von SimplyTheBest (@SimplyonWorld) „x“ nach einem Aufsatz des Historikers Hubertus Knabe
Ich gebe diesen Tweet hier 1:1 wieder:
„Ein langer aber um so aufschlussreicher Tweet.
Fangen wir an:
Wagenknecht hat, obwohl bereits 55 Jahre alt, noch nie eine Behörde oder gar ein Ministerium geleitet. Selbst als Ko-Vorsitzende der Linksfraktion warf sie nach dreieinhalb Jahren das Handtuch. Wie sie später berichtete, war sie immer häufiger krank geworden und am Ende wegen Burn-outs zwei Monate ausgefallen.
„Der Arzt hat unmissverständlich zu mir gesagt: ‚Sie können so nicht weitermachen!'“.
Schon selbst die Pflichten einer Bundestagsabgeordneten überforderten Wagenknecht. In Ausschüssen und im Plenum war sie selten anzutreffen, auch bei Fraktionssitzungen und Klausurtagungen fehlte sie regelmäßig. In ihrem Wahlkreis Düsseldorf war sie so gut wie nie zu sehen.
Obwohl im Bundestag Anwesenheitspflicht herrscht und für jedes unentschuldigte Fehlen 200 Euro einbehalten werden, versäumte Wagenknecht allein Ende 2022 sämtliche neun namentlichen Abstimmungen. Ihre Fraktionskollegin Kathrin Vogler hatte sie schon zuvor als „faulste Abgeordnete“ des Bundestages bezeichnet.
Dazu kommen die permanenten politischen Konflikte.
Ob Wagenknecht zur Parteichefin taugt, ist ebenfalls fraglich.
Parteivorsitzende müssen zuhören können, Netzwerke aufbauen und unterschiedliche Standpunkte zusammenbringen. Doch Wagenknechts Stärken sind Provokation und Selbstdarstellung, nicht Integration und Organisation. Die wichtigste Konstante in ihrer politischen Biografie sind heftige Konflikte und der Unwille zum Kompromiss.
Schon als Mitglied des Parteivorstands von PDS und Linkspartei lag sie regelmäßig überkreuz mit ihren Kollegen.
1995 musste sie sogar für fünf Jahre ausscheiden, weil Gysi sie für untragbar erklärt hatte.
Als 2008 mehrere Abgeordnete verlangten, sie zur Vizechefin der Linken zu machen, verhinderte er das:
„Sahra Wagenknecht vertritt eine Sicht, die ich nicht in Form einer Stellvertreterin in der Partei haben will.“
Als sie zwei Jahre später doch noch einen der vier Stellvertreterposten bekam, begann sie mit Katja Kipping, die 2012 Parteichefin wurde, einen jahrelangen Zickenkrieg.
Um Hilfstruppen für den parteiinternen Fraktionskampf zu organisieren, gründete Wagenknecht 2018 die außerparlamentarische Bewegung „Aufstehen“.
Doch statt die Menschen wie in Frankreich in Massen auf die Straße zu bringen, endete ihr Projekt im Debakel. Schon nach wenigen Monaten zog sie sich daraus zurück. „Mir kam sie weitgehend überfordert vor,“ erinnerte sich einer ihrer ehemaligen Mitstreiter, „in diesem ganzen Irrsinn wirkte sie völlig verloren“.
In der Linksfraktion galt Wagenknecht als illoyal und egozentrisch. Dass die Linke einen so zerstrittenen Eindruck macht, war vor allem ihr anzulasten.
Statt nach Verständigung zu suchen, führte sie einen gnadenlosen Kampf gegen die eigene Partei.
Als sie kurz vor den Bundestagswahlen im September 2021 ein Buch gegen sogenannte Lifestyle-Linke veröffentlichte, beantragten mehrere Mitglieder sogar den Parteiausschluss der prominenten Genossin.
2022 löste Wagenknecht erneut einen Eklat aus.
Als Geste der Versöhnung hatte die Fraktion sie dafür nominiert, in der Haushaltsdebatte zu sprechen. Dort erklärte sie, das größte Problem Deutschlands sei, dass die Bundesregierung einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten“ vom Zaun gebrochen habe.
