Die EU hat zwar gerade weitere Hilfen für die Ukraine aus eingefrorenem russischen Vermögen bereitgestellt, doch die Müdigkeit in einzelnen europäischen Ländern, die Ukraine weiter zu unterstützen, nimmt zu.
Jene in Europa, die bereits das Vergnügen mit russischer Oberhoheit in der Geschichte hatten - mit der Ausnahme von Orbans Ungarn vielleicht - zeigen Unverständnis für die aktuellen Bedrohungsängste der anderen Zivilgesellschaften in Europa, die seit dem Kalten Krieg unter dem NATO-Schutzschirm insbesondere der USA wirtschaftlich gedeihen konnten und bei der damals herrschenden und offensichtlich wirksamen Abschreckungsdoktrien unterkriechen konnten. Man hat sich sogar derart sicher gefühlt, dass man eigene Verteidigungsausgaben zurückgefahren hat.
Der Rüstungswettlauf führte in den 90ern dazu, dass Gorbatschow gegenüber dem Westen einen neuen Weg einschlug, was zum Zerfall der alten UdSSR führte. Das war bereits damals einem jungen, in der DDR stationierten KGB Agenten namens Putin sehr unrecht.
Die 2+4 Verhandlungen um die Deutsche Einheit und die vermeintlich dort gegebenen Versprechungen bezüglich der NATO-Grenzen werden immer wieder von jenen in Frage gestellt, die letzlich das transatlantische Bündnissystem zugunsten einer Annäherung an Russland aufgegen möchten, jenes System also, das ihnen nach dem 2. Weltkrieg Sicherheit und Wohlstand beschert hat. Niemand hat in Verträgen verboten, dass Staaten der NATO beitreten dürfen, auch nicht Russland. Und die NATO hat nie Grenzen verschoben und selbst Rakten in Ländern stationiert, die später der NATO beigetreten sind. Dass man militärische Ausbildung jenen anbietet, die auch in die NATO wollen, ist selbstbegründend: die Waffensysteme von NATO-Staaten müssen auf einander abgestimmt sein.
Da werden aber auch z.B. geografische Argumente herangezogen: Europa, dass kontinental eben auch Russland umfassen würde, sei daher eben auch in natürlicher Weise der bessere Bündnispartner für ein europäisches Sicherheitskonzept (Krone-Schmalz).
Gleichzeitig wird ein imperiales Amerika angeprangert, es würde mit Europa andere Ziele verknüpfen und es ggf. als Pufferzone bei einer Auseinandersetzung opfern. Dem widersprechend werden Nachrüstungsbeschlüsse und Rakentenaufstellungen der USA als neues Wettrüsten und friedensgefährdend begriffen.
Die aktuelle Bedrohungslage hingegen, dass Putins Russland seit 2014 einen europäischen Nachbarn mit Waffengewalt gegen Völkerrecht und selbst gegen unterschriebene Sonder-Verträge überfällt, fremdes Gebiet annektiert, eine Volksumschichtung betreibt durch Deportation, Umerziehung und Umvolkung, Zerstörung der ursprünglichen Zivilbevölkerung bis hin zum Genozid und Kriegsverbrechen verübt, wird ignoriert - im Gegenteil: man votiert sogar dafür, dass die neue russische Bevölkerung in den annektierten Gebieten der Ukraine selbst darüber abstimmen soll - unter UN-Aufsicht versteht sich - das ihnen das eroberte Land in der Ukraine natürlich zusteht (BSW).
Apropos Eigeninteressen in fremden Ländern: die USA wolle mit ihrer Unterstützung der Ukraine in Wirklichkeit doch nur an die ukrainischen Bodenschätze gelangen….dass Putin sich das ukrainische Ruhrgebiet, den Donbass, bereits 2014 einverleibt hat, wird verschwiegen.
Da werden Verhandlungen gefordert, die bereits alle gescheitert sind und zukünftige, die bereits von russischer Seite im Vorfeld abgelehnt werden, eingefordert, es wird ein Ende der Waffenlieferungen gefordert, wohlwissend und von Putin bestätigt, dass er dies als Einladung für weitere Eroberungen begreifen würde. Aber auch hier wird von Frau Wagenknecht stetig behauptet: „man könne ja nicht in Herrn Putins Kopf schauen“….will sagen, man muss nicht alles glauben, was aus seinem Munde kommt. Glauben aber muss man ihm, wenn er mit Atomwaffen droht. Was denn nun?
