Wehrhaftigkeit oder Selbstabschreckung?

Wie verhindert man Kriege in einer Welt, in der jene Kräfte wieder erstarken, die Gewalt wieder zur einzigen Handlungsmaxime erheben, wie gerade der Kreml? Durch glaubwürdige Abschreckung!


Wie verhält man sich, wenn obige Kräfte aber bereits auch ein Land überfallen haben, nämlich Russland die Ukraine? Man hilft diesem Land mit allem Verfügbaren, denn man darf berechtigte Befürchtungen haben, dass man das nächste Opfer sein könnte! Putin führt seinen Krieg nicht allein gegen die Ukraine, sondern auch gegen den Westen und dessen Werte - seine eigenen Worte!


Was bedeutet „alles Verfügbare“ bereitstellen? Alles was hilft, dieser Gewalt Widerstand zu leisten. Das bedeutet nicht nur „as long as it takes“ im Sinne von misstrauisch abwägend, ob man selbst in den Krieg verwickelt werden könnte, denn das kostet täglich Menschenleben, sondern „so effektiv und schnell wie möglich“. Dieses dann aber wegen übertriebener Bedenken nicht ausreichend getan zu haben, bedeutet Menschenleben auf dem Gewissen zu haben, denn Abwägungen über das bestehende Völkerrecht hinaus, was eine mögliche Kriegsbeteiligung betrifft, sind einfach nur feige und sowieso unkalkulierbar, denn der Aggressor entscheidet, ob er eskaliert. Entscheidend ist die Rechtfertigung gegenüber dem NATO-Bündnis.


Hier beginnt das Problem der derzeitigen Regierung unter SPD-Führung. Herr Scholz als Bundeskanzler, Herr Mützenich als Vorsitzender der SPD Bundestagsfraktion und Herr Stegner als SPD-Mitglied im Auswertigen Ausschuss werden nicht müde, die Gefahren eines „Zuviel“ an militärischer Unterstützung der Ukraine höher zu bewerten, als ein „Zuwenig“. Begründet wird dies stereotyp mit dem Kanzlerschwur: „Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden“….markige Worte, die uns Deutschen aber in der gegenwärtigen Kriegssituation, bei der klar wird, dass wir als Teil des Westens zwar mehr versprochen aber weniger an Hilfe der Ukraine haben zukommen lassen, gerade diesen Schaden hereaufbeschwören. Hier wird stereotyp argumentiert: wir Deutschen tun nach Amerika das meiste, ja, aber gemessen an unserer Wirtschaftsleistung eben doch nicht. Und natürlich hat man bei Ausrufung der Zeitenwende versäumt, gleichzeitig eine Art westliche Kriegswirtschaft als Antwort auf die russische auszurufen, mit dem Ergebnis, das die Ukraine nun wieder Gebiete aufgeben muss. Das fügt sich nahtlos in das Bild der kriegsmüden Unterstützer: Russland kann eh nicht „besiegt“ werden, also nur nicht zu viel und zu wirksames liefern! Wir beschützen ja bereits die Zivilbevölkerung ausreichend mit Flugabwehrsystemen! Ist das so? Inzwischen hat der russische Raketen- und Drohnenbeschuss derart zugenommen, dass diese Systeme statt 90% nur noch 70% vom Himmel holen können!


Die Taurus-Diskussion ist dabei ein Dejavue und erinnert an die Leopard-Diskussion: erst nachdem die Amerikaner ihre Abrams Panzer lieferten, lenkte Scholz ein und lieferte endlich den Leopard…leider ein halbes Jahr zu spät, und die russische Armee konnte zwischenzeitlich ausgiebig Verteidigungstellungen mit Barrikaden, Gräben und Minenfeldern auf den annektierten Gebieten errichten, die nun auch mit Leopard nicht mehr zu überwinden waren, dank fehlender Minenräumgerätschaften.


Gleiches nun mit der Spezialwaffe Taurus: sie wäre ein Werkzeug, um zumindest die Versorgung der russischen Armee auf der Krim über die Kertsch-Brücke empfindlich zu unterbrechen. Von der Krim finden überwiegend auch die Angriffe auf die Zivilbevölkerung der Ukraine statt. Aber der Kanzler erteilt wiedereinmal ein „Nein, Basta“! Inzwischen entstehen auf der russischen Landbrücke der zwei südlich liegenden, annektierten Oblaste der Russischen Föderation Autobahnen und Eisenbahnverbindungen….wenn die fertig erstellt sind, ist die Kertsch-Brücke für Russlands Nachschubwege weniger von Bedeutung. Vermutlich liefert der Kanzler dann endlich Taurus….da kann dann dem Deutschen Volk nichts mehr von Putin drohen.


Aber genau hier liegt das Problem des Kanzlers: er will nichts unternehmen, was Putin tatsächlich militärisch weh tun würde und versteckt sich lieber hinter seinem Schwur mit irrationalen Überlegungen: denn nicht er entscheidet über Putins „rote Linien“, sondern Putin selbst. Und anhand des beherzteren Macron, der kürzlich nur angedeutet hat, dass auch europäische Bodentruppen zur Disposition stehen könnten und der unmittelbaren Reaktion des Kreml darauf, lässt sich erkennen, wie umgekehrt echte Drohungen des Westens an Putin aussehen können. 


Wer Führung bei Scholz bestellt, bekommt sie offensichtlich also derzeit nur von Macron, ausgerechnet jenem Staatschef, der am Anfang des Ukrainekrieges noch Skrupel hatte und auf Putins Gesichtswahrung bedacht war. Er hat begriffen: das Gesicht Putins ist eine Fraze des Bösen geworden. Und er kann als Präsident einer Atommacht gewichtige Andeutungen machen.


