigkeit zur Repräsentation (zum Beispiel Worte und Zahlen, Zeit, Raum, Krieterien und Überzeugungen, Gedächtnis) sowie für all das, was „soziale Strategien“ genannt wird. Im Erwachsenenalter, wenn das Ichbewußstsein seinen Reifezustand erlangt hat, wird das Ur-Credo zum Haupthindernis für eine mögliche weitere, über die trennende Identität hinausgehende Entwicklung.


Trennende Identität


Ein in der frühen Kindheit erschaffenes mentales Konstrukt, das bewirkt, daß sich der Mensch als von anderen und von der Umwelt getrennt erlebt. Sie eröffnet dem Kind den Zugang zur Fähigkeit der Repräsentation und zu allem, was für ein Leben in der Gemeinschaft notwendig ist. Für den Erwachsenen hingegen wird sie das Haupthindernis, wenn er sich seiner Ursprünge erinnern will und seine Erfüllung anstrebt.


Essentieller Wert


Dieser Ausdruck weist auf die jedem von uns innewohnende Einzigartigkeit des persönlichen Seins wowie all seiner Ausdrucksformen hin. Ihn zu entdecken heißt, ein verborgenes, geheimes Heiligtum in sich zu berühren. Er ist nicht zu verwechseln mit Begriffen wie Moral, Ethik, Tugend, deren Bedeutung je nach Kultur variiert.


Gewissen


Im Wort steckt „Wissen“. Es kann sich meines Erachtens nur um das Wissen um die inneren Zusammenhänge zwischen allen existierenden Phänomenen handeln. Das Gewissen steht in direktem Kontakt mit der vorsinnlichen Wahrnehmung, es manifestiert sich in uns durch Ehrlichkeit uns selbst gegenüber, durch Aufrichtigkeit und Gewissenhaftigkeit. Eine seiner Haupteigenschaften ist, daß es uns die absolute Entscheidungsfreiheit läßt: Wir geraten immer wieder in neue Situationen, in denen wir immer wieder neu entscheiden müssen und können, ob wir unsrem Gewissen oder dem Eigennutz folgen.


Eigennutz


Das Bestreben der Identität, sich zu verteidigen und „seine Schäfchen (möglichst viele) ins Trockene zu bringen“, um so sein Überleben sicherzustellen (ähnlich dem Verhalten von Tieren); die geschieht oft mit Hilfe gut versteckter Manipulationen. Eigennutz bei anderen ist uns offensichtlich, bei uns selbst müssen wir danach suchen. Was ich beim anderen nicht mag, ist im allgemeinen dessen Eigennutz. Aber sobald ich ihm - und sei es in Gedanken - deswegen einen Vorwurf mache, bin ich mit meinem eigenen Eigennutz konfrontiert.


Natürliche Motivation


Sie entsteht aus der vorsinnlichen Wahrnehmung. Sie ist lebbar, aber nicht repräsentierbar, und manifestiert sich immer im Hier und Jetzt einer ganz besonderen Art von mehrdimensionaler Aufmerksamkeit, wie sie im normale nLeben nurin intellektuellen, körperlichen oder gefühlsmäßigen Extremsituationen vorkommt. Nachdem das Ur-Credo aufgehört hat zu wirken, ersetzt natürliche Motivation die persönliche, von Eigennutz geprägte Motivation der Identität.


Persönliche Motivation 


Persönliche Motivation entsteht, wenn ein wichtiges Kriterium, das ganz oben inder Hierarchie der Kriterien steht, die Identität dazu anstachelt, ein Ziel ernsthaft zu verfolgen.


Soziale Strategien


Während der Kindheit sich entwickelnde Strategien, die es uns möglich machen, Beziehungen zur Umwelt aufzubauen. Hierzu gehören Sprache, Umgangsformen, Verhaltensweisen und - regeln, die Art und Weise, wie wir persönliche Ziele erreichen und die persönlichen Ziele anderer in Betracht ziehen usw..

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