Nachdem sich in unzähligen „X“ Tweeds die Siegeshymnen der AfD über den Ausgang des 6-Stunden Marathon zwischen Tilo Jung von Jung & Naiv und dem AfD EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah häufen, habe ich mir diesen Podcast ebenfalls angetan - genau gesagt bis zur Stunde 4:04:36. Es stehen zwar noch 2 Stunden 22 Minuten aus, die ich mir auch noch antun werden, aber das bisherige duldet bereits keinen Aufschub.
Da ist auf „X“ die Rede von „Krah habe dem armen Tilo die Hosen runtergezogen“ und der AfD-Vertreter habe mit Bravur die Prüfung bestanden …… mit nichten!
Ich bin seinerzeit durch meinen jüngsten Sohn - studierter Jurist und inzwischen Syndikusanwalt bei der Allianz - auf diese Podcastserie aufmerksam geworden. Diese Podcastserie nimmt sich Zeit für Interviews von Menschen jeglicher politischer Couleur und bemüht sich dabei um Faktensicherheit und Anstand in der Kommunikation.
Vorneweg: ja, Maximilian Krah hat Tilo Jung teilweise mit seinem historischen, weltanschaulichen und kulturellen Wissen in die Enge getrieben, Herr Jung hat aber immer die Fassung bewahrt und den Fokus auf die gestellten Fragen zurückgeordert.
Kein einfaches Unterfangen bei einem Gesprächspartner, der nur so vor Kompetenz aber auch Arroganz zu strotzen scheint. Wenn es um Verfassungstreue und Gesetzesverständnis geht, ließ Herr Krah keinen Zweifel an seiner inernationalen Jurabildung, allerdings bemühte er zur Leugnung des überwiegend menschengemachten Klimawandels dann doch einen Physiker seiner Wunsch-Kompetenz-Universität statt auf kompetentere Klimaexperten zurückzugreifen.
In Wirtschaftsfragen das gleiche: sein Feindbild Marcel Fratzscher, Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin, gerät zu einem banalen Unterexperten angesichts der eigenen Expertise, und alle anders denkenden Experten schreiben sowieso nur voneinander ab.
Diese wenigen Spotlights mögen zeigen, welche Argumentationslinien in 6 Stunden zu erwarten sind: pseudoschlüssige Logik, aufgeplustert mit viel hochnäsigem, zwar reaktionsschnellem aber auch situationsgebundenen Oppertunismus, am Ende aufgehübscht mit juristisch feinsinnigen Wortklaubereien. Was ist rechts, was rechtsextrem und was ist rechtsradikal? Warum beschreibt sich Herr Krah als „rechts“ und nicht als „konservativ“? In Abgrenzung zu einem konversativen Armin Laschet natürlich! Von „radikal“ und „extrem“ distanziert sich Herr Krah ohnehin, da er im politischen Zusammenhang Gewalt ablehnt. Sein Vokabular gleicht nicht dem von Herrn Höcke, Herr Krah geht den subtilen Weg der völkischen Identität: man unterscheidet bei Staatsvolk Volksdeutsche von ethnisch Deutschen und er zitiert das Grundgesetzt Artikel 116 Absatz 1 - wer ist eigentlich deutsch?
„Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“
Als viel bemühtes Beispiel dient Markus Lanz, der als Tiroler obgleich auch italienischer Staatsangehöriger, doch auch ein ethnisch „Deutscher“ ist. Lanz ist auch deutscher Staatsangehöriger.
Auf das Geschmäckle „Ethnie“ angesprochen verheddert sich Krah dann bei einem frühereh eigenen Tweed über eine Afrikanerin, den er dann später löschen musste, weil er falsch lag - es handelte sich nämlich um eine in Deutschland geborene Afrikanerin.
Tilo Jung fragt ihn, was denn dann Ethnie für ihn bedeutet. Krah zitiert ohne zu wollen Putin: es ist die Sprache. Wer zu Hause deutsch spricht, gehört zur deutschen Ethnie - Putin meint übrigens selbiges mit seiner russischen Sprache, nur geht er einen Tick weiter: alles was russische spricht und bei „drei“ nicht auf dem Baum ist, gehört zu Russland.
