Frau Dagdelen hat auf der Plattform „x“ netterweise die aktuelle BSW Bundestagsdrucksache 20/11886 vom 17.6.2020 veröffentlicht.
Ich werde diese hier wortgetreu zitieren und anschließend meine persönliche Bewertung auf jeden Punkt abgegen.
Deutscher Bundestag 20. Wahlperiode Drucksache 20/11886 17.06.2020
Entschließungsantrag der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Andrej Hunko, Dr. Sahra Wagenknecht, Ali Al-Dailami, Klaus Ernst, Christian Leye, Amira Mohamed Ali, Jessica Tatti, Alexander Ulrich, Zaklin Nastic und der Gruppe BSW zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zum Europäischen Rat am 27. und 28. Juni 2024 in Brüssel und zum NATO-Gipfeltreffen vom 9. bis 11. Juli in Washington, D.C.
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Mit dem NATO-Gipfel in Washington im Juli 2024 setzt die NATO zunehmend auf Eskalation in Europa und Expansion in Asien hin zu einer globalen NATO. So fordert NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die NATO-Mitgliedstaaten auf, der Ukraine die Nutzung westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland zu erlauben (dpa vom 28. Mai 2024), ungeachtet der dadurch steigenden Weltkriegsgefahr. Zugleich soll der Washingtoner NATO-Gipfel die Weichen stellen für eine globale NATO, die sich jenseits des Nordatlantiks in Richtung Asien erweitert, vorerst noch im Rahmen bilateraler Kooperationsverträge, und gegen China ausgerichtet werden soll. Die NATO ist entgegen ihrem Selbstbildnis weder ein Verteidigungs- noch ein Wer- tebündnis. Völkerrechtsbrüche und völkerrechtswidrige Kriege von NATO-Staaten wie die US-Invasion im Irak 2003 sind NATO-Normalität. Die NATO selbst hat mit ihren völkerrechtswidrigen Angriffskriegen gegen Jugoslawien 1999 und in Libyen 2011 gegen Geist und Buchstaben der UN-Charta verstoßen und international die Schwelle für die Bereitschaft zum Völkerrechtsbruch massiv abgesenkt. Als Wertebündnis taugt die NATO nicht nur aus historischen Gründen durch die lang- jährige Mitgliedschaft faschistischer Diktaturen wie Portugal bis zur Nelkenrevolution • 1974 oder in der Gegenwart durch die NATO-Mitgliedschaft der Türkei als „zentrale Aktionsplattform" für islamistische und terroristische Organisationen nicht, sondern auch nicht durch den Weiterbetrieb des Folterlagers Guantanamo durch die USA sowie die fortgesetzte politische Verfolgung des Journalisten Julian Assange, der wegen sei- ner Veröffentlichung von US-Kriegsverbrechen mit 175 Jahren Haft bedroht wird. Durch ihre Parteinahme für die israelische Offensive im Gazastreifen, die bisher allein 15.000 palästinensischen Kindern das Leben gekostet hat und nicht mehr mit dem Selbstverteidigungsrecht Israels vereinbar ist, hat die NATO zudem international an moralischer Glaubwürdigkeit verloren.
Drucksache 20/11886 - 2 - Deutscher Bundestag - 20. Wahlperiode
Die NATO ist Teil einer extremen, sozial schädlichen Hochrüstungspolitik zu Gunsten der Profite von europäischen und US-amerikanischen Rüstungsschmieden. Diese nutzt allein dem Militärisch-Industriellen Komplex und seinen Lobbyisten in Regierung und Parlament. Begleitet wird diese Politik von selbstzerstörerischen Wirtschaftskriegen zur Aufrechterhaltung der globalen Hegemonie der USA. Der NATO selbst droht eine existentielle Überdehnung durch ihre bedingungslose Unterstützung eines globalen Weltordnungsanspruchs der USA. Die anderen NATO-Mitglieder laufen Gefahr, ihre Außen- und Sicherheitspolitik den Vorgaben aus Washington unterzuordnen und eigene demokratische Souveränität in Teilen aufzugeben.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
- sich für eine eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik einzusetzen, die sich auf gute Beziehungen zu allen Großmächten orientiert und auf Völkerrecht, Entspannungspolitik sowie Interessensausgleich setzt;
- sich für einen Stopp der NATO-Expansion in Europa und Asien einzusetzen;
- sich gegen einen Einsatz von NATO-Waffen in Russland zu wenden;
- diplomatische Lösungen und sofortige bedingungslose Waffenstillstände in der Ukraine und in Gaza zu unterstützen;
- diplomatische Initiativen für eine Politik der Entflechtung zu initiieren, um der Gefahr einer direkten militärischen Konfrontation vorzubeugen;
- sich für die Einhaltung des Völkerrechts und gegen Waffenlieferungen von NATO-Staaten in Kriegsgebiete sowie gegen eine Unterstützung von Kriegsverbrechen durch Waffenlieferungen einzusetzen;
- sich gegen eine NATO-Kanonenbootpolitik in der Straße von Taiwan, die die Konfrontation mit China sucht, zu verwenden;
- sich für die Schließung des US-Folterlagers Guantanamo sowie die sofortige Frei- lassung des Journalisten Julian Assange aus dem Hochsicherheitsgefängnis Bel- marsh in London, dem „britischen Guantanamo", einzusetzen.
