Warum glauben Sie Putin, Frau Wagenknecht?

Diese Frage wurde im Podcast „Table Today“ von Frau Bubrowski an Frau Wagenknecht gerichtet und sie selbst verweist auf diesen Podcast in ihrem aktuellen „X“-Tweed, um auf scheinbare Alternativen hinzuweisen, um endlich aus der nach ihrer Sicht ausschließlich „militärischen Logik“ auszusteigen.


Neue Argumente darf man von Frau Wagenknecht freilich nicht erwarten: es bleibt bei der historischen NATO-Kritik, den Mythen der erfolgreich erscheinenden Verhandlungen in der Türkei in den frühen Kriegstagen, die letztlich an westlicher Intervention gescheitert seien, und an der behaupteten, möglichen Vermittlung durch China sowie dem Verständnis für russische Sicherheitsinteressen.


Frau Wagenknecht wirft den Befürwortern der Waffenlieferung abermals das Fehlen einer Exit-Strategie vor, liefert aber selbst ebenfalls keine solche, wie denn nämlich bei einer von ihr vorgeschlagenen Verhandlungsstrategie an Putin -  wir liefen keine Waffen mehr, wenn du Putin zu einem Waffenstillstand einwilligst - eine Friedensgarantie aussehen könnte und durch wen sie gegeben werden würde.


Frau Wagenknecht unterscheidet zu Recht in der Frage einer möglichen Neutralität der Ukraine zwischen einer NATO-Mitgliedschaft und einer EU-Mitgliedschaft, gleichzeitig interpretiert sie aber den Maidan-Aufstand von 2014 als amerikanischen Putschversuch, die Ukraine in die NATO einzubinden. Tatsächlich ging es aber beim Maidan-Aufstand gerade um eine EU-Option für die Ukraine, die der damals zwar demokratisch gewählte, aber russlandtreue Präsident der Ukraine, abgelehnt hatte - eine NATO Mitgliedschaft stand also nicht zur Debatte und bereits in den 90er Jahren hat Amerika Skrupel bewiesen, eine ukrainische Mitgliedschaft in der NATO überhaupt zu erwägen, gerade wegen russischer Sicherheitsinteressen. Dies alles ignoriert Frau Wagenknecht historisch. Eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wäre damals bereits möglich gewesen!


Aber sich um Sicherheitsinteressen eines Aggressors, der mit fadenscheinig historischen Argumenten alles russisch Sprachige wieder in einem russischen Großreich vereinigen möchte, dafür internationales Völkerrecht bricht und Grenzen mit Gewalt verschieben möchte, überhaupt sich damit in einer akuten, europäischen Sicherheitslage gedanklich zu beschäftigen, erscheint abstrus.


Frau Wagenknecht schlägt weiter freie Wahlen unter internationaler Kontrolle in den von Russland besetzten Oblasten vor. Der Europakandidat der AfD, Maximilian Krah, selbst ein „Putin-Freund“, verweisst auf die Problematik eines solchen Vorschlags: wer soll wo frei über die Zugehörigkeit dieser Territorien abstimmen? Diejenigen die gerade dort leben, umerzogen wurden oder aus Russland stammen, oder auch jene, die vertrieben wurden oder geflüchtet sind und sich nun zur Sicherheit woanders befinden? Keine Antworten auch an dieser Stelle.


Frau Wagenknecht rügt die installation von amerikanischen Geheimdiensteinrichtungen auf dem Gebiet der Ukraine und Waffenstationierungen und NATO-Soldaten zur Ausbildung der ukrainischen Armee auf ukrainischem Gebiet seit 2014. Dass im Donbas 2014 die russische Armee eingefallen ist, wird verschwiegen. Herr Krah spricht da lieber von russischen Separatisten, und auf der Krim wird von „grünen Männchen“ gesprochen, die 2014 einmarschiert sind. Wie hält man es in den Kreisen der AfD und dem BSW mit der objektiven Wahrnehmung der Realität?


Apropos Sicherheitsinteressen: welche haben wir als Deutsche und in Europa eigentlich, wenn in der russischen Enklave Kaliningrad aktuell Raketensysteme mit der Fähigkeit für Atomsprengköpfe aufgestellt sind, über deren Einsatz munter im russischen TV Szenarien besprochen werden, europäische Hauptstätte zu vernichten? Und Putin betreibt währenddessen eine Kriegswirtschaft, die weit über das Ziel einer erfolgreichen Eroberung der Ukraine hinausreicht.


Frau Wagenknecht versteht tatsächlich die gegenwärtige, militärische Logik nicht, die nämlich dazu dient, den Aggressor Putin zur Einsicht zu verhelfen, dass er mit Gewalt in Europa nicht weiter kommt. Dass dieser Ansatz hinsichtlich eines Verhandlungwillens Putins bereits erfolgreich war, zeigten die ersten Kriegstage,  als er seine Truppen zurückziehen musste. Aktuell sind seine Truppen aber auf dem Vormarsch, wenn auch nur 7m pro Tag, unter erheblichen Verlusten an Mensch und Material, und „erobern“ stolz das von ihnen vorher zerschossene Gebiet. Aber der Einfluss dieser Tatsache auf seinen Verhandlungswillen wurde von ihm ja selbst bereits kundgetan: er wäre ja dumm, jetzt wo die Ukraine keine Munition hat, zu verhandeln!


Ja, Frau wagenknecht, dass sind Realitäten, bei denen man nicht spekulieren muss darüber, was Putin will oder nicht will. Man braucht daher auch keine Verhandlungsangebote, um seinen wirklichen Willen zu testen. Und man kann auch keine ernstgemeinten Verhandlungen mit Putin führen, solange nicht eine niet- und nagelfeste Sicherheitsgarantie für die Ukraine gegeben werden kann - und diese, Frau Wagenknecht, folgt leider einer militärischen Logik! 


Liebe Frau Wagenknecht: arbeiten Sie sich gerne an wirtschaftspolitischen Fragen, an der Kritik an der Ampel und an der Flüchtlingsproblematik ab, da haben sie entsprechende Kompetenzen. Bei Sicherheitspolitischen Fragen habe ich da bei Ihnen so meine ernsten Bedenken.


Wir wollen alle Frieden. Aber Frieden muss verteidigt werden können, zur Not mit der Waffe, solange noch ein einziger Aggressor auf dieser Erde wandelt.  

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