Gemeint waren die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, das wenige Monate zuvor in die Ukraine einmarschiert war.
Wagenknechts Verhältnis zu ihrer Partei war schließlich so zerrüttet, dass der Vorstand sie im Juni 2023 öffentlich aufforderte, ihr Bundestagsmandat niederzulegen.
Zur Verständigung, das zeigte sich in diesen Konflikten, ist Wagenknecht nur bereit, wenn die Gegenseite sich ihr unterwirft. Das wiederum hängt mit einem weiteren Charakterzug zusammen: Ihrer Selbstherrlichkeit und ihrem Geltungsbedürfnis. Politik ist für sie nämlich vor allem Selbstdarstellung.
Wagenknecht ist nicht charismatisch, sondern wirkt kalt und kompromisslos. Dass dies zu Konflikten führt, konnte man zuletzt während der Thüringer Koalitionsverhandlungen beobachten.
Kaum hatten CDU, SPD und BSW ein umfangreiches Sondierungspapier ausgehandelt, distanzierte sich Wagenknecht davon, weil eine Formulierung nicht so ausgefallen war, wie sie es sich vorstellte.
Um solche Konflikte auszuschließen, hat Wagenknecht das BSW wie eine kommunistische Kaderpartei aufgebaut.
Für jedes Bundesland hat das Präsidium Beauftragte eingesetzt, die die Landesverbände von oben nach unten gründen sollen. Über die Aufnahme neuer Mitglieder darf allein der Bundesvorstand entscheiden.
Einen solchen Zentralismus gab es nicht einmal bei der SED.
Gegen einen langfristigen Erfolg des BSW spricht aber noch etwas anderes: Die neue Partei ist praktisch eine zweite Linkspartei.
Gegründet wurde sie von Funktionären, die überwiegend deren linken Flügel angehörten. Wagenknechts Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali zum Beispiel war zuletzt Chefin der Linksfraktion.
Noch im vergangenen Jahr reiste sie nach Kuba, um an den Feiern zum 70. Jahrestag der kommunistischen Erhebung teilzunehmen.
Sevim Dağdelen, Bundestagsabgeordnete und langjährige Mitstreiterin Wagenknechts, ist Mitglied der linksextremistischen Roten Hilfe.
Von der linksradikalen Ausrichtung führender BSW-Politiker ist im vier Seiten schmalen Parteiprogramm allerdings nichts zu finden.
Statt von „Sozialismus“ oder „Revolution“ ist dort von „unserer Industrie“, „unserem Mittelstand“ und „guter, ehrlicher Arbeit“ die Rede.
Nur die Forderungen, mit denen Wagenknecht regelmäßig an die Öffentlichkeit geht, erinnern stark an die Linkspartei.
Mal fordert sie einen „Benzinpreis-Deckel“, mal einen „Supermarktgipfel im Kanzleramt“, der die Geschäfte „zu deutlichen Preissenkungen auf Vorkriegsniveau“ auffordert, mal verlangt sie einen Mietendeckel.
Ihre Vorschläge laufen stets darauf hinaus, dass der Staat die Wirtschaft umfassend lenkt.
In Abgrenzung zu anderen Parteien hat Wagenknecht allerdings den Eindruck erweckt, sie wolle den unkontrollierten Zustrom von Migranten nach Deutschland stoppen.
Aber von einem Aufnahmestopp für Asylbewerber ist im Parteiprogramm freilich nirgendwo die Rede. Im Gegenteil: „Wer in seiner Heimat politisch verfolgt wird, hat Anspruch auf Asyl,“ heißt es dort.
Viele BSW-Funktionäre haben zudem selber einen Migrationshintergrund und setzten sich in der Vergangenheit für einen unbegrenzten Zuzug ein.
Parteichefin Mohamed Ali erklärte zum Beispiel noch Ende 2018, dass sie offene Grenzen befürworte und Abschiebungen ablehne.
Vier Jahre später brachte sie einen Gesetzesentwurf in den Bundestag ein, demzufolge Ausländer, die zu ihren Ehegatten nach Deutschland ziehen wollen, keinen Sprachnachweis mehr erbringen müssen.
