Eine Frage die derzeit gesellschaftlich eher in Richtung „Ja“ beantwortet wird.
Ukrainekrieg, Krieg in Israel, Terrorangriffe von Islamisten auf den Welthandel im Suezkanal und selbst innerhalb islamischer Staaten wie dem Iran, Weltmächte organisieren sich neu, das Leben wird teurer, Wohnraum wird knapp, Umweltkatastrophen, Flüchtlingsprobleme, Deutschlands politische Landschaft ist im Umbruch: Rechtsorientierung bis hin zu Radikalismus und Verschwörungsphantasien greifen um sich, zumindest die gesellschaftlich etablierten Eliten stehen in Kritik und unter erheblichem Druck. All dies in einem Wahljahr 2024: drei Bundesländer, Europa, Amerika und Russland wählen ihren Präsidenten.
Was aber geht mich eine politische Weltlage an, wenn ich doch bereits genügend Probleme habe, mein persönliches Leben zu ordnen? Das alles sind verständliche Beweggründe für einen Rückzug ins Private.
Die Psychologie kennt dieses Phänomen als Schutzmechanismus: ein traumatisches Ereignis tritt ein, und wir reagieren mit Verdrängung.
Dahinter steht die Frage: wo überhaubt, oder worüber habe ich tatsächlich „Macht“?
„Macht“ meint dabei meine eigene Handlungshoheit, also mein Handeln soll die Umstände meines Lebens bestimmen.
Umgekehrt bedeutet „Ohnmacht“: das Leben bestimmt meine Umstände. Traumata entstehen am Ende immer dann, wenn wir die Kontrolle über etwas verlieren, das wir mangels realistischer Einschätzungen tatsächlich nie hätten kontrollieren können, von dem wir aber überzeugt waren, dass wir das könnten.
Wir werden Opfer einer tödlichen Krankheit, eines Unfalles oder eines Verbrechens, ein Volk wird kriegerisch überfallen, eine Beziehung oder Aufgabe überfordert mich, unangenehme Dinge treten in mein Leben….aber ich habe doch schließlich meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche, die gelebt werden wollen!
Es ist wichtig seine eigenen Bedürfnisse von jenen unterscheiden zu lernen, die andere mit ihren Erwartungen in uns einpflanzen möchten, weil sie das Beste für uns oder aber auch für sich selbst wollen.
Diese fremden Erwartungen bedrängen uns in Beziehungen jeder Art: Gesellschaft, Partnerschaft, Ehe , Familie, Beruf und Freizeit. Und wir möchten diesen Anforderungen auch „gerecht“ werden, denn es winken gleichzeitig auch soziale, emotionale und mentale Belohnungen.
Nach den essentiellen Grundbedürfnissen Nahrung, Obdach und Sicherheit kommen bald jene von Wissen, Erfolg, Anerkennung und Macht. Das sind unsere alltäglichen Angelegenheiten! Man beschäftige sich mal mit dem Märchen „Tischlein deckt dich, Esel streck dich und Knüppel aus dem Sack“ oder seinem Gegenentwurf in der Bibel bei den drei Versuchungen Jesu nach 40 Tagen in der Wüste, um diese Dimension des Menschseins wirklich zu verstehen.
Die Frage ist: wann kann, darf oder muss ich mich „betroffen fühlen“, wenn Dinge auf der Welt, in meinem Land oder in meinem Haus geschehen, die mich zunächst nicht zu betreffen scheinen? Ab wann werden sie im Rahmen unserer höchstpersönlichen Bedürfnisse und Interessen relevant? Was bedeutet eine solche Relevanz am Ende für mich persönlich? Was bedeutet sie für mein soziales Umfeld?
Ich kann todkrank auf einer Intensivstation darniederliegen und natürlich interessiert mich dann alles andere wenig. Ich kann denselben Zustand aber auch in einem Kriegsgebiet erleben, bei dem ich neben meiner Krankheit zusätzlich der täglichen Bedrohung durch Bomben und Raketen ausgesetzt bin. Oder die politischen Umstände zerstören mein Obdach, ich bin am Verhungern oder verliere meinen Wohlstand.
Ist es also ratsam, den „Kopf in den Sand zu stecken“, wenn ich doch zumindest Einfluss auf mein soziales Umfeld ausüben kann - ohne Erfolgsgarantie versteht sich.
Das bedarf allerdings einer Bewußtheit über mein eigenes Ich hinaus, einer generellen Aufmerksamkeit für ALLES, möge es mich zunächst tangieren oder nicht.
