Putin, die AfD, die neue Wagenknecht Partei und die Geschichtslüge der für Russland scheinbar bedrohlichen NATO-Osterweiterung

AfD-Chef Tino Chrupalla, Kremlchef Wladimir Putin und Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht. Geheime Dokumente zeigen, wie Moskau die deutsche Politik beeinflussen will. Foto: Copyright: KStA-Grafik/dpa/AP

Nun ist es offiziell: die neu Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)“ ist ins Leben gerufen. 43 Gründungsmitglieder und 1,4 Millionen EUR aus Spendengeldern liefern das Gründungskapital. Der erste Parteitag ist für den 27. Januar geplant.


Ein Parteprogramm gibt es also noch nicht, aber ein paar Skizzen auf vier Blättern DIN A4 schon:


  • Wirtschaftliche Vernunft: „Für eine starke und innovative Wirtschaft“
  • Soziale Gerechtigkeit: „Für starken gesellschaftlichen Zusammenhalt“
  • Frieden: „Für ein neues Selbstverständnis in der Außenpolitik“
  • Freiheit: „Für die Stärkung unserer Demokratie“


Wirtschaft: gerechteres Steuersystem, stärkerer Mittelstand und Annäherung an Russland. Außenpolitisch solle Deutschland auf Handelsbeziehungen „mit möglichst vielen Partnern“ setzen statt auf „ausufernde Sanktionen“, die die Energieversorgung gefährdeten.


Umweltpolitik: Kontraproduktiv seien jedoch „blinder Aktivismus und undurchdachte Maßnahmen“. Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels seien „innovative Schlüsseltechnologien“, am besten made in Germany.

Gleichzeitig fordert das BSW „massive Investitionen“ in das Bildungssystem, in die öffentliche Infrastruktur sowie in die Verwaltungen. Woher das Geld für diese Investitionen kommen soll, ist unklar.


Soziales: stärkere Renten, bessere Löhne, mehr Tarifverträge.


Frieden: Keine Waffenlieferungen, keine deutschen Soldaten in Kriegsgebiete.


Die Außenpolitik des BSW soll sich an dem früheren SPD-Kanzler Willy Brandt und dem letzten Präsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow orientieren: „eine Politik der Entspannung, des Interessenausgleichs und der internationalen Zusammenarbeit.“ Heißt: Diplomatie statt Waffenlieferungen, wie Wagenknecht schon beim „Aufstand für Frieden“ mit Alice Schwarzer betont hatte. „Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab“, heißt es im Programm. Das bedeutet auch atomare Abrüstung und eine geringere Präsenz der Bundeswehr. Diese müsse zwar für den Verteidigungsfall angemessen ausgerüstet sein, solle sich aber von internationalen Kriegen fernhalten – auch „an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer“.


Die BSW setzt auf Protestwähler genau wie die AfD! Damit entsteht eine gefährliche Gemengenlage für die deutsche Demokratie. Protest gegen die aktuelle Regierung verschleiert aber, dass diese sich trotz handwerklicher Fehler in einzelnen Fällen, die aber immer auch korrigiert wurden, die extremen Krisen gut gemeistert hat und die sich vorallem bemüht, im Rahmen der Verfassung zu bleiben.


Bei der AfD darf man letzters getrost in Frage stellen: die unabhängige und gemeinnützige Redaktion CORRECTIV hat unlängst ein Geheimtreffen von AfD Mitgliedern und Rechtsextremen beobachtet, wie dort Umsiedlungspläne für Ausländer geschmiedet wurden, auch für jene mit deutschem Pass. Vertreibungsphantasien Betroffener in afrikanische Gebiete und dergleichen wurden dort diskutiert.


Die neue BSW wird derartiges wohl nicht unterstützen, gleichwohl hat sie bezüglich Europa, Weltsicherheit, Waffenlieferungen, Russlandnähe und Migration klare Gemeinsamkeiten mit der AfD.