Auch Geschäftsführer Leye trat dafür ein, dass die Kommunen mehr Flüchtlinge als vorgeschrieben aufnehmen sollten, selbst wenn diese illegal eingereist waren.
Der BSW-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko machte mehrfach gegen einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen mobil. „Die Aufrüstung der Festung Europa lehnen wir ab,“ betonte er 2018.
Dass ideologische Voreingenommenheit den Blick für die Wirklichkeit trübt, kann man gerade am Beispiel Wagenknecht studieren.
Wohl kaum ein Politiker in Deutschland hat sich so oft geirrt wie sie.
Bekannt wurde vor allem ihre Äußerung vom 20. Februar 2022, als sie behauptete, Russland habe „faktisch kein Interesse daran“, in die Ukraine einzumarschieren, „natürlich nicht.“ Denn Putin sei kein „durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben.“
Vier Tage später rollten russische Panzer nach Kiew. Erst im Dezember 2024 gestand sie ein, sich „damals auch geirrt“ zu haben, machte nun aber den Bundesnachrichtendienst dafür verantwortlich.
In Wagenknechts politischen Werdegang finden sich noch sehr viel mehr politische Irrtümer.
Im Frühjahr 1989 trat sie zum Beispiel in die SED ein, obwohl deren Regime bereits kurz vor dem Untergang stand.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schwärmte sie dann in einem Aufsatz über Josef Stalin:
„Was immer man – berechtigt oder unberechtigt – gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht während eines weltgeschichtlich einzigartigen Zeitraums.“
Auch SED-Chef Walter Ulbricht lobte Wagenknecht damals überschwänglich.
Anders als Michail Gorbatschow hätte Ulbricht dafür gesorgt, dass die „Befreiung der Wirtschaft vom direkten Zugriff der zentralisierten Apparate“ und die „Befestigung der politisch führenden Rolle der Partei“ parallel erfolgt seien.
Im Klartext: Ulbrichts halbherzige Wirtschaftsreformen gingen einher mit einer Verschärfung der Diktatur.
Die DDR sei unter ihm auf dem besten Wege gewesen sei, sich zu einem blühenden und über seine Grenzen hinaus anziehenden Sozialismus zu entwickeln.
1994 bezeichnete Wagenknecht die DDR in der Zeitschrift Konkret als „das friedfertigste und menschenfreundlichste Gemeinwesen, das sich die Deutschen im Gesamt ihrer Geschichte bisher geschaffen haben.“
SED-Chef Erich Honecker gebühre deshalb „unser bleibender Respekt“.
Den Bau der Berliner Mauer verteidigte sie als eine Maßnahme zur Grenzbefestigung, „die dem lästigen Einwirken des feindlichen Nachbarn ein (längst überfälliges) Ende setzte.“
In einem Spiegel-Interview erklärte sie im selben Jahr, die Wende in der DDR sei „im Kern eine Gegenrevolution“ gewesen.
Damals sei ein Land zugrunde gegangen, in dem der Ansatz gegeben gewesen sei, eine Gesellschaft ohne Profitprinzip aufzubauen, während heute wieder das Kapital herrsche. „Das ist für mich ein klarer Rückschritt.“
Wagenknecht war damals erst 25 Jahre alt. Doch auch mit über 30 hatte sich ihre Einstellung nicht geändert.
Auf die Frage, ob die DDR demokratischer gewesen sei als die Bundesrepublik, sagte sie 2001: „Sie war jedenfalls nicht undemokratischer.“
Auch die Bundesrepublik sei „in ihrer Substanz nicht demokratisch.“
Und als die PDS im selben Jahr den Mauerbau erstmals als „Symbol des Demokratiedefizits in der DDR“ verurteilte, verweigerte sie als einziges Vorstandsmitglied ihre Zustimmung.
2008 – inzwischen war sie fast 40 – bekräftigte sie erneut, dass sie „den Begriff Diktatur für die DDR nicht für angemessen“ halte.