Aber schon regt sich bei den Wehrlos-Pazifisten innerhalb der SPD der Widerstand: französische Kriegstreiberei. Nichteinmal die Politik erfolgreicher, subtiler Machtgebärden des Westens versteht unsere Bundesregierung. 


Hat man immer noch nicht verstanden, was gerade in Russland geschieht? Träumt man immer noch von einer Ostannäherung in der SPD bei einem Regime Putin? Putins damalige Bundestagsrede auf deutsch kann doch nicht so verlogen gewesen sein? Doch, kann sie!


Die Realität ist, dass in Russland seit zwei Jahrzehnten beharrlich und systematisch ein aggressiver Unrechtsstaat aufgebaut wird, der als Kleptokratie durch die Putin-Oligarchen und Kreml-Freunde das eigene Volk ausbeutet um sich selbst zu bereichern und der den Frieden in Europa empfindlich bedroht. Es wird gelogen, bis sich die Balken biegen. Jeder Widerspruch im eigenen Land endet mit Tod oder Inhaftierung. Die eigenen Soldaten werden mit mangelhafter Ausrüstung und Ausbildung an der Front verheizt. Die Zurückgebliebenen werden belogen und überzeugt: besser ehrenvoll für die russische Kleptokratie gestorben, als am Wodka. Erziehung, Bildung und Wirtschaft finden nur noch als Kriegswirtschaft, Wehrertüchtigung im eigenen Land, Deportation und Umerziehung in annektierten Gebieten statt (über 2 Millionen Ukrainer, davon mehrere hunderttausend Kinder), Geschichtsbücher werden ideologisch umgeschrieben, alles nicht Russische als Feind aufgefasst und als Russophobie gebranntmarkt. Armee und Straflager sind gewünschte und instruierte Gewaltbrutstätten und ergänzen sich gegenseitig. Will man das auf SPD Seite nicht sehen?


„Niemand will“ in Europa Bodentruppen in die Ukraine schicken, um ihr beizustehen! Und selbst die Ukraine sieht diese Notwendigkeit nicht. Aber „man muß“ an Putin klare Signale senden „bis hierhin und nicht weiter“. Demokratien „müssen“ wieder eine Diplomatie „der Stärke“ gegen „willkürliche Gewalt“ durch Autokraten entwickeln! Das ewige wiederholte Stereotyp - zuviel militärische Diskussion, zuwenig Diplomatie - ignoriert beharrlich Putins Kriegsziele. 


Gerade aktuell ruft Transnistien Putin zur Hilfe gegen Moldavien. Dass dieses international nicht anerkannte Staatsgebilde zwischen Moldavien und der Ukraine russische Truppen beherbergt nach dem gleichen Muster wie 2014 die Ostukraine, wird geflissentlich ignoriert: freilich leben dort überwiegend russisch sprachige Bevölkerungsteile, aber kann man deren Behauptung stehen lassen, sie würden von Moldavien bedroht?


Narrative eines Klaus von Dohnanyi bis hin zu einer Sahra Wagenknecht verdrehen die Wahrheit und haben sich russischer Propagande angepasst: aber es gibt eigentlich keine „NATO Osterweiterung“, sondern vielmehr eine „Westerweiterung“ ehemaliger UdSSR-Staaten, die nicht mehr vom imperialen Moskau gegängelt werden wollten!


Scholz ist unter dem Vorwand „verantwortungsvoll“ einfach nur irrational und von Furcht getrieben. Seine Haltung ganz einfach: die Ukraine darf nicht gewinnen, sonst wird Putin sauer und dem Deutschen Volk droht Arges! 


Dass er mit seiner Weigerung Taurus zu liefern der Ukraine gegenüber sein tiefes Mißtrauen ausdrückt, versteht er nicht, genau so wie er nicht versteht, dass Taurus derzeit noch „das geeignete Mittel“ zur Störung der russischen Naschublinien ist. Er versteht auch nicht die Technik von Taurus, wenn er meint, es wären dafür zur Programmierung deutsche Soldaten auf ukrainischem Staatsgebiet erforderlich - sie sind es weder in Südkorea und auch nicht in Spanien, wo ebenfalls Taurus Marschflugkörper hingeliefert wurden.


Wie Claudia Major so treffend beschreibt: „Die Frage ist doch, wo bei uns die Grenze zwischen Besonnenheit und Selbstabschreckung verläuft, wann wir also aus Furcht unser Handeln einschränken und durch Unterlassen schlimmere Folgen in Kauf nehmen.“


Aber es stimmt schon: wenn man wirkungsvolles Rüstungsmaterial zur Verteidigung der Ukraine liefert, besteht natürlich die Gefahr, dass Putin echte Misserfolge militärisch erleidet, und in der Folge nach Gründen sucht, um zu eskalieren. Aber die bisherige Erfahrung zeigt, dass weder ein Dritter Weltkrieg noch ein atomarer Schlag zu erwarten sind, denn selbst Putin ist noch realistisch genug. Dafür dürfte aber viel wahrscheinlicher die Verhandlungsbereitschaft bei Putin dann zwangsweise zunehmen. Denn auch er hat trotzdem Angst vor seinem einfachen Volk. Er unternimmt gerade erhebliche Anstrengungen der Propaganda zu seiner Wiederwahl und das russische Volk hat ja einst das Zarentum über Arbeiter- und Soldatenräte beseitigt. Wehe Putin, wenn seine einfachen Soldaten und Kriegswittwen  einmal aufwachen!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0