Berlin, den 17. Juni 2024 Dr. Sahra Wagenknecht und Gruppe
Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83-91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de /ertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.bundesanzeiger-verlag.de ISSN 0722-8333
Bewertung:
zu I)
..die NATO setze zunehmend auf Eskalation in Europa und Expansion in Asien…Beispiel: die Aufforderung des NATO-Generalsekretärs an die Mitgliedsländer, den Einsatz westlicher Waffen auf russischem Gebiet zu erlauben, was die Gefahr eines Weltkrieges heraufbeschwören würde.
Dass diese NATO Empfehlung auf Grund des von Russland eskalierten Angriffskrieges gegen die Ukraine zu deren Vernichtung als eigenständige Nation erfolgte, wird verschwiegen.
Es wird auch verschwiegen, dass das Völkerrecht es eindeutig erlaubt, zur Verteidigung die Stellungen der angreifenden Partei auf deren Territorium zu bekämpfen.
Die Gefahr eines Weltkrieges wird unmittelbar erst dann gebannt, wenn der Aggressor von seinen imperialistischen Zielen in der Ukraine abläßt. Läßt man ihn aber gewähren, z.B. durch Annahme des von Putin vorgeschlagenen Diktatsfriedens, wird in der Tat die Kriegsgefahr in Europa erhöht, denn nun können fortan sich autokratische Systeme über das bestehende Völkerrecht ohne negative Konsequenzen hinwegsetzen und Staatsgrenzen verschieben.
Die Kriegsgefahr wird also eben ganau dann nicht erhöht, wenn durch Waffenlieferungen der Ukraine-Unterstützer die Kriegszeile Russlands durchkreuzt werden und Putin erkennen muss, dass er vor dem Angesicht der Völker Unrecht begangen hat - er wird übrigens strafrechtlich international verfolgt!
„..die NATO wird abermals historisch verschiedener Vergehen und Brüchen des Völkerrechts beschuldigt, sie wird für das neuerliche Wettrüsten verantwortlich gemacht, und sie diene nur den Rüstungskonzernen und den globalen Hegemonie Ansprüchen der USA und ihrem globalen Weltordnungsanspruch“
Es gab Verletzungen des Völkerrechts, aber nicht durch die NATO, sondern durch Mitgliedsstaaten der NATO ohne UN-Mandat - ein feiner Unterschied!
Für das Wettrüsten ist derjenige verantwortlich, der seit den Nullerjahren fortwährend andere Völker überfällt und sich deren Territorien aneignet oder durch Vasallen regieren läßt: Tschetschenien, Georgien, Moldavien, Ukraine und Krim: Putin!
Die globalen Hegemonieansprüche der USA werden zwar zu Recht kritisiert, allerdings wurde mit dem Zerfall der UdSSR, übrigens eine Folge des Wettrüstens im Kalten Krieg, von seiten der NATO Russland die Hand ausgestreckt, gemeinsam über Sicherheitsfragen in Europa zu verhandeln: der NATO-Russlandrat. In ihm wurde auch geklärt, dass die NATO in den Beitrittsländern eben keine Waffensysteme aufstellt und nur ein geringes Kontingent an Militärpersonal dort abstellt. Und Russland hat dabei auf ein Vetorecht gegen den Beitritt von Staaten verzichtet. Putin münzt dies nun alles nach seiner imperialistischen Geschichtssicht um und Frau Wagenknecht folgt ihm dabei bereitwillig. Putin hat diesen NATO-Russlandrat verlassen!