Wie betonte kürzlich Sigmar Gabriel, der ehemalige Vizekanzler und Außenminister, so trefflich bei Maischberger: das Rumhacken auf der Ampel enbindet den mündigen Bürger nicht von der eigenen Verantwortung, was er bei den nächsten Wahlen auf dem Stimmzettel ankreuzt. Er ist es nämlich, der eine Regierung dann ins Amt setzt und die Konsequenzen tragen muss. Ob ausstehende Wahlen aber durch unreflektierte, stammtischartige Proteststimmen die Demokratie aufrecht erhalten können, ist mehr als fraglich. Ein Blick nach Amerika macht deutlich, wie eine Demokratie durch das eigene Volk abgeschafft werden könnte und die Europäische Sicherheitspolitik gleich mit: wenn Donald Trump mit seinen Lügengebäuden und Verschwörungstheorien und den zunehmenden Unterstützern seiner unbelehrbaren, republikanischen Nationalisten, tatsächlich die Präsidentschaftswahlen 2024 gewinnen sollte, ist klar, was er mit dem dann ebenfalls neu „gewählten“ Putin für einen Deal aushandeln wird - Gnade uns Gott!


Wie meinte Sigmar Gabriel so treffend bei Maischberger: Putin ist einer, der mit Gedanken und Vorstellungen des 19. Jahrhunderts und Mitteln des 20. Jahrhunderts wieder eine Weltmacht Russland im 21. Jahrhundert installieren möchte. Er, Gabriel, habe Angst um seine Tröchter und Enkel in den nächsten 20 Jahren, wenn wir den Widerstand gegen einen Despoten mitten in Europa, der sein eigenes Land unterdrückt und andere Länder mit Waffengewalt und Grausamkeit überfällt, aufgeben oder einschränken, z.B., wenn wir keine, zu wenig oder nicht die erforderliche Waffen an die Ukraine liefern.


Neues Licht auf Putins Grausamkeit und Geschichtsphantasien liefert ein neues Buch von der amerikanischen Historikerin  Mary Elise Sarotte. In einem Artikel der Frankfurter Rundschau im Oktober 2023 räumt sie auf mit den Lügen über die russische Bedrohungslage durch die NATO, die immer wieder von Putin selbst und seinen Fürsprechern in AfD und nun auch BSW artikuliert werden.


Sie stellt historisch klar, das Putins Lüge, dass der Westen den Osten bei den Verhandlungen um die Deutsche Wiedervereinigung betrogen habe, genau das ist: nämlich eine Lüge. Zwar hat der damalige deutsche Außenminister Genscher bei den Verhandlungen in der Tat für eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa geworben, bei der selbst Deutschland Ostdeutschland kein NATO-Mitglied werden sollte und auch Polen, Ungarn und die Ukraine nicht, die dies dringend wollten. Der damalige Kanzler Kohl aber pfiff Genscher zurück und folgte dem Ansinnen des damaligen US-Präsidenten W. Bush, Gorbatschow statt dessen mit Geld zur Wiedervereinigung Deutschlands zu überreden. Dies war erfolgreich. Moskau hat den Vertrag unterschrieben, ratifiziert und das Geld kassiert. Auf Englisch: They cashed the check. Putin interessiert sich nicht die Bohne für diese Genauigkeiten.


Frau Sarotte macht auch deutlich, welche Persönlichkeitsstruktur in Putin schon immer vorherrschte: er hatte und hat die Gewohntheit, an geschichtsträchtigen Daten mit grausamen und menschenverachtenden Taten aufzuwarten, Zitat aus dem Artikel:


„ Ich merkte, dass Putin zu gewissen Daten, etwa wie zu seinem Geburtstag, zu Jahrestagen aus der sowjetischen Zeit, dann gerne Gewalt anwendete. Das ist so seine Art zu feiern, so schlimm es sich auch anhört. Ob er selber Befehle gibt oder zu verstehen gibt, dass er solche Ehrungen wünscht, weiß ich nicht. Aber er mag es, dass zu seinem Geburtstag Menschen sterben – zum Beispiel Anna Politkowskaja, eine mutige Journalistin, die bereit war, als eine von wenigen im Krieg nach Tschetschenien zu fahren und von den Gräueltaten zu berichten, die, wie wir jetzt wissen, die Vorbilder für Mariupol waren. Sie wurde am 7. Oktober 2006 – sprich an Putins Geburtstag – vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Oder noch ein Beispiel: Am 7. Oktober 2016 wurden die E-Mails, die die russischen militärischen Geheimdienste von Hillary Clinton im Präsidentschaftswahlkampf gehackt hatten, veröffentlicht. Ich könnte die Liste fortsetzen.“


Zum Zeitpunkt Putins Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022:


„Als ich auf den Kalender schaute, sah ich, Ende des Jahre 2021 und Anfang 2022, das sind der 30. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine von Russland und der 30. Jahrestag des Zerfalls der Sowjetunion und dessen Folgen. Ich wusste nicht genau, was, war mir aber hundertprozentig sicher, dass etwas passieren würde, was auch immer Putin plante. Deswegen entschloss ich mich, mein Buch zu diesem Datum herauszugeben.“


Dieses Buch wurde vom Westen bis zum Überfall Putins auf die Ukraine einfach ignoriert. 


