Die neuerliche Diskussion um die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenwaffen in Deutschland im Rahmen der NATO und angesichts des russischen Willens der aggressiven Ausbreitung eigenen Machteinflusses am jüngsten Beispiel in der Ukraine, erfordert eine genauere historische Betrachtung der sogenannten „Friedensbewegung“.
Ich selbst war Kriegsdienstverweigerer und demonstrierte ebenfalls damals gegen den NATO-Doppelbeschluss. Der Doppelbeschluss der NATO vom 12. Dezember 1979 bestand aus zwei Teilen: Die NATO kündigte die Aufstellung von 198 neuen mit Atomsprengköpfen bestückten Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und 464 Marschflugkörpern vom Typ BGM-109G Gryphon in Westeuropa an. Sie begründete diesen Schritt als Modernisierung und Ausgleich einer Lücke in der atomaren Abschreckung, die die Stationierung der sowjetischen SS-20bewirkt habe.
Die Ausgangslage damals war eine andere als heute: damals herrschte noch der „Kalte Krieg“, heute droht in Europa tatsachlich ein „heißer Krieg“, ausgelöst mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Dieser heiße Krieg droht nicht nur, er hat informatorisch im Internet bereits begonnen.
Ich werde dabei nicht mehr nur von „Putins Krieg“ sprechen, sondern bewußt vom „russischen Angriffskrieg“. „Russisch“, weil eine ganze Elite in Russland sich hinter Putins stalinistischen Revisionismus stellt und „Angriff“, weil beharrlich in der russischen Propaganda, unterstützt von aktuellen, infizierten westliche Stimmen, diesen Angriff als notwendige „Verteidigung russischer Interessen“ gegen ein „Vordringen der NATO“ interpretieren.
Die Eliten in Russland, vor allem jene um den Kreml angesiedelten, an forderster Front der Interims-Präsident und Lückenfüller Dmitri Medwedew, der Putin über die damals noch herrschende „demokratische“ Lücke hinweg zu einer nun verfassungsmäßig abgesegneten Herrschaft Putins auf Lebenszeit in Russland und der Russischen Föderation verhalf, rechtfertigen diese Sichtweise. Ebenso die gleichgeschalteten Informationsmedien in Russland, die nicht müde werden, gegen westliche Werte zu hetzen und öffentlich Vernichtungsszenarien europäischer Hauptstätte diskutieren und dies in jedes Wohnzimmer ihrer Bürger tragen.
Von alledem hören wir keinerlei Widerspruch in Deutschland von neuen politischen Kräften wie der AfD oder BSW, die man diesbezüglich in einem Atemzug nennen muß. Aber selbst in der SPD scharen sich um Mützenich und Stegner zunehmend sogenannte Pazifisten oder Eskalationsvermeider in der SPD, die der von Putin eingeflüsterten Propaganda auf den Leim gehen und von der vom eigenen SPD-Kanzler mit viel Beifall beklatschen „Zeitenwende“ immer mehr abrücken.
Die Bedrohung in Europa durch Russlands geopolitischen Expansionsdrang besteht ja nicht darin und wie uns eingeredet werden soll, dass nukleare Schläge erfolgen könnten, oder kurzfristig die russische Armee, oder was von ihr noch übrig ist, in Deutschland einmarschieren könnte. Sie besteht vielmehr darin, dass Russland mit einer konventionell militärischen Salamitaktik Stück für Stück die abtrünnigen Teilstaaten der ehemaligen UdSSR, die einst unter dem Schirm der NATO aus guten Gründen Schutz vor Russland suchten, wieder „heim ins Reich“ holen möchte.
Teil dieser Bedrohungslage ist die neuerliche „Friedensbewegung“, eingeleitet durch Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, die mit dem Anspruch daherkommt, nur sie wüßten wie Frieden geht bzw. wie er nicht geht. Dass die Abschreckungsdoktrien des Kalten Krieges unseren Frieden seit 1945 tatsächlich bewahrt haben, und dass der Warschauer Pakt letztlich durch das Wettrüsten mit dem wirtschaftlich stärkeren Westen aufgegeben werden musste, wird aus ebenfalls guten Gründen verschwiegen. Dass dieses Vertrauen auf die Supermacht USA und der NATO die Mitgliedsländer dazu verführt hat, Verteidigungsfähigkeit immer mehr aus den Augen zu verlieren, ist die Kehrseite der Medaille. Denn freilich: Geld ist besser in soziale und wirtschaftliche Projekte zu investieren, als in militärische. Hier erzählt uns BSW also eine Binsenwahrheit, nur, wie ist das, wenn plötzlich ein ehemaliger Kontrahent seine Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umstellt?