Eine Erweiterung der NATO, die freiwillig und auf Wunsch der neuen Mitgleider erfolgte, gerade aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem imperialistischen Zentralrussland (Moskau, St. Petersburg), ist keine Drohgebärde gegen Russland, sie spiegelt vielmehr umgekehrt das Schutzbedürfnis der Schutzsuchenden wider. Es ist geradezu grotesk, wenn Frau Wagenknecht fortwährend insistiert, man solle dem Bedrohungsgefühl Putins gerecht werden, und dabei die faktischen und historisch bereits vollzogenen Bedrohungen Russlands hinsichtlich der Anrainerstaaten zu ignorieren.
Die NATO Mitgliedstaaten geben auch nicht ihre Souveränität in Teilen an die USA ab, wenn diese im Rahmen der offensichtlich immer noch notwendigen atomaren Abschreckung durch die USA, einen verlässlichen Schutz gegen Aggressionsstaaten bieten.
zu II)
zu 1.)
Die Herstellung einer eigenen europäischen Sicherheitspolitik ist natürlich erstrebenswert. Auch sind die genannten Gründe und Prinzipien erstrebenswert.
zu 2.)
was ist dem Unterlassen der Expansion der NATO in Europa und Asien denn gemeint?
zu 3.)
Der Einsatz von Waffen in Russland ist im Rahmen bestehenden Völkerrechts zur Verteidigung eines durch Russland überfallenen Staates unter festgelegten Bedingungen gerechtfertigt.
zu 4.)
Diplomatische Bemühungen im Ukrainekrieg und im Nahen Osten finden seit Anfang an statt. Sofortige, „bedingungslose“ Waffenstillstände sind „realitätsfremd“, um auch mal Frau Amira Mohamed Ali zu zitieren, die diesen Begriff so lieb gewonnen hat.
5.-8.)
Dinge, die ebenfalls längst erfolgen, bzw. beachtet werden und teilweise vollzogen sind.
Fazit:
Die Forderungen des BSW folgen einer klaren Polarisierung: „Schuld ist der Westen, die NATO und Amerika, Russland ist das Opfer“.
Es werden weiter widerlegte Geschichtsdeutungen angeführt, die sich so auch bei Putin selbst finden, z.B. die ewig falsche Behauptung, man wäre am Anfang des Krieges einer Friedenslösung so nahe gewesen. Putin selbst konstruiert aus dem von der Ukraine damals erzwungenen Rückzug seiner Truppen ein Friedensangebot: man wollte Kiew nie einnehmen!
Derartige Polarisierungen sind einach nur populistisch: einfache Antworten auf komplexe Fragen.
Mithin glaube ich, dass das BSW sich auf einem Weg befindet, sich politisch in eine Kader-Schmiede im Sinne einer „Partei neuen Typus“ nach dem Modell SED zu organisieren: die autokratischen Tendenzen von Frau Wagenknecht lassen dies vermuten, denn sie konnte schon bei den LINKEN nicht mit anderen. Waren jene anderer Meinung, wurde mit Abspaltung gedroht - so wie es nun geschah!. Frau Wagenknecht schreibt gerne Bücher und führt einen Youtube-Kanal, um ihre Weltsicht zu propagieren, ein demokratischer Austausch ist nicht wirklich ihr Ding - leider! Es lässst sich immer irgendwo ein General oder Oberst auf der Welt finden, pensioniert oder nicht, der der Ukraine einen Sieg abspricht, es gibt aber weit mehr Fachleute, die eine reale Chance sehen, dass die Ukraine Putin stoppen kann - mit westlichen Waffen versteht sich, die rechtzeitig geliefert werden und effektiv genug sind. Das als Kriegstreiberei zu bezeichnen ist unredlich: den Krieg betreibt Putin und sonst niemand!
Dass BSW den Beitritt der Ukraine in die EU inzwischen als Milliardengrab bezeichnet, weil diese korrupt, undemokratisch und kein Rechtsstaat sei, fügt sich in das Gesamtbild nahtlos ein.
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