Warum hat Putin die Ukraine überfallen?

…von russischen Soldaten auf ukrainischem Gebiet zurückgelassenes Bild von Putin

Im letzten Interview mit dem US-Talkmaster Carlson hat Putin erneut seine abgedroschenen Propagandalügen über die Motivation seines Überfalls auf die Ukraine wiederholt.


Carlson, seinerzeit dem Trump nahen US-Sender FOX-News  als Starmoderator verpflichtet, dann aber später von diesem Sender hinausgeworfen, weil der Sender 800 Millionen USD wegen Berichten von angeblich gefälschten US-Wahlen 2020, bei denen Trump ja verlor, zahlen musste, war der erste westliche Journalist, mit dem Putin sprechen wollte. 


Im Nachgang zu dem Interview versteht nun jeder Putins Gesprächsbereitschaft, denn Carlson erwies sich als ideale Propagandamarionette, und der Kremel macht sich im nachhinein auch noch lustig über diesen Interviewer.  


Doch nun zu den ewig wiederholten Mythen des Kreml über die westliche Schuld am Überfall Putins auf die Ukraine:


Ohne auf die langen und historisch sehr fragmentierten, einführenden und teilweise pseudohistorischen Darlegungen Putins zur völkischen Entwicklung Russlands und der Ukraine eingehen zu wollen,  gibt es folgende Hauptpunkte in Putins Argumentation, die objektiver Geschichtsbetrachtung: einfach nicht standhalten:


Der Nato Ost-Erweiterungsmythos


Neben Hans-Dietrisch Genschers Privatäußerungen am Rande der Zwei-Plus-Vier Verhandlungen (die zwei Deutschen Staaten BRD/DDR und die vier Siegermächte) um die Wiedervereinigung Deutschlands, bei denen Genscher am Rande dieser Verhandlungen eine Ausdehnung der NATO nach Osten verneinte, und der Bewertung manch westlicher Politiker wie z.B. Klaus von Dhonanyi oder Egon Bahr, die ebenfalls von einer ungeschicketen Politik des Westens sprechen, wird ignoriert, dass derartiges nie ratifiziert wurde, im Gegenteil. Es ging schlicht darum, ob die neue Gesamtdeutsche Armee (BRD und DDR) der NATO beitreten könne - genau das wurde mit der russischen Seite unterschrieben.


1997 wurde im NATO-Russland Rat von den russichen Vertretern unterschrieben, dass Russland künftig bei Beitrittsverhandlungen weiterer Staaten zu der NATO auf ein Veto-Recht verzichtet. Dafür aber die NATO zusichert, dass bei diesen ggf. „neuen“ Kandidaten keine Atomwaffen der NATO aufgestellt werden.


Als im März 1999 Polen, Tschechien und Ungarn als ehemalige UdSSR Staaten der NATO beitraten, und Putin im Dezember des gleichen Jahres Präsident wurde, war dieser Beitritt für ihn noch keine Bedrohung im Sinne einer „Osterweiterung“. 


Selbst als 2004 das Baltikum beitrat, war Putin der Meinung, dass sei eine Sache der Beitrittskandidaten…..keine Einsprüche von Putin gegen diese Art „Osterweiterung“!


Zu dieser Zeit gabe es ja auch ein Abkommen zur Zusammenarbeit der NATO mit Russland (NATO-Russland-Rat).


2007 wollte allerdings George W. Bush in Polen und Tschechien einen Abwehrschirm gegen den Iran installieren. Putin roch das amerikanische Ansinnen, weniger iranische Atomraketen abzuwehren zu wollen, als vielmehr die amerikanische Zweitschlagfähigkeit gegen Russland zu erhöhen. Putin wechselte daher seinen Ton bei der Münchner Sicherheitskonfrenz 2007 deutlich und zu Recht. Hier kann man von einer Provokation Russlands durch Amerika durchaus sprechen.


Der aktuelle Beitritt nun von Finnland und Schweden zur NATO scheint Putin ebenfalls wieder nicht groß zu kümmern, denn er fixiert sich auf die Ukraine. 


Schon dies läßt erkennen, dass sein neuerlicher Überfall 2022 auf die Ukraine (erstmals 2014!) andere Gründe als die zunehmende „Umzingelung“ durch die NATO haben muß.


Putin geht es also bei seinem Überfall gar nicht um die Verhinderung eines  NATO-Beitritts der Ukraine, ihm geht es vielmehr in seinem ethnisch-völkisch verzerrten Weltbild darum, dass die Ukraine nicht als selbständiger Staat existieren darf. Die Ukraine war für ihn nie selbständig, immer nur Teil „Russlands“, die Ukraine war für ihn immer nur „Grenzland“, was er aus der Wortbedeutung „Ukraine“ ableitet.


