Inzwischen mehren sich wieder die Stimmen, wie im Falle von Israels möglichen militärischen Reaktionen auf den menschenverachtenden Überfall der Hamas vorausgesagt, die einen Frieden und ein Schweigen der Waffen einfordern.
Darunter befinden sich gewichtige Stimmen - allerdings nur des Westens!- wie z.B. die einer Frau Gabriele Krone-Schmalz, Russlandexpertin und Trägerin des Löwenherz-Friedenspreises 2023 verliehen in Leipzig. Diesen Preis erhielten vor ihr u.A. der ehemalige Präsident der UdSSR Gorbatschow und der Dalai Lama.
Frau Krone-Schmalz gehört zu jenen, die ihren Schwerpunkt bei den derzeitigen Konflikten mit Putin und der Hamas auf eine rational vernünftige Sicht in die Zukunft fokusieren. Ihre Gedanken hierzu sind durchaus bedenkenswert, ihre Einschätzungen der Gründe für das Ausbrechen dieser Konflikte aber zumindest hinterfragbar.
Ebenso wie Sahra Wagenknecht, welche sie bei der letzten Friedensdemo in Berlin untersstützte, macht sie Punkte mit der vernünftigen Sicht: wie soll es bei diesen Konflikten am Ende weitergehen?
Während bei Frau Wagenknecht in dem Filmprojekt des Journalisten Markus Feldenkirchen und der anschließenden Besprechung dieser Dokumentation mit den beiden in der ARD Sendung „Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Sahra Wagenknecht“ manch konkrete Begründungen für sofortige Verhandlungen bei einem gleichzeitigen Ende von Waffenhilfslieferungen des Westens an die Ukraine schuldig bleibt, wird immerhin Frau Krone-Schmalz etwas konkreter. Aber beiden Frauen ist gemeinsam, dass sie an einer Verhandlungsbereitschaft Putins keinerlei Zweifel hegen.
Ohne ein Russland ist auf lange Sicht in Europa kein Frieden möglich, soviel ist klar. Auch klar ist, dass eine europäische Orientierung, die sich nur an die USA bindet, dieses nicht wirklich erreichen kann. Amerika hat kein wirkliches Interesse an einer eurasischen Entwicklung und die innerdemokratischen Entwicklungen dort werden schon bald wieder einen Donald Trump ins Lampenlicht rücken - die Zeit für Europa wird also knapp, um über ein neues, europäisches Sicherheitssystem nachzudenken.
Gegenüber Putin argumentieren beide Damen, dass sie den Überfall auf die Ukraine zwar verurteilen, aber die Gründe dafür eher im Verhalten des Westens selbst sehen, der Putins Sicherheitsinteresse missachtet habe.
Frau Krone-Schmalz war zumindest bis 1991 in Russland Korrepondentin, hat also die Ära Gorbatschow noch mitbekommen, ob sie Putin damals bereits richtig interpretiert hat, kann man anzweifeln.
Frau Wagenknecht, die im Gespräch mit Markus Feldenkirchen auf die Frage, warum sie denn nicht gleichermaßen auch Putins Oligarchen Gehabe thematisieren würde, wie sie es dem Ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorwirft, wird von ihr schlicht beantwortet: bezüglich Putin gebe es genügend andere, die das thematisieren. Für mich eine merkwürdige Argumentation, aber sicher eine, die polarisieren soll: Selenskyj sei aus ihrer Sicht eben ein Oligarchen-Schauspieler, der mit grünem Militär T-Shirt, unrasiert und mit Augenringen für eine einheitliche Ukraine eindrucksvoll in Europa wirbt und gleichzeitig sein Volk zum Krieg anspornt.
Frau Krone-Schmalz erwähnt historisch den Zustand zum Zeitpunkt des Maidan-Aufstandes 2014, bei dem durchaus das ukrainische Volk noch gespalten war in pro russisch und pro westlich. Eine Doppelorientierung hätte daher einer neutralen Ukraine wohl gut zu Gesicht gestanden, wurde aber wohl auch nach ihrer Sicht durch westliche Einflüsse mehr nach Westen gezogen. Da sind sich beide Damen wohl einig.
Die letzlich sich vollzogene Westorientierung der Ukraine erklärt sich für mich allerdings nicht aus amerikanischen Geheimdienstaktivitäten 2014 in der Ukraine als Unterstützung der pro westlichen Kräfte innerhalb des Europa Assoziierungsabkommens, sie erklärt sich für mich daraus, dass der Westen einfach politisch und wirtschaftlich attraktiver ist, denn die Menschen sind ja nicht blöd, was die Einschätzung ihrer Möglichkeiten betrifft. Die gegenwärtigen Flüchtlingswellen sprechen eine eindeutige Sprache: wem es schlecht geht, der möchte nach West-Europa.
