Trompetenmundstück: Downsizing - „so klein wie möglich“

Liebe Leidensgenossen der Trompetengilde!


Heute möchte ich noch mal deutlich auf das Herzstück unserer Passion eingehen: das Mundstück der Trompete.


Der traditionelle Ansatz der Trompetenpädagogik bezüglich Mundstückgröße lautet: „so groß wie möglich“. Ein Hauptgrund für soviel gescheiterte Trompetenanwärter, wie ich meine. Ich kenne das aus eigener Erfahrung und natürlich sind die einschlägigen Fachforen voll von Problemen wie: mangelnde Ausdauer, mangelde Höhe, starke Formschwankungen etc..


Ich selbst habe nie auf „sinfonischen“ Mundstücken angefangen (17 mm Innendurchmesser plus), sondern auf dem Standard Bach 7C (ca. 16,2 mm Innendurchmesser), das jeder neuen Trompete beigelegt wird. Aber man hört, dass in der Bläserausbildung generell schon bald ein „Upsizing“ angestrebt wird, um einen reichhaltigeren Klang zu entwickeln: der Trend zum immer größeren Mundstück setzte sich durch.


Eine Klangvorstellung ist sehr individuell und unterscheidet sich wie gesagt von Stil zu Stil: ein klassische sinfonischer Klang oder ein Jazz Baladenklang wird zu eher dunkleren Klangfarben tendieren, während ein kommerzieller Rock, Pop, Funk oder Big Band Sound nach einem eher strahlenden Klang strebt. Es ist auch klar, dass in einem Blasorchester der Bläsersatz eine gewisse Abstimmung untereinander benötigt.


Aber davon mal abgesehen: kleiner Innendurchmesser bedeutet nicht automatisch dünnerer oder hellerer Klang. Hierfür wäre eher die Kesseltiefe als der Kesseldurchmesser verantwortlich. Das Problem ist: kleine Innendurchmesser gibt es „von der Stange“ nur als Leadmundstücke, und die sind eben auch gleichzeitig sehr flach.


Ein zu großes Mundstück benötigt sehr viel Arbeit, oft Stunden täglichen Übens, und gleichzeitig ist die Anfälligkeit für Probleme nach längeren Urlauben besonders tragisch. Es gibt ketzerische Äußerungen von der Gegenseite, den „Downsizern“, dass die „Upsizer“ immer erst ihre Lippen täglich passend „warmspielen“ müssen, damit die Lippen zur passsenden Mundstückgröße anschwellen. Auffallend ist jedenfalls auch, dass große Mundstücke bei Anfängern dazu führen, die Lippen mehr in den Kessel eindringen zu lassen. Danach ist das Spiel mit flacheren Kesseln immer problematisch: bottoming out - die Lippen berühren den Innenkessel derart, dass ein Schwingen für die Tonerzeugung unmöglich wird.


Die Fachleute sprechen von „ein- oder ausgerollten“ Lippen - aber es gibt noch eine weitere Dimension: unfurling. Darüber habe ich hier schon geschrieben: „Unfurling“ ist ein sehr spezielles „ausrollen“.


Zu große Mundstücke führen i.d.R. früher oder später zur Aufgabe des Instrumentes, wenn man nicht charakterlich ein „Beißer“ ist mit sehr viel Selbstdisziplin. Besser noch wäre aber, nicht nur die Übedisziplin aufzubringen, sondern auch intellektuell mal zu hinterfragen, was man sich da eigentlich täglich antut.


Ein zweites, verbreitetes Vorurteil im Mainstream: eine solide Basis im unteren Register führt zu einem guten, hohen Register……da wird gerne das Beispiel Hausbau herangezogen: erst muss der Keller errichtet werden und dann die weiteren Geschosse. Kann man glauben, muss man aber nicht! Von Lynn Nicholson und Maynard Ferguson kann man lernen: „top down“, meint erst oben spielen lernen, dann nach unten arbeiten. Daraus resultiert auch, dass der Erfolg nicht Ton für Ton erkämpft werden muss, sondern in clustern erfolgt.