Heute spricht unser Verteidigungsminister und die NATO zu Recht von einer „Befähigungslücke“ in Europa, was unsere Verteidigungsfähigkeit angesichts faktischer, russischer Bedrohung mit Mittelstreckenwaffen betrifft. Wie könnten sonst die russischen Medienhetzer ständig über Angriffe auf europäische Hauptstätte diskutieren? Führen wir in Europa derartige Diskussionen auch, wie wir russische Hauptstätte in Schutt und Asche legen könnten? Tun wir nicht, weil wir es nicht wollen und nicht können.
Wichtige Begriffe hierbei sind die Kampfbegriffe wie z.B. „Transatlantiker“ bei BSW: also jene, die auf die Freundschaft mit Amerika vertrauen, die sich seit Kriegsende 1945 herausgebildet hat. Nicht ohne Grund! Denn der wirtschaftliche Aufschwung fand dadurch in der „BRD“ statt, in der „DDR“ als Teil des Warschauer Paktes konnte man anderes beobachten.
„Transatlantiker“ sind heute also jene, die sich von den USA bevormunden lassen, aufhetzen lassen, die Ukraine mit mehr Waffen zu ihrer Verteidigung zu versorgen, um letztlich Wirtschaftsinteressen der USA in Europa zu bedienen. Hier gibt es einige westliche Fürsprecher, sei es eine Gabriele Krone-Schmalz, ein Daniele Ganser, oder eben eine Sahra Wagenknecht mit ihren handverlesenen BSW-Mitgliedern, die einigen Zulauf erfahren, zuletzt mit der EU-Wahlparole „Krieg oder Frieden“.
Umgekehrt werden jene Anti-Transatlantiker als Putin-Versteher bezeichnet, weil ihre Argumentationslinien oft auffällig mit dessen Propaganda übereinstimmen. Ist das Zufall? Wir werden sehen.
Auf der Plattform „X“ (ehemals Twitter) finden neben oberflächlichen und manipulierten Tweeds, z.B. durch Propaganda-Trolle und -Maschinen, aber auch fundierte Diskussionen statt, innerhalb derer gut recherchierte Fakten präsentiert werden, die sich von den viele Fake-News erfrischend gut abheben. Diese zu sichten und für diese als Multiplikator zu wirken, ist mein Ansinnen. Dabei haben sich einige Accounts für mich herauskristalisiert, die ich hier aus diesem Grunde schon veröffentlicht habe.
Zum Thema „Mythos der Friedensbewegung“ möchte ich nun einen umfassenden Tweed von „Pedro“ auf der Plattform „X“ wiedergeben.
Pazifismus als Haltung, Anwendung von Gewalt grundsätzlich abzulehnen, ist ein respektabler ethischer Standpunkt.
Warum die Tradition des Missbrauchs dieser Grundhaltung - durch Täuschung und Manipulation- zur Gefahr für unsere Sicherheit wird:
In einem WDR-Radiointerview bekannten sich Moderatorin und Gast Sigmar Gabriel, als junge Menschen an der großen Friedenskundgebung im Bonner Hofgarten 1983 teilgenommen zu haben.
Diese prägende Erfahrung der 80er-Friedensbewegung kann aber zur Manipulation genutzt werden.
Ein wichtiger Motivator, Frieden unter allen Bedingungen einzufordern, war damals wie heute: ANGST. “Bevor ein vernichtender Atomkrieg ausbricht, im Zweifel lieber einem Aggressor nachgeben.”
Angst ist kein guter Ratgeber - aber ein idealer Angriffspunkt für Manipulation.
In der Begeisterung über die deutsche Wiedervereinigung - die Friedensaktivisten auch als ihren Erfolg verbuchten -
gingen die ab 1990 auftauchenden Erkenntnisse unter, dass große Teile der westdeutschen Friedensbewegung von DDR-Stasi und KGB unterwandert und gesteuert waren.
Zweck der aufwändigen “operativen Maßnahmen” der Stasi in der BRD:
Den strategischen Vorteil zu schützen, der mit der einseitigen Stationierung von sowjetischen Mittelstreckenraketen im Ostblock erreicht war, durch Verhindern einer gleichwertigen Nachrüstung der NATO.
Welche strategische Bedeutung die Vormacht der UdSSR bei Mittelstreckenraketen hatte, warum also KGB und Stasi so viel Aufwand in Aufbau und Steuerung einer westdeutschen Friedensbewegung steckten, habe ich letztes Jahr in diesem Thread beschrieben:
Einschub früherer Tweed von Pedro
Sowjetische Planungen beinhalteten Panzer-Vorstöße entlang der gesamten Grenze DDR-BRD mit dem Ziel, in wenigen Tagen zur französischen und niederländischen Küste vorzustoßen.