Und dann gibt es noch das Argument des „Gesichtsverlustes“ u.A. auch eines französischen Präsidenten Macron, das besagt, man dürfe Putin nicht in die Enge treiben, da sonst eine Eskalation eintreten würde….es wird erneut das Szenario einer Atommacht Russland ans Tageslicht gezerrt, die irrational die Welt und sich opfern würde, wenn man als Verlierer eines Konfliktes dastehen müsste. Hier wird also einmal Putin als durchaus rational verhandlungsbereit, dann doch aber wieder auch als irrational gefährlich dargestellt. „Man kann eben doch nicht in seinen Kopf schauen“……stimmt, aber man kann seine Veröffentlichungen lesen und seine Handlungen unter dem Aspekt der Menschlichkeit beurteilen und seinen Umgang mit dem eigenen Volk dahin extrapolieren, wie er mit „Freunden“ oder „Geschäftspartneren“ umgehen wird.
Nun bemerken beide Damen unisono: das Sterben hört nicht auf und das Geld des Westens wird zunehmend für ein Wettrüsten verschwendet, das den westlichen Wohlstand bedroht, während die östliche Lebensweise eines russischen Volkes längst daran gewöhnt ist, in Armut und Verzicht auf Leben und Wohl, alleine für die Idee eines wieder erstarkenden Russlands zu existieren, und sich an den Kriegsfronten der Welt für Putin patriotisch zu opfern. Interessante, Propaganda-Gespräche Putins mit sogenannten „Kriegswittwen“, sollten das bezeugen, und Putin plant bereits, das Abtreibungsrecht abzuschaffen, denn man braucht ja „Material“ für die zukünftigen Fronten. Eben diesen Kriegswittwen - Ehefrauen und Müttern, die sich allerdings als krimtreue Schauspielerinnen entpuppten, suggerierte er vor laufenden Kammeras, dass es besser sei, ihre Männer und Söhne sterben an der Front als durch Wodka - tatsächlich findet beides statt: betrunkene Soldaten an der Front werden verheizt.
Sowohl Frau Krone-Schmalz als auch Frau Wagenknecht bemerken auch beiläufig, dass sich ja um Selenskyj herum auch bereits im Militär Absetzungsbewegungen vollziehen, will sagen, das ukrainische Volk ist bereits auch kriegsmüde.
Also: sollen wir jetzt im noch freien Westen den „Bättel“ einfach hinschmeißen um den Dingen ihren freien Lauf zu überlassen? Keine Waffenlieferung des Westens mehr an die Ukraine, dafür aber Waffenstillstand (für wie lange?), Abgabe von eroberten Gebieten an Russland als Verhandlungsmasse?
Wäre das nicht ein etwas zynisches Ansinnen gegenüber dem ukrainischen Volk, das bereits erhebliche Opfer an Mensch und Material in diesem nicht selbst verursachten Krieg zu beklagen hat?
Meine Einschätzung: Die Damen haben zwar darin Recht, dass Europa kurzfristig einen eigenen Weg in der Sicherheitspolitik finden muss, ohne die USA. Aber das bedeutet auch Geld für Rüstungsausgaben investieren, in moderne Armeen. Der Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ ist offensichtlich gegenwärtig einer anderen, noch ausstehenen Epoche der Menschheit zuzuordnen. Und wie Herr Lafontaine dafür zu plädieren, die deutsche Witschaft wieder offiziell durch billige fossile Energieträger aus Russland zu retten, ist ein weiterer Zynismus gegenüber der Bedrohung eines durch Menschen verursachten Klimawandels.
Also: echte Konzepte im Sinne von erstens, zweitens, drittens, sind auch von diesen beiden Damen bei der Lösung der gegenwärtigen Konflikte nicht zu erwarten. Aber das ist auch nicht nötig, um Friedensdurstige um sich zu scharen, die an eine bessere Welt glauben möchten. Ich glaube auch an eine bessere Welt, doch zuvor muss jeder einzelne Mensch besser werden und ich füge als sprituell ausgerichteter Mensch hinzu: Selbstreflektion im Umgang mit anderen tut not, und dabei sind Herz und Verstand gleichermaßen gefragt.
Da spricht mir der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck aus dem Herzen: ohne eine in jeder Hinsicht „streitfähige“ freie Gesellschaft, die selbst humane Werte vertritt, und das schließt zur Not auch adäquate, militärische Mittel mit ein, wird auch unsere Freiheit angesichts zunehmender autokratischer Arroganz und Ignoranz nicht überleben können.
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