Wagenknechts politische Heimat war in dieser Zeit die Kommunistische Plattform (KPF), ein „offen tätiger Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei Die Linke“.
Bis 2010 fungierte Wagenknecht als Sprachrohr der vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation.
Die KPF weigerte sich zum Beispiel 2003, dem neuen PDS-Parteiprogramm zuzustimmen, weil es „das Ziel einer Überwindung kapitalistischer Verhältnisse aufgegeben“ hätte.
Drei Jahre später unterzeichnete Wagenknecht einen Aufruf „Für eine antikapitalistische Linke“, in dem die in Gründung befindliche Linkspartei vor einer Anpassung an die SPD gewarnt wurde. „Eine solche Partei wollen wir nicht und brauchen wir nicht.“
Politisches Vorbild für Wagenknecht waren damals die Armutsdiktaturen in Kuba und Venezuela.
2004 gab sie über Venezuela sogar ein Buch heraus, in dem sie schrieb, das Land gehöre „zu jenen noch sehr wenigen Ländern, die der Weltherrschaft des neoliberalen Kapitalismus Grenzen setzen und die beweisen: Es gibt Alternativen.“
Die Revolution in Venezuela sei deshalb eine „Hoffnung für alle Menschen, die überzeugt sind, dass eine andere Welt möglich ist“.
Als Hugo Chávez, der Venezuela jahrelang autokratisch regiert hatte, 2013 starb, würdigte Wagenknecht ihn als „großen Präsidenten“, der „mit seinem ganzen Leben für den Kampf um Gerechtigkeit und Würde stand.“
Und als es im Jahr darauf zu gewaltsamen Protesten gegen die Regierung kam, forderte sie „Solidarität mit Venezuela“ und verurteilte „diesen gezielten Versuch der Destabilisierung des Landes“.
Auf ihrer Website findet man bis heute einen von ihr mit initiierten Aufruf „Hände weg von Venezuela“, in dem behauptet wird, Chávez‘ Verfassung gehöre „zu den demokratischsten Verfassungen der Welt“.
In ähnlicher Weise äußerte sich Wagenknecht auch zu Kuba. So erklärte die KPF 2007, die Solidarität mit Kuba sei für sie ebenso „unverbrüchlich“ wie die Sympathie für Länder wie Venezuela.
Und als Diktator Fidel Castro 2016 starb, veröffentlichte Wagenknecht eine Erklärung, in der sie die „große Leistung dieses Revolutionärs“ und seine „standhafte Haltung gegenüber der mächtigen USA“ würdigte. Angeblich sei dieser „durch und durch ein Demokrat“ gewesen.
Und bis heute keine kritische Selbstreflektion.
In letzter Zeit ist Wagenknecht auffällig darum bemüht, ihre linksradikalen Wurzeln zu verdecken.
Als sie kürzlich in der Sendung von Caren Miosga auf ihre Tätigkeit für die „Kommunistische Plattform“ angesprochen wurde, antwortete sie gereizt:
„Ich finde es wirklich bemerkenswert wie, seit wir das BSW gegründet haben, plötzlich meine frühkindlichen, also 20-jährigen Äußerungen mit einem Enthusiasmus zelebriert werden.“
Es ärgere sie, „dass plötzlich uralte Äußerungen von mir, wo ich 20 war, so vorgekramt werden, als hätte ich das gestern gesagt.“
Ähnlich reagierte sie wenig später im TV-Duell mit Alice Weidel. Ihre Begeisterung für Venezuela sei 20 Jahre her, weshalb man ihr dies heute nicht mehr vorwerfen könne. „Da habe ich Dinge aus Trotz gesagt.“
Von „frühkindlichen“ Äußerungen kann allerdings keine Rede sein. Als Wagenknecht ihre weltfremden Erklärungen formulierte, war sie eine gestandene Frau zwischen 30 und 45 Jahren.
In beiden Sendungen setzte sie sich zudem in keiner Weise kritisch damit auseinander. Statt dessen trat sie im für sie üblichen rechthaberischen Duktus auf, der an das Auftreten von SED-Funktionären in der DDR erinnert.“
Kommentar schreiben