Sevim Dagdelen beimVortrag auf der Veranstaltung des Berlin-Brandenburger Bündnisses gegen Krieg und Sozialabbau. Bild: Valeri Schiller/Westend-Verlag
Kritiker der NATO, insbesondere jene aus den ehemaligen Warschauer Pakt Staaten und deren Sympathisanten, stellen das Existenzrecht der NATO insbesondere nach Zerfall der UdSSR in Frage und werfen ihr eine der USA zugschriebene, hegemoniale Geopolitik vor.
Insbesondere aus den Reihen des BSW meldet sich dessen außenpolitische Sprecherin, Frau Sevim Dagdelen, zu Wort.
Sie hat unlängst ein Buch veröffentlicht: „Die NATO - eine Abrechnung mit dem Wertebündnis“ und hat in dem „Overtone“ Magazin ihre Standpunkte dargelegt. Dort wird Stellung bezogen gegen die weitere Aufstellung amerikanischer Waffensysteme in Deutschland bis 2026.
Die sogenannten „Transatlantiker“, so bezeichnet Frau Dagdelen jene, die der USA überwiegend freundschaftliches Interesse unterstellen, behaupteten eine „Fähigkeitslücke“ der NATO angesichts der russischen Aggression in der Ukraine, und ignorierten das Mitbestimmungsrecht der deutschen Bürger, weil die Aufstellung bilateral (USA/Deutschland) vereinbart wurde.
Frau Dagdelen unterstellt umgekehrt der USA eine antieuropäische Ausrichtung und einen Ausbau hegemonialer Machtinteressen gegen Russland, Iran und China auf Kosten Europas und insbesondere Deutschlands: die Gefahr für Deutschland, Ziel eines russischen Angriffs zu werden, würde hierdurch unangemessen steigen.
In ihrem Artikel werden die „Sünden“ der NATO aufgezählt, es wird von einer Ausdehnung der NATO an die Grenzen Russlands gesprochen und z.B. von einer Aufgabe der deutschen Souveränität durch den „Aufenthaltsvertrag“ von 1954 zwischen Deutschland und den Siegermächten bezüglich der Anwesenheit von deren Truppen auf deutschem Gebiet.
Die 75 Jahrfeier der NATO und die in diesem Rahmen neu gebildete NSATU (Nato Security Assistance and Training for Ukraine) wird als endgültige Abwendung der NATO bezüglich des Respektierens von formellen Bündnisgebieten aufgefasst und sei zu einem Militärpakt mit globalem Anspruch mutiert. Es werde in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg geführt und die Führungsmacht der USA im Ramstein-Format zementiert.
Mithin würden soziale Aufgaben für unsinnige Rüstungsausgaben für einen Krieg geopfert, der von der Ukraine nicht gewonnen werden kann und der nur Interessen der USA dienen würde.
Soweit Frau Dagdelen.
Mir fällt auf, dass sogenannte Anti-Transatlantiker wie das BSW und Frau Dagdelen immer wieder nostalgisch auf eine Politik des Ausgleichs mit Russland z.B. in der Politik eines Willy Brandt zurückgreifen, und selbst aktuelle Teile in der Führung der SPD neigen zunehmend dazu, im Ukrainekrieg einzulenken, und zunehmend Waffenhilfe zwar zu versprechen, aber nicht mit allen Konsequenzen: rechtzeitig die benötigten Waffensysteme bereitzustellen und diese dann auch gem. Völkerrecht im russischen Hinterland einsetzen zu dürfen.
Dieses aktuell deutsch-amerikanische Verhalten wird auch gerne als „boiling the frog“ bezeichnet: Russland und die Ukraine sollen „weichgekocht“ werden, indem die Unterstützung waffentechnisch nicht vollständig sondern zurückhaltend erfolgt. Begründet wird dies mit einer besonnen Sicherheitspolitik der Deeskalation und der Beachtung vermeintlich roter Linien eines Aggressors mitten im Europa des 21. Jahrhunderts, der meint, sich mit Gewalt über Recht und Ordnung einer Nachkriegsordnung hinwegsetzen zu können.