Grund für das aus seiner Sicht separatistische Streben der Ukraine liegt in einer dort mutmaßlich nazistisch agierenden Führung und dem Einflußdrang des Westens, der NATO und der USA. Daher will Putin die Ukraine „denazifizieren“. 


Putins Hauptargument sind die Geschehnisse 2014 auf dem Maidan:


2014 fand ein zunächst friedlicher Protest von überwiegend Studenten auf dem Maidan in Kiew/Ukraine statt, weil der gewählte, Moskau nahe Präsident Wiktor Janukowitsch das von der EU angebotene Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nicht unterzeichnen wollte. Dieser friedliche Protest entwickelte sich zu einem blutigen Aufstand, bei dem massiv staatliche Gewalt gegen die Demonstranten verübt wurde. 


Selbst eine Vermittlung durch Frankreich und Deutschland zu einer Rückkehr zur Verfassung von 2004 wurde von den Demonstranten abgelehnt, sie forderten den sofortigen Rüktritt von Janukowitsch.


Schließlich flieht Janukowitsch über die Ost-Ukraine und die Krim nach Russland. Es kam also auf beiden Seiten der Maidanrevolte zu schlimmer Gewalt und es waren auch nationalistische Vertreter des „rechten Sektors“ der Ukraine beteiligt, die gegen die EU waren und westliche Werte z.B. der Toleranz auch gegenüber der LGTBQ Bewegung ablehnten. Diese waren aber nicht gegen Russland. Umso erstaunlicher, das Putin diese „Rechtsextremen“ oder Nazis nun als Verursacher der aktuellen Probleme betrachtet, denn sie spielten in der politischen Entwicklung nach dem Euromaidan keine große politische Rolle mehr in der Ukraine.


Man erkennt erneut, wie sich der russische Diktator seine Argumente zur Legitimation seines völkerrechtwidrigen Übergriffs in der Ukraine zurechtkonstruiert. Denn  gleichzeitig umstellen bewaffnete Männer („grüne Männchen“) auf der Krim das Regionalparlament und beschließen ein Unabhängigkeitsreferendum. Die Krim wird also von russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen annektiert. Das war bereits vor den Geschehnissen auf dem Maidan von Putin geplant!


Der Euromaidan war aber kein Putsch der Amerikaner wie von Putin behauptet, denn der damalige Präsident der USA - Barack Obama - war eher auf einem Kurs der Zurückhaltung gegenüber Putin. 


Es gibt aber auch eine Gegenmeinung z.B. vom Schweizer Historiker Daniele Ganser, der auf der AfD nahen Plattform „Cashkurs“ des Börsenmakler Dirk Müller als Gastbeitrag eine Finanzierung des Aufstandes durch Amerikaner behauptet. 


Herr Ganser ist zwar umstritten aber aus meiner Sicht dennoch Ernst zu nehmen.


Herr Ganser berichtet, dass der einflussreiche US-amerikanische Senator John McCain in die Ukraine reiste und am 15. Dezember 2013 Klitschko und das Protestlager auf dem Maidan besuchte. McCain ermutigte das Protestlager, die damalige Regierung Janukowitsch zu stürzen. 


Zitat aus dem Gastbeitrag von Daniele Ganser:


„In der US-Botschaft in Kiew war es US-Botschafter Geoffrey Pyatt, der die Demonstranten unterstützte und dadurch die Ukraine destabilisierte. Botschafter Pyatt war in direktem Kontakt mit Ex-Boxer Klitschko. Die gut organisierte Demonstration auf dem Maidan wurde immer größer und die Spannungen in Kiew nahmen zu.

Auch der heutige US-Präsident Joe Biden war direkt in den Putsch involviert, da auch er die Demonstration auf dem Maidan unterstütze. Im Dezember 2013 rief Biden, damals Vizepräsident unter Obama, in der Nacht Präsident Janukowitsch an und drohte ihm mit Strafen, wenn er den Maidan durch die Polizei räumen lasse. Janukowitsch hat daraufhin die geplante Räumung zurückgezogen……


Im US-Außenministerium war Victoria Nuland für den Putsch verantwortlich. Nuland war unter US-Außenminister John Kerry als stellvertretende Außenministerin eine hochrangige Mitarbeiterin von Präsident Obama. Unter Präsident Donald Trump verlor Nuland an Einfluss, wurde aber von Präsident Joe Biden wieder als Staatssekretärin ins Außenministerium berufen. In der Ukraine wollte Nuland Premierminister Nikolai Asarow und Präsident Viktor Janukowitsch stürzen, um das Land in die NATO zu ziehen, wie es am Gipfel von Bukarest beschlossen worden war….