Weiter wird darauf beharrt, die Ukraine könne diesen Krieg nicht gewinnen, was aktuelle Frontverläufe zeigen und ausgemusterte Ex-Generäle eigener Couleur bestätigen. Dass Putins Superarmee, rekrutiert aus sozialen Unterschichten und Verbrechern, motiviert durch Rubel-Geschenke, unvorbereitet an der Front verheizt werden, dass bereits die komplette Nachkreigsreserve an Kriegsgerät verbraucht wurde und eine erhebliche Aufrüstung und Fremdausstattung der Armee mit Gerät aus Nordkorea und dem Iran erfolgen muss, dass in Russland auf eine Kriegswirtschaft umgestellt wurde, all das berührt die westliche Friedensbewegung überhaupt nicht. Ich stelle die Frage: was möchte ein Land, das auf Kriegswirtschaft umstellt und nicht angegriffen wird (bis auf kürzlich in Kursk!) eigentlich damit anfangen? Friedensverträge unterzeichnen etwa?
Dass tatsächlich das im Kriegsverlauf ständige zu späte Liefern und das Falsche liefern der Unterstützerstaaten an die Ukraine die gegenwärtige Frontsituation geschaffen hat, wird geleugnet. Aktuell behauptet der Kanzler arrogant: „..dass wir bei unserer Unterstützung immer sehr stark darauf fokussiert sind, was wirklich hilft und was notwendig ist. Dazu gehört auch, dass Deutschland keine Reichweitenbeschränkungen aufheben wird. Das ist mit meiner persönlichen Position nicht vereinbar“
Eben diese Reichweiten aber wären es, die das ständige Abwerfen von Gleitbomben auf die Ukraine verhindern würde und die russische Logistig bereits auf eigenem Boden empfindlich stören würde.
Herr Scholz befindet sich noch in der SPD-Tradition der Trauer über verloren gegangene Ostbeziehungen vor der von ihm selbst aufgerufenen Zeitenwende nach Ausbruch des erneuten Überfalls Russlands auf die Ukraine 2022. Rückendeckung hat er von Stegner und Mützenich, die alle noch nicht den Ernst der Lage begriffen haben.
Dann wird zunehmend behauptet, das Geld für Waffenhilfe wäre besser im eigenen Land angelegt - ein Killerargument, aber eben leider nur solange, bis für das besagte Land selbst auch eine erfahrbare Zeitenwende eintritt, wie in der Ukraine.
Dann möchte man Staaten wie China, Brasilien und Afrika als Verhandlungsvermittler, obwohl erwiesener Maßen besonders China über eine europäische Destabilisierung nicht unglücklich ist.
Und natürlich ist da die bewegte Vergangeheit amerikanischer Präsidenten und der NATO mit all ihren imperial motivierten Missetaten an anderen Staaten mit fadenscheinigen Argumenten - ein echter Whataboutism eben: man möchte von aktuellen und akuten Problemen ablenken.
Thema Sicherheitsgarantien! Es gibt nur eine Sicherheit gegenüber Putin: die NATO. Alle anderen Versuche sind historisch gescheitert (Minsk 1,2). Doch man hört schon wieder den Ruf nach einem Einfrieren und einem Minsk 3.
Wenn die Ukraine wegen westlicher, unterlassener Hilfeleistung von Putin überrannt wird, dann ensteht eine Bedrohung für Europa, die keinerlei nuklearer Drohungen oder Weltkriegsdrohung mehr bedarf: dann hat ein Aggressor bewiesen, dass er westliche Demokratien mit Waffengewalt am Nasenring durch die Arena der globalen Weltpolitik herumführen kann. Das wird dann auch Schule machen…..aber vielleicht wollen wir ja auch im Westen das Modell Demokratie endgültig aufgeben und uns den Autokraten unterwerfen?
Wie sagt unser ehemaliger Bundespräsident Joachim Gauck so schön: es gibt immer mindestens zwei Hauptströhmungen in modernen Gesellschaften: einerseits Geborgenheit, Sicherheit, Versorgung, Stetigkeit, Verlässlichkeit, Fremdbestimmung, Unterdrückung, Autokratie, zum anderen aber Freiheit, Aufbruch, Kreativität, Veränderung, Toleranz, Risiko, Selbstbestimmung, Demokratie.
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