In der Republik Moldau fanden gestern Wahlen statt. Nächste Woche finden in Georgien Wahlen statt. Was sind die Gemeinsamkeiten, auch im Vergleich zur Ukraine?
Beide Staaten der ehemaligen UdSSR wollen wie die Ukraine in die westliche Staatengemeinschaft und in die EU und streben nach Demokratie.
Beide Staaten beherbergen auch russische Bevölkerungsgruppen. In allen drei Staaten ist die Russische Föderation mit Militär in abtrünnigen Regionen präsent. Das Eingriffsmuster Putins: russisch sprachige Bevölkerungsanteile rufen um Hilfe, und Putin zeigt sofort militärische Präsenz. Behauptet wird immer eine Bedrohungslage russischer Volksgruppen, bis hin zu der Behauptung eines Genozids.
Russische Verbrechen in der Geschichte an anderssprachigen Volksgruppen werden hingegen vertuscht: z.B. Stalins Holodomor Genozid an Ukrainern 1932/33. Nach Stalins Tod 1953 übernahm Nikita Chruschtschow die Amtsgeschäfte und ließ wenigstens 3 Jahre später im Sowjetreich die Stalindenkmäler entfernen. In Georgien wurde das erst missverstanden, denn Stalin war auch ein Georgier.
Unter Putin wird Stalin wieder verehrt.
Man kann die heutigen Narrative Putins einfach zusammenfassen:
Die Russische Föderation wird durch die NATO bedroht, weil ehemalige UdSSR Republiken dort Schutz vor Moskau suchen; die nach dem Zerfall der UdSSR souveränen Staaten bedrohen russische Bevölkerungsteile, also jene Teile, die in Moskaus imperialer Geschichte selbst erst zu „echte Russen“ gemacht wurden.
Tatsächlich aber fühlt sich der Autokrat Putin bedroht von Demokratiebestrebungen. Inzwischen wurde auch in der CRINK-Allianz (China, Russland, Iran, Nordkorea) der gemeinsame Feind auf dem Erdball definiert: die Demokratien des Westens.
Im Falle der Ukraine haben korrupte, moskautreue Separatisten der Ukraine in Moskau erreicht, dass 4 Oblaste völkerrechtswidrig annektiert wurden. In Moldau erklärte sich Transnistrien von Moldau für unabhängig. In Georgien ergibt sich ein analoges Bild. Immer versuchen moskaunahe, korrupte Eliten dem Freiheitsdrang der Menschen entgegenzuwirken.
Es sind oft die einfachen Menschen, die der Erzählung von Größe ihrer Anführer vertrauen, um sich selbst überhaupt als gesehen wahrnehmen zu können: man hat seinen Weinberg, sein Feld, seine Datscha, ist genügsam und überläßt die große Politik der Führung. Im urbanen Umfeld sieht das schon anders aus. In Moldau kann man das gut erkennen.
In Armenien, welches unter russischem Schutz gegen Aserbaidschan stand, wurde in der Frage um die Region Bergkarabach, in der mehrheitlich Armenier lebten, zuletzt der Schutz Russlands ausgesetzt, weil Armenien sich westlich orientierte und seit 2023 ist das Gebiet wieder in der Hand Aserbaidschans.
Unter Lenin und Stalin wurden die ehemaligen Gebiete der UdSSR seinerzeit russifiziert: russische Kultur und Sprache wurden erzwungen, eine Art „östlicher Kolonialisierung“. Die Gräueltaten der russischen Führer wurden nie aufgearbeitet, im Gegenteil: sie werden glorifiziert.
Es fällt auf: Putin stellt sich insgesamt gegen westliche Demokratisierungsprozesse in den ehemaligen Staaten der UdSSR, dies ist ganz besonders in der Ukraine der Fall, denn sie gehört zu den ehemals größten Teilstaaten. Der Feind ist der Westen!
Die Rede von sogenannten Proxy-Staaten und sogenannten Stellvertreterkriege bezieht sich daher nicht ausschließlich auf Amerikas Imperialismus, sondern vielmehr auch auf eine Abwehr gegen die gesamte westliche Werteordnung der Freiheit, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Was für ein Bild soll man denn bekommen von einem Anführer eines ehemaligen Weltreiches, der inzwischen mit Führern von Schurkenstaaten kollaboriert? Was will Putin mit Kim Jon-un erreichen? Letzterer schickt bereits Streitkräfte nach Russland zur Einkleidung und zum Training für die ukrainische Front. Will der Westen weiter nur zuschauen?
Wenn also der deutsche Vorzeigephilosoph Richard David Precht ein „Wertegehabe“ in der Außenpolitik anprangert, und ein Jahrhundert der Toleranz fordert, hat er nur bedingt Recht: Toleranz findet ihre Grenze an der Intoleranz der Anderen. Gleiches gilt für waffenlosen Pazifismus: wenn sich dunkle Wolken aggressiver Mächte mit extremer Militarisierung in Geist, Wort und Tat um uns bilden, können wir nicht sprach- und tatenlos zuschauen.