Mit einer Feuerwalze, Tag und Nacht.
Deutsche Städte hätten wie Mariupol oder Bachmut ausgesehen.
Nebenbemerkung:
bei einer solchen Offensive beinhaltete die Planung der UdSSR, die DDR-Streitkräfte als erstes vollkommen aufzureiben, als Kanonenfutter.
Ehemalige Bürger der DDR, die heute aus Nostalgie dem „realen Sozialismus“ nachtrauern, sollten das nicht vergessen.
Damals entstanden die riesigen Bestände an sowjetischen Waffen und Munition, auf die Putin heute noch zurückgreift.
NATO-Staaten waren nicht bereit, dieses konventionelle Wettrüsten mitzugehen.
Auch weil Transport von Systemen und Nachschub über den Atlantik schwierig ist.
Daher verfolgten USA und NATO das Prinzip der nuklearen Abschreckung:
Mit Drohung, konventionellen Angriffe des Warschauer Pakt auf Westeuropa mit nuklearen „Erstschlägen“ auf die UdSSR zu beantworteten
UdSSR drohte darauf mit Zweitschlägen.
Es entstand nukleares Wettrüsten
Erstschlag heißt hierbei nicht, dass die USA unbegründet Angriffe zur Eroberung oder Ausschaltung der UdSSR starten wollten.
Sondern damit drohten, bei militärischer Eskalation des Warschauer Paktes als ERSTE Partei Atomwaffen einzusetzen.
Das war Kern der NATO-Verteidigung
Dabei wurde von der UdSSR in Frage gestellt, ob die USA die eigene Auslöschung durch den nuklearen Gegenschlag riskieren würden, falls die UdSSR NATO-Mitglieder konventionell angreifen würde.
Eine Debatte, die heute in Russland wieder geführt wird.
1975 modernisierten die UdSSR ihre Mittelstreckenraketen auf den zielgenaueren Typ RSD-10 (SS-20).
Sie konnten 3 Atombomben mit je 150kt bei 5000 km Reichweite auf Ziele in ganz Europa innerhalb von 5-15 Minuten abfeuern und Verteidigungsanlagen zuverlässig ausschalten.
Die NATO hatte dem nichts Vergleichbares entgegenzusetzen. Daher entwickelten die USA ab 1976 die Pershing II Raketen mit Reichweiten von >1800 km, die innerhalb von 5 Minuten 1000 km zurücklegen konnten, um die Abschreckungs-Balance wieder herzustellen.
Diese taktischen Raketen sollten „flexible Response“ auf konventionelle Angriffe der Roten Armee androhen. Damit bliebe der Konflikt in Europa. Die Hemmschwelle der USA, sie einzusetzen, ist geringer. Ergebnis:
Glaubwürdigere Abschreckung gegen sowjetische Angriffsversuche.
Europäische Staaten, in denen die Pershing II Raketen stationiert werden sollten, mussten dem zustimmen.
Geheimdienste des Warschauer Paktes versuchten, mit Einflusskampagnen die öffentliche Meinung im Westen gegen diese Stationierung zu drehen:
Sowjetische Einflusskampagnen auf die westliche Friedensbewegungen hatten Tradition. Schon 1950 wurde z.B. ein „Weltfriedensrat“ zur „nuklearen Abrüstung“ gegründet, der vom Ostblock und westlichen Kommunisten dominiert war.
Ende früherer Tweed von Pedro, weiter mit „Mythos Friedensbewegung“
Was dabei oft vergessen wurde:
Die UdSSR hatte den grundsätzlichen Anspruch nie aufgegeben, ihren “kommunistischen” Machtbereich mit Gewalt in ganz Europa auszudehnen.
Das hatte sie in der militärischen Niederschlagung von Aufständen in DDR, Ungarn und CSSR deutlich gezeigt.
Stasi-Agenten sorgten durch Unterwanderung der Organisationsteams der westdeutschen Friedensbewegung dort für einen Bias, dass diese keine Kritik am Osten verbreiteten, sondern der Fokus auf den USA, NATO und der Bundesregierung blieb.
Leider hatte diese Einflussnahme der Stasi breite Wirkung, z.B. kritisieren nur wenige Grünenpolitiker den Warschauer Pakt.
Auch die Unterdrückung der Friedensbewegung in der DDR wurde dabei kaum wahrgenommen, Solidarität mit Menschenrechtsgruppen im Ostblock blieb gering.