Frau Sarotte zum Thema Ukraine im Artikel:


„Das Thema kam nicht erst 2008 auf. Es liegt nicht nur an Merkel und Sarkozy. Schon Anfang der 1990er Jahre ging es um die Ukraine, wie die Quellen zeigten. Und die Zukunft der Nato in Mittel- und Osteuropa wurde schon zwischen dem US-Außenminister James Baker und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow sowie zwischen dem deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und seinem sowjetischen Pendant Eduard Schewardnadse 1990 diskutiert. Damals gab es ein Gedankenspiel, die Nato nicht auf das vereinigte Deutschland und auf Osteuropa auszudehnen.


Baker erhielt sehr schnell von dem damaligen US-Präsidenten George H. W. Bush eine Weisung, nicht weiter mit Gorbatschow über dieses Thema zu sprechen. Baker teilte das dem Auswärtigen Amt und auch Genscher mit. Man möge aufhören, über dieses Thema zu verhandeln. Genscher ignorierte das, bis Kohl ihn in einem Brief „in aller Form“ aufforderte, damit aufzuhören.“


Frau Sarotte weiter zu den Hintergründen bereits 1990:


„Ich schrieb damals Bücher über den Mauerfall und über die deutsche Einheit. Ich habe damals Tausende von Anträgen auf Quelleneinsicht gestellt. Als ich die Quellen erhielt, war ich verwundert, wie viele davon so früh von der Ukraine handelten, schon Anfang der 1990er Jahre. Bill Clinton wurde 1993 Präsident. Die Staaten in Osteuropa, zum Beispiel Polen und Ungarn, drängten in die Nato. Clinton sagte denen damals, er habe Hochachtung vor ihrem Ansinnen, man habe aber ein Problem mit der Ukraine. Es sei unmöglich, sie jetzt schon in die Nato aufzunehmen. Das war ein riesiges Land. Es hatte damals mehr als 50 Millionen Einwohner. Anfang der 1990er war es auch die drittstärkste Atommacht der Welt aufgrund der sowjetischen Raketen auf seinem Territorium. Rund 1250 Raketen in der Ukraine waren auf die USA gerichtet. Als die Ukraine 1991 unabhängig wurde, flog James Baker im Dezember 1991 Hals über Kopf nach Kiew, um zu erfahren, wer die Schlüssel zu den Atomwaffen habe, die sein Land vernichten könnten. Er wollte wissen, wer im Besitz dieser Waffen war, wer sie kontrollierte. Offiziell hieß es, die Kontrolle liege noch in Moskau. Aber das könne ja geändert werden. Aus diesen Gründen war die Ukraine Anfang der 1990er Jahre ungeheuer wichtig für Washington.“


Zieht man diese Fakten in Betracht, so muss man feststellen, dass das Herauszögern des NATO-Beitritts der Ukraine eher das Problem war: nicht Russland, sonder der Ukraine wurden Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten wurden. Putin aber hat gleichwohl das gesamte Atomarsenal der Ukraine, mit allen auf die USA gerichteten Sprengköpfen von dort zurückerhalten. Darüber wird von ihm kein Wort verloren….aber er fühlt sich bedroht…..gehts noch?


Also liebe frustierte, deutsche Bürger des Wahlahres 2024: überlegt Euch gut, wo Ihr Euer Kreuz auf den Stimmzetteln plazieren wollt und macht Euch klar, dass Ihr dann später auch die Konsequenzen tragen werden müßt!


Wir hatten eine derartige Situation bereits vor 100 Jahren und sie endete nicht nur mit einem deutschen Fiasko, sondern mit einem der größten Verbrechen, die ein Volk - das deutsche nämlich -  anderen überhaupt antun konnte.

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