Wir leben alle in Einflußsphären, die sich im Laufe des Lebens erweitern: zunächst sind wir vollständig abhängig von jenen, die es gut (oder schlecht) mit uns meinen. Dann kommen wir schrittweise in größere Gemeinschaften: Kindergarten, Schule, Lehre, Studium. Wir verfolgen unsere Interessen in Vereinen und Religionsgemeinschaften. Wir nehmen an demokratischen Wahlen teil, die uns das Ergebnis unseres Abstimmverhaltens in Form einer Regierung präsentieren. Diese anderen gegebene Macht auf Zeit soll die „großen Dinge“ regeln, die wir persönlich nicht regeln wollen oder können: unsere Beziehungen zu anderen Ländern, Regeln für das Zusammenleben in den eigenen Grenzen, und Konsequenzen, die wir tragen müssen, wenn wir diese Regeln nicht einhalten.
Zu allem und jeden haben wir daher eine Meinung, überwiegend aber äußern wir Kritik am Anderen, besonders an „denen da oben“, die wir gewählt haben. In einer immer komplexer werdenden Welt nimmt der Hang zu einfachen Antworten zu und der Weg zu angemessenen Antworten wird durch eine zunehmende Überforderung durch eine ausufernde Informationsvielfalt erschwert: soziale Netzwerke wirken als Brandbeschleuniger für einfache Antworten.
Aber wir leben ja in einer Demokratie und können periodisch unsere Kritik an den Herrschenden auf dem Stimmzettel ausdrücken.
Uns umgeben aber zunehmend Länder, in denen dies nicht so ist, Autokratien nämlich, bei denen eine Machtkontrolle „derer da oben“ nicht mehr erfolgen kann. Meinungsbildung wird eingeschränkt wenn nicht gar verhindert, denn die erforderliche Informationskanäle werden systematisch vereinheitlicht: Propagande eben. Gesellschaftliche Rechte wie Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt oder verboten. Staatliche Willkür steht über Rechtsstaatlichkeit. Der Bürger hat keine Abwehrrechte mehr gegenüber dem Staat, teilweise werden gar die Menschenrechte verweigert.
Unlängst verändern sich auch die Bedingungen bei unseren befreundeten Nationen, allen voran den USA. Diese Musterdemokratie mit Sendungsbewußtsein verwandelt sich zunehmend in einen Autokratismus: die USA sind eine „unvollständige Demokratie“, denn der gewählte Präsident kann am Parlament vorbei per Dekret regieren - Donald Trump hat dies in seiner Amtszeit fernsehreif praktiziert. Die Bewegung der Republikaner zeigt Tendenzen, eher einem „starken Mann“ zu vertrauen als „demokratischen“ Institutionen.
Verwandelt sich die Welt wieder in einen Klub „starker Männer“, die unser aller Geschick lenken sollen? Wollen wir das wirklich?
Es ist der hilflose Versuch, wieder über etwas Kontrolle zu bekommen, was man als Chaos empfindet. Und es muss schnell gehen, schneller als eine Demokratie dazu in der Lage wäre, ohne ständige und zähe Diskussionen und Kompromisse eben, einfach per „Order Mufti“.
Das Leben unter einem Autokraten kann in privater Hinsicht durchaus angenehmer sein: er kümmert sich um die großen nationalen und internationalen Fragen, und der Privatmensch kann einfach unbehelligt sein Privatleben führen. Dies ist z.B. der Deal, den ein Putin mit seinem russischen Volk hat. Wehe aber, man wird bei Allmachtsphantasien des Autokraten wirtschaftlich und persönlich in die Pflicht genommen: Kriegswirtschaft, Rekrutierung an die Kriegsfront.
Aber kehren wir zurück zu „Macht“ und „Ohnmacht“. Es gibt den Satz: „Wissen ist Macht“ und ich würde verfeinern „human-soziales Gewissen ist Volksmacht“.
Nach „bestem Wissen und Gewissen“ lautet ein weiterer Satz, der unser Leben bestimmen sollte. Er drückt aus, dass wir fehlerhafte Wesen sind, letztlich keine Kontrolle über das Leben haben können, aber uns dem Leben mit unserer vollen Kraft zu stellen versuchen. Dazu gehört: „Kopf aus dem Sand“, Unterscheidungsvermögen zwischen Wahrheit und Fake, Widerstand gegen populistische Aussagen, keine Protestwahlen sondern eine Forderung nach echten Inhalten und deren klare Begründung.
Das ist nicht einfacher geworden in Zeiten von Künstlicher Intelligenz (KI, AI), in denen man selbst Bild- Film- und Audiodokumenten nicht mehr einfach trauen kann ohne eigene Anstrengungen der Recherche nach den zugrundeliegenden Quellen.
Am Schluss noch zwei nachdenkenswerte Sätze:
„was kümmert es mich, wenn in China ein Fahrrad umfällt“ und
„der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Orkan auslösen“.
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