Ich hatte schon öfters ein „downsizing“ bis auf 15 mm durchgeführt, war aber wegen Schwankungen durch zu schnelle Wechsel der Mundstücke immer irritiert und ließ mich wieder vom Mainstream zu größeren Pötten verleiten: zuletzt war ich kurz durch Manuel Hilleke auch bei Schilke 22 (18mm)….. wie dumm ich doch war!

Manuel, der mir das empfohlen hatte, wollte sicherstellen, dass ich nicht ins Lippenrot „einsetze“. Aber ich wusste bereits, dass ich auch bei 14mm nie eingesetzt habe. Übrigens ist Einsetzen ins Lippenrot bei Hornbläsern durchaus üblich.


Maynard Ferguson z.B. hat auf Hörnern und Hornmundstücken begonnen und sein Ansatz ist zwar kein klassisches „Einsetzen“, aber eben das oben erwähnte „unfurling“.


Der weiter innen liegende Teil der Lippen ist das perfekte Schwingungsmaterial. Die Schwingung erfolgt vermutlich auch anders als der Mainstream argumentiert: die Schwingung erfolgt m.E. weniger Lippe gegen Lippe, vielmehr schwingt das Lippengewebe für sich selbst, in sich selbst im Lippenkanal. Manche nennen diese Schwingungsform sympathetisch. In jedem Falle ist zunächst mehr Sensibilität in den Lippen beim Üben erforderlich. Lynn Nicholson empfiehlt abermals entgegen dem Mainstream, mit einem Übedämpfer zu üben, auch um einem Überblasen entgegenzuwirken: richtig ist es, wenn die Trompete mit dem Dämpfer den resonanten „zizzle“ auch erzeugt ohne mehr Luft!


Die Form des Mundstückkessels hatte ich auch schon früher besprochen: optimal für sympathetisches Spiel ist ein flacher V-cup, also einer, bei dem der Eingangswinkel („Alpha“) Innenrand zum Kessel  nicht wie üblich bei unter 20° sondern bei über 40° liegt. Tiefe V-Cups wie beim Flügelhorn sind kontraproduktiv, da hier der Winkel wieder bei 20° liegt, wenn der konische Verlauf geradlinig ist. Maynard Ferguson ist später auf konvexe Kessel umgestiegen (Jet-Tone): der Trick lag darin, dass der Eintrittswinkel wie gewohnt über 40° lag, das V-cup dann aber durch den konvexen Verlauf tiefer werden konnte als ohne - mehr Volumen.


Nur leider sind 99% der Trompeter überhaupt nicht in der Lage, auf anhieb mit so einem Mundstück zu spielen. Und auch die erste Zeit ist etwas hart! Aber am Ende lohnt es sich: weniger maintenance, relaxtere, unfurled Lippenmitte, mehr Ausdauer, mehr Höhe, konsistenterer Klang über die Register. Runde Innenränder sind daher auch verpönt, schärfer Innenkanten erzeugen schneller einen Ton, aber nicht sehr lange!


Ich gebe nachfolgend zwei Bilder, um extrem kleine Mundstücke zu zeigen, die natürlich Sonderanfertigungen waren.

links: mein kleinstes Curry .530“ (C-Cup!)
rechts: Simeon Christoffs konvexes V-Cup zwischen .520-.540“…er war der „bulgarische Ferguson“ bis er 1963 die UdSSR Richtung Brüssel und dann Australien verließ.
oben: wieder Simeon Christoff
unten: mein v-cup .560“ (verkleinertes Ferguson Mundstück der 50er) …übrigens entspricht mein .560 zufällig dem Bud Brisbois Maß von 36/64 inch, welches von Bob Reeves angeboten wird, allerdings ist meines konischer nach MF.

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