Putin ist es tatsächlich auch nach fast drei Jahren noch nicht gelungen, seine Kriegsziele in der Ukraine durchzusetzen: er wollte Kiew innerhalb dreier Tage durch eine Marionettenregierung ersetzen. Inzwischen sind seine Nachkriegsbestände an Kriegsmaterial aufgebraucht und die eigene Waffenproduktion kann den monatliche Verlust trotz begonnener Kriegswirtschaft noch nicht ausgleichen. Ergo sammelt er Material aus Nordkorea, China und Iran ein, jüngst werden wie gesagt offensichtlich Elitesoldaten aus Nordkorea russisch eingekleidet und demnächst an die ukrainische Front entsendet. Ihm gehen eigene Soldaten aus, die er bereits aus Gefängnissen rekrutieren oder mit Rubeln an die Front locken muss.
Aber Putin braucht nur drohen und schon knickt der freie Westen ein: Eskalationsängste plagen manche, oder sollte ich sagen Wohlstandsängste? Freiheit oder Wohlstand, oder beides? CRINK scheint zu meinen, Wohlstand braucht keine Freiheit….wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Wir haben im Westen aber gelernt: erst die Freiheit kann echten Wohlstand schaffen, einen Wohlstand, der nicht nur den kriminellen Eliten einer Gesellschaft zukommt, sondern der auch in der letzten Datscha ankommt. Die einfachen Menschen werden erst nachdenklich, wenn ihre Söhne in Särgen von der Front zurückkommen, und selbst dann kann der Traum von Größe und Ansehen als Weltmacht noch überwiegen.
Wann hören wir endlich auf, den durch Putin vergifteten Stimmen von BSW und AfD Glauben zu schenken, der Westen, die NATO, die USA seien die Ursache allen Übels? Wieviel Evidenz der Fakten wollen wir noch ignorieren, wenn die Nachkriegsordnung und ihr Ergebnis durch völkerrechtskonforme Weiterentwicklungen mit Füßen getreten werden? Wollen wir wieder militärische Stärke und aggressive Überfälle zulassen, statt eine internationale Rechtsordnung wenn es sein muss auch mit Waffen zu verteidigen? Wollen wir wirklich zurück in eine Epoche, die wir überwunden zu haben glaubten? Mit Worten allein geht das jedenfalls nicht.
Die westlichen Werte zeigen oft eine Doppelmoral, denn die kapitalistische Interessenausrichtung fördert nicht nur die freien Kräfte des Marktes, sie fördert leider auch jene Kräfte, die Mensch und Natur ausbeuten. Aber sind die neuen „östlichen Werte“ z.B. jene einer CRINK-Allianz oder eines BRICS- Wirtschaftsbündnisses tatsächlich eine Alternative? Soll es wieder unterschiedliche Machtzonen auf unserem Planeten geben, in denen „interessenorientiert“ nach eigenem Gutdünken agiert werden kann? Haben wir immer noch nicht begriffen, dass wir alle in einem Boot auf diesem Planeten leben, das nur dann seine Aufgabe erfüllen kann, wenn Gemeininteressen vor Eigeninteressen stehen?
Ich kann es nicht mer hören, wenn Intellektuelle über „interessengesteurte“ statt „wertebezogene“ Außenpolitik fabulieren. Natürlich geht es bei uns Menschen um Werte, um Dinge also, die gerade von Eigeninteressen auch mal absehen können. Unser Planet lehrt uns das gerade anhand des Klimas. Aber natürlich: es gibt ja keinen menschengemachten Klimawandel, tönt es von den „Interessenvertretern“ ….erst wenn sie keine monetäre Versicherung mehr finden, welche die finanziellen Folgen der anstehenden Katastrophen abdecken, werden sie vielleicht aufwachen. Vom menschlichen Leid möchte ich gar nicht reden.
Höre ich nicht ständig die Putinverteidiger: man müsse die „berechtigten“ Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigen? Was ist bitte hier „berechtigt“? Eine reale Bedrohung, eine eingebildete oder eine instrumentalisierte? Geht es um echte Bedürfnisse, oder um Wünsche, z.B. um Großmachtphantasien? In der Kleinkinderziehung kann es zu fatalen Ergebnissen führen, diese beiden Eckpunkte zu verwechseln. Auf nationaler Ebene ist es noch gefährlicher: es gibt einen Unterschied zwischen einem versorgungsbedürftigen Baby und einem trotzigen Kleinkind, letzterem sollte man auch Grenzen aufzeigen können. Die Grenzen, die man einem Putin zeigen muss sind, dass im 21. Jahrhundert nicht mehr mit Gewalt willkürlich Grenzen verschoben werden können, dass man Menschen nicht mehr als Kanonenfutter für eigene Machtphantasien verheizen darf und dass man ein Minimum an ethischen Grundwerten vertreten muss, wenn man noch als Mensch gelten möchte. Dazu gehört, dass man sich an Abmachungen und Verträge hält. Wer eigentlich auf der Welt glaubt noch ernsthaft, mit Putin Verträge abschließen zu können, die die Tinte auf dem Papier wert sind?
Amerika, unsere bisherige Schutzmacht, zieht sich zurück, und Europa hat immer noch keine Sicherheitsstrategie. Ich gebe zu bedenken: auch das Gebiet der ehemaligen DDR ist für Putin kein Tabu….mögen sich die Menschen in den neuen Bundesländern mit ihrer Unzufriedenheit das auf der Zunge zergehen lassen. Vielleicht aber haben sie ihre Entscheidung ja schon getroffen.
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