Und natürlich wäre der Ukrainekrieg 2022 verhindert worden, wenn 2014 Minsk II eingehalten worden wäre. Er spielt auf das Neutralitätsversprechen an und auf ein Versprechen der damaligen ukrainischen Vertretung, im Donbas russische Kultur zuzulassen. Zitiert wird dann Angela Merkel:
Laut Angela Merkel diente das Abkommen von Minsk dazu, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine aufzurüsten. „Das Minsker Abkommen 2014 war der Versuch, der Ukraine Zeit zu geben,“ sagte die frühere deutsche Bundekanzlerin der Wochenzeitung Die Zeit. „Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sieht.“ (WSWS.org)
Und so geht es weiter. Was ist ein Mann, was eine Frau? Welche Befähigungen haben sie? Gibt es ein gefühltes und ein bilogisches Geschlecht? Laut Krah gibt es hier einen Interpretationsspielraum nur im Rahmen der Naturgesetzte: die Chromosomen entscheiden wer Mann und wer Frau ist - basta! Wo kommen wir hin, wenn jeder nach Gefühl das Geschlecht wechselt. Erinnert mich an Hitlers Rassenlehre als Instrument zur Abgrenzung des rein arischen von dem jüdischem: die Biologie bestimmt die Zugehörigkeit, ob Geschlecht oder Rasse.
Auch die mythischen Elemente des Nationalsozialismus finden Anklänge in seiner Biografie und seiner Affinität zum Katholizismus, allerdings gerne ohne kirchliche Organisation. Die Gebäude der RKK gerne, aber bitte keine Priester, Bischöfe und Päpste - bis auf einen vielleicht: Erzbischof Marcel Lefebvre! Dem Begründer der Pius-Bruderschaft. Krah war Advokat der Pius-Bruderschaft und verschob deren Gelder höchst Effektiv in Steueroasen - alles im legalen Rahmen versteht sich.
Die Pius-Brüder missbilligen die Religionsfreiheit, die Ehescheidung, die Homosexualität, die Gleichberechtigung der Frau, die Abtreibung, die Trennung von Staat und Kirche und, generell, die Aufklärung. M.a.W. handelt es sich um einen Katholizismus vor dem 2. Vatikanischen Konzil.
Immer wieder schwärmt Krah davon, dass bei einem religiösen Ritual man als Mensch mit Körper und Geist über Zeit und Ort erhoben wird. Eine geistige Identitätsstiftung sozusagen durch autentische Rituale und Örtlichkeiten.
Das erinnert an das mythische Ich-Bewusstsein im Nationalsozialismus und seinen Heldengeschichten und - Tragödien.
Auch heutige Rechtsextreme folgen diesem Beispiel. „Wotans Volk“ und „Odins Erben“ – rechtsextreme Gruppierungen untermauern ihre Ideologie oft mit Sprache und Bildern der germanischen Mythologie. Dabei deuten sie die Geschichte einfach um oder ignorieren Fakten, die nicht in ihr gewaltverherrlichendes Weltbild passen.
Nun, Herr Krah distanziert sich zwar von solchen Extremisten - aber kann er sie in eigenen Reihen verhindern. Kann das Führungs-Doppelpack Seidel-Chrupalla eine Unterwanderung der AfD mit solchen Extremisten verhindern? Ich bezweifle das. Gegenwärtig können bereits chinesische Spionageagenten und russische Kollaborateure in der AfD nicht verhindert werden, geschweige denn, man würde sich von denen distanzieren.
Und natürlich: das EU-Parlament soll nicht abgeschafft werden wie im Grundsatzprogramm der AfD verlautbart - man braucht es ja noch selber für die eigene Kandidatur. Aber Krah bedankt sich für die Aufdeckung der Unklarheit im Parteiprogramm und nimmt das als Anregung für den nächsten Parteitag.
Nun, zum Auftakt der Europawahl wird er jetzt wohl nicht erscheinen dürfen, wegen den laufenden Ermittlungen.
Die Familienpolitik ist ebenfalls ein beliebter Angelpunkt, das gegenwärtige Hottentotten Gehabe in der Gesellschaft zu beenden. Freilich können Schwule und Lesben als Paare weiter existieren, aber zukünftig wird sowas nicht mehr gehen: Mama, Papa, Kind - bitte kein Patchwork mehr. Er selbst ist an diesem Ziel nach eigenen Worten aber gescheitert.
Da der Artikel zu lang wird und mir allmählich Lust und Zeit davonrennen, beende ich das hier erstmal. Die letzten zweieinhalb Stunden werde ich mir in den nächsten Tagen einverleiben.
Wer also nicht nur ein Verlegenheits-Kreuzchen auf den kommenen Wahlzetteln bei der AfD anbringen möchte, dem empfehle ich das Interview und vielleicht auch das Buch von Herrn Krah, um einen Eindruck zu bekommen, wie diese Alternative für Deutschland tickt.
Mein Ergebnis soweit: sie tickt nicht richtig!
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