Im Dezember 2013, zwei Monate vor dem Putsch, hatte Nuland in einem Vortrag erklärt: „Wir haben mehr als fünf Milliarden Dollar investiert, um der Ukraine zu helfen Wohlstand, Sicherheit und Demokratie zu garantieren..


Der zentrale Beweis für die Beteiligung der USA am Putsch in der Ukraine ist ein abgehörtes Telefongespräch zwischen Victoria Nuland und Botschafter Geoffrey Pyatt, das diese am 7. Februar 2014 führten, nur wenige Tage vor dem Putsch.

Nuland sagt im Telefongespräch, wer in der Ukraine nach dem Putsch die neue Regierung bilden sollte. „Ich denke nicht, dass Klitsch Teil der neuen Regierung sein sollte, ich glaube, das ist nicht nötig und keine gute Idee“, bestimmt Nuland. „Ich denke, Jazenjuk ist der richtige Mann, er hat die notwendige Erfahrung in Wirtschaft und Politik.“ 


Tatsächlich wurde Arsenij Jazenjuk nach dem Putsch Premierminister in der Ukraine. Der Ex-Boxer Vitali Klitschko musste sich mit dem Posten des Bürgermeisters von Kiew zufriedengeben. Dies beweist, dass Victoria Nuland für die USA den Putsch plante und erfolgreich durchführte. Ban Ki-moon von der UN „könnte helfen, das wasserfest zu machen, und weißt du was, fuck the EU“, sagte Nuland im abgehörten Gespräch wörtlich, was bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einiger Empörung führte….“


Soweit also Herr Ganser!


Diese historische Einschätzung von Herrn Ganser würde sich allerdings mit Putins Argumentation decken. Allerdings wird dabei immer von einem „Hereinziehen der Ukraine in die NATO“ 2014 gesprochen, während der Ausganspunkt der Protestbewegung eigentlich eine schlichte Westorientierung zur EU gewesen sein dürfte, womit sich wiederum die amerikanische Administration schwer getan haben dürfte.


Wenn aber ein Land sich für ein freiheitliches, selbsbestimmtes Leben nach westlichen Werten der Demokratie sehnt, und wenn alle ehemaligen Sowjetunion Staaten, die heute vor der ehemaligen Moskaudominanz in der UdSSR aus guten Gründen unter den Schutzschirm der NATO geflohen sind, kann man da noch von einer Verletzung der Sicherheitsinteressen eines Staates reden, der seit Putins Amtsgeschäften das Völkerrecht und die Menschenrechte derart missachtet, und dessen Führer strafrechtlich international verfolgt wird wegen Kinderdeportation? Der Haftbefehl gegen Wladimir Putin wurde am 17. März 2023 vom Internationalen Strafgerichtshof erlassen. Er beruht auf dem begründeten Verdacht, dass Putin für Deportationen ukrainischer Kinder nach Russland verantwortlich sei.


Fazit: die stereotypen Begründungen des russischen Überfalls auf die Ukraine, sei es von Putin selbst oder aber auch von westlichen Analysten, der Westen sei eigentlich Schuld, sollten endlich endgültig vom Tisch geräumt werden.


Wer nach 1945 und den Festlegungen der Nachkriegsgrenzen durch das Völkerrecht immer wieder revisionistisches Gedankengut aus dem Hut zaubert, und damit auch andere Staaten zur Geltendmachung ehemaliger Gebietsansprüche anstachelt, ist ein revisionistischer Zündler. 


Schützenhilfe bekommt die Ukraine nun vom ehemaligen mongolischen Präsidenten Tsachiagiin Elbegdordsch. Auf „X“ (vormals Twitter) schreibt der Politiker: „Nach Putins Ausführungen habe ich eine historische Karte der Mongolei gefunden.“ Auf gleich vier Bildern ist in dem Tweet eine Karte des mongolischen Reichs (13. Jahrhundert) in seiner größten Ausdehnung zu sehen – inklusive des größten Teils des heutigen Russlands. Der ironisch gemeinte Tweet ist eine Spitze gegen Putins Expansionspläne. Augenzwinkernd fügt Elbegdordsch hinzu: „Keine Sorge, wir sind eine friedliche und freie Nation.“

Kommentar schreiben

Kommentare: 0