Die Bewertung dieses Aggressors Putin erfolgt dann auch brav zurückhaltend: natürlich sei sein Angriffskrieg zu verurteilen, aber verstehen kann man sein Verhalten schon. Putin selbst versteht sich auch in dieser Richtung und freut sich über diese Art von Täter-Opfer-Umkehr.
Das „Verstehen“ eines Aggressors bemüht ein Geschichtsverständnis, das umgekehrt den Westen als schuldig und aggressiv entlarvt, insbesondere mit der NATO-Osterweiterung. Völlig aus dem Blick bleibt dabei, dass die Beitrittskandidanten zur NATO seit WKII freiwillig und von internationalem Recht gedeckt - auch von Russland ratifiziert - genau vor einem imperialen Moskau Schutz gesucht haben, ein Moskau, dass während der Existenz der UdSSR 15 Staaten imperialistisch eingegliedert hatte, die auf wundersame Weise nun Schutz im Westen suchen.
Nun ist verständlich, das ehemals LINKE in der BSW mit DDR Vergangenheit durchaus Sympathien mit obrigkeitlichen und sozialistischen Systemen hegen, insbesondere, wenn man starke autokratische Systeme vermisst, wie Frau Wagenknecht die DDR und Putin die UdSSR.
Die entstehende Strukter des BSW lässt vermuten, dass im Wege der Bildung einer Kader-Partei mit Führungsideologin eben solche Zustände wiederhergestellt werden sollen und Freundschaften unter seinesgleichen gesucht werden: Aufhebung der Sanktionen gegen Russland, und viel mehr - wieder direkter Einkauf günstigen Gases bei Putin, denn die Sanktionen werden sowieso umgangen.
Und schon ist die grüne Energiepolitik eines gefährlichen Klimawandels relativiert und der Hauptfeind ausgemacht: die GRÜNEN.
Die GRÜNEN und die Ampel sind der Untergang Deutschlands, da gibt es keinen Zweifel, so jedenfalls das BSW. Der Staat muss aber zukünftig schon durchgreifen: keine Smartphones mehr für Grundschüler, damit diese wieder lesen, schreiben und rechnen lernen. Ist doch alles ganz einfach, oder?
Das ewige Schreien nach Verhandlungen mit Putin passt ebenfalls in ein Desinformationsgebilde Marke BSW: man tut so, als wurde noch nie oder jedenfalls zu wenig verhandelt, man müsse sofort Waffenlieferungen einstellen, und man müsse Putin damit auf Verhandlungsbereitschaft testen. Einwände, dass jener sich beharrlich und amüsiert zu seiner Verhandlungsbereitschaft selbst äußert, werden in den Wind geschlagen, denn man kann ja nicht in Putins Kopf schauen…..aber glauben darf man seinen Worten schon? Nun, wenn es um seine Drohungen mit Atomkrieg geht, darf man glauben, wenn es um seine Weigerung bei Zugeständnissen an die Ukraine geht, dann eben nicht.
Mich besorgt, dass die berechtigt vom Kanzler ausgerufen „Zeitenwende“ zu hohlen Worten verkommt, und man die ware Kriegsgefahr unterschätzt: man kann in Europa wieder mit militärischer Gewalt seinen Willen durchsetzen.
Wer von „Einfrieren des Ukrainekrieges“ träumt hat nicht nur 2014 vergessen, er hat bewiesen, dass er dem Motte „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an“ folgt. Nur, kleine Funken werden gerne zu Flächenbränden.
Die Amerikaner sind keine Engel, aber Putin erst recht nicht. Die miesen Verhältnisse in seinem Land werden keinesfalls so gewürdigt, wie die unseren verurteilt und beklagt werden. Daher, wer zu Friedensdemos im „Werte“- Westen aufruft und kein Wort über das „Werte verhöhnende“ Russland verliert, sondern im Gegenteil auch noch das Kriegsopfer Ukraine verhöhnt und dort von Nazis, von Flugabwehropfern in der Zivilbefölkerung und Soldatenflüchtlingen redet, wer Vergewaltigungen mit „so ist eben Krieg“ entschuldigt, und Umvolkungen ignoriert und dazu nutzt, in den betroffenen Gebieten das Volk über territoriale Zugehörigkeit entscheiden zu lassen, kann nicht ernst genommen werden.
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