Dabei gilt auch:
Die große Mehrheit der Menschen, die sich in der Friedensbewegung engagierten, taten das aus ehrlicher Sorge um unsere Sicherheit und ethischer Grundüberzeugung zu Friedfertigkeit. Ihr Engagement wurde schamlos benutzt - von Gegnern der Demokratie.
Wir sollten uns ehrlich machen:
Der Machtapparat der UdSSR implodierte 1989-91 nicht, weil Abrüstungsverträge oder “Wandel durch Handel” erfolgreich waren, sondern weil die UdSSR ökonomisch zusammenbrach nach überdrehter sowjetischer Aufrüstung im Wettstreit mit der NATO.
Auch sollten wir Konsens zu einem anderen Irrtum einiger Friedensbewegter finden:
Gorbatschow war kein mutiger Friedenspolitiker. Er ließ noch 1991 Demonstrationen in Litauen mit Panzern gewaltsam niederschießen. Folge: 14 Tote und 700 Verletzte.
Abrüstung war ein Angebot des Westens an die UdSSR, den Rüstungs-Wettbewerb zu beenden. Warum war die Abrüstung dann ein Todesstoß für die UdSSR? Weil sie militärische Durchsetzungsfähigkeit verlor, um andere Länder in ihrem Machtbereich zu halten. Was Afghanistan zeigte.
Wir alle tragen Lebenslügen und Irrtümer mit uns herum. Das ist menschlich.
Mythen der Friedensbewegung können heute zur Gefahr für Freiheit und Demokratie in Europa werden: Weil sie von der russischen Propaganda aktiv genutzt werden für erneute Manipulation und Missbrauch.
Parallele zu den 80ern: Befürworter von “Sofortigen Verhandlungen zum Kriegsende” stellen keine Forderungen an Putin, fordern nicht von Putin, Waffen niederzulegen, sondern von der Ukraine.
Sie unterstellen dem Westen und der Ukraine Kompromissbereitschaft -Putin aber nicht!
“Verhandlung” ist eine Gesprächsform über kontroverse Sachverhalte zu gegensätzlichen Interessen - mit dem Ziel, eine Einigung auf einen Interessenausgleich zu erreichen.
Der Clou:
Schein-Pazifisten von BSW und AfD wissen, dass man mit Putin gar nicht “verhandeln” kann.
Wer “sofortige Verhandlungen mit Putin” ohne Vorbedingungen fordert, muss sich auf Putins Vorbedingungen einlassen.
Und die sind im Kern eine Normalisierung des Landraubs der letzten 10 Jahre und fortlaufender Gewalt in von RU besetzten Gebieten. Das ist aber kein Frieden.
Ich gestehe Mitbürgern, die aus ernsthafter Angst vor einem Atomkrieg und der naiven Überzeugung, Reden sei besser als Kämpfen, jetzt “sofortige Verhandlungen” wünschen, guter Absichten zu. Ich bitte sie aber dringend, ihren Standpunkt zu überprüfen.
Die Gegen-Argumente:
1. Putin handelt NICHT im Interesse Russlands, sondern nur zum Machterhalt der eigenen Elite. Er generiert Einnahmen aus Export fossiler Energien, braucht dafür große Teile der eigenen Bevölkerung nicht.
@JKleinschmidtIR erklärt hier die Gefahren:
Die Fossil-Diktatur Russlands, welche ohne Skrupel gerade die eigene Bevölkerung im Krieg opfert, ist schon gar nicht zu einem “Interessensausgleich” mit dem Opfer seiner imperialen Aggression, der Ukraine, bereit und fähig. Das machte das Regime von Anfang an deutlich.
2. Unterstützung der Ukraine bringt uns nicht in Gefahr. Das haben die letzten 2 Jahre, trotz aller leeren Drohungen Putins, gezeigt.
3. Ein Sieg Russlands in der Ukraine würde uns aber in Gefahr weiterer Kriege bringen, weil er zu weiterer Aggression ermutigt.
4. Parteien wie AfD&BSW bieten keine Lösung für nachhaltigen Frieden an, nur leere Schlagworte.
5. Beide Parteien verbreiten Falschinformationen der RU Auslandspropaganda.
6. Bei der AfD ist direkte Einflussnahme durch den RU Geheimdienst belegt.
Der Wunsch nach Frieden verbindet uns alle. Mit Gegnern wie Putin ist der Weg zum Frieden allerdings beschwerlich.
Es gab im 2. WK auch keine leichte Abkürzung hin zu nachhaltiger Freiheit und Sicherheit in Europa. Auch heute muss - wie 1939/45 - für Frieden gekämpft werden.
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