Angst zu haben ist nichts Schlechtes oder Vermeidbares, aber Angst fordert eine Entscheidung heraus: mutiges oder feiges Handeln.
Man kann berechtigte Angst vor etwas haben oder man kann Opfer werden von Menschen, die diese Angst vor gewissen Dingen bewusst schüren und somit instrumentalisieren. Gemeinhin gehört das zum Instrumentarium von sogenannten Populisten.
Das Thema ist bei den gegenwärtigen, gesellschaftlichen Konflikten allgegenwärtig. Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen für deutsche Bürger: Energieverteuerung, Inflation, dadurch steigende Preise für Wohnen und Lebenshaltung allgemein, gleichzeitig reale Umweltbedrohungen durch Klimawandel und dadurch finanzielle Bedrohungen des Bürgers wegen erforderlichen Gegenmaßnahmen der Politik.
Angst vor Verarmung
Real sind jene Ängste, die uns zu einem geänderten Lebenswandel zwingen: Investitionen für die Zukunft z.B. bei Wohnungseigentum, um durch Dämmung und geeignete Modifikation oder Ersetzung des vorhandenen Heizsystems einen Beitrag zur Abwendung der drohenden, globalen Klimakatastrophe beizutragen, Verzicht auf teure Urlaube, unnötige Verkehrswege, Sparzwang usw… - das wäre z.B. eine Realangst vor Verarmung.
Irreal sind aber Ängste, welche notwendige Privatinvestitionen als Klimabeitrag derart dramatisieren, wie durch die Bild-Zeitung geschehen, dass aus einer neuen Wärmepumpe im Wert von ca. 30.000 EUR plötzlich eine Gesamtsanierung von über 100.000 EUR wird und wenn aus einer Befristung ein „sofort“ wird.
Es wäre feige, dem Staat mangelndes Handlen vorzuwerfen, und sich selbst vor einem Eigenbeitrag drücken zu wollen.
Es wäre mutig, die erforderlichen Herausforderungen auch privat zu schultern, auch unter Hinnahme von persönlichen Einschränkungen.
Hier sind zunächst ja „Eigentümer“ die Jammernden, weil ihre bisherige Komfortzone verletzt wird, erst in zweiter Linie wird es dann natürlich auch Mieter treffen - allerdings zielen bisherige Förderungen des Staates leider auf letztere nur zu wenig ab.
Angst vor Vernichtung
Real ist z.B. auch die Angst, in einen Krieg zweier fremder Parteien hineingezogen zu werden, der das eigene Leben oder das der Lieben dann bedrohen würde, nur weil man Stellung für die schwächere oder die überfallenene Partei des Konfliktes bezieht.
Irreal aber ist es im Angesicht der Angst, zu glauben, man könne die angreifende Kriegspartei, den militärischen Aggressor also, dadurch bremsen, dass man auf seine Bedingungen eingeht, ohne mitlitärische Gegenwehr oder Unterstützung einer solchen auf der Seite des Überfallenen.
Wie auch immer die Gründe für den russischen Überfall aussehen mögen, geopolitisch, ideologisch, historisch, sie erfolgen mit akuter Gewalt und ihnen sollte und muss zunächst mit akuter Gegengewalt geantwortet werden. Warum? Putin vertritt keine „gesittete Macht“ in unserem freiheitlichen Sinne wie es damals z.B. Großbritannien beim Konflikt mit Indien eine war, bei dem Mahadma Ghandi zum zivilen, gewaltlosen Widerstand am Ende auch mit Erfolg aufrufen konnte. Die Initiative des indischen Widerstandes gegen die britische Besatzung erging mithin vom längst in Ausbeutung durch die Briten befindlichen indischen Volk, und der britische Kollonialismus war dort bereits erfolgreich etabliert. Man kann eine etablierte Aggression nicht mit einer akuten Aggression vergleichen und daher auch nicht die Mittel zu ihrer Abwendung. Kein Mensch würde bei einem akuten und bewaffneten Banküberfall erwarten, dass die staatliche Ordnungsmacht ohne Waffengewalt und drohendem SEK in Verhandlungen mit den Bankräubern eintritt.
Bedingungsloser Pazifismus in einer akuten Bedrohungslage durch Gewalt ist Unterwerfung. Ein Verhandeln unter den unveränderten Ausgangsbedingungen des Aggressors, kann nur zu einem Diktatfrieden führen, bei dem der Aggressor Recht behält mit seiner These: der Stärkere siegt. Es ist ein Lügenmärchen - u.a. von Frau Wagenknecht verbreitet - gleich am Anfang des Ukrainekrieges wären unter israelischer Vermittlungen fast Friedensverhandlungen erfolgreich gewesen, wenn sie der Westen nicht sabotiert hätte, und erst die Greueltaten von Butscha danach hätte die ukrainische Seite umgestimmt. Nein, Butscha ist natürlich bereits davor und während diesen Verhandlungen geschehen, bekannt wurde es natürlich erst, nachdem die ukrainische Armee die russische dort zurückgetrieben hatte. Der richtigere Rückschluss wäre also: man kann mit Lügnern, in diesem Falle auf Seiten der russischen Verhandler, einfach keine Abkommen schließen. Es ist einfach auch nicht wahr, dass Russland sich im Rahmen dieser Verhandlungen im Norden der Ukraine bereits zurückgezogen haben soll, denn es wäre klar gewesen, dass die russischen Kriegsverbrechen zu Tage getreten wären - nein, die ukrainischen Truppen haben die russischen damals zum Rückzug gezwungen! Man kann Fakten einfach nicht leugnen und Erzählweisen konstruieren, die einem genehm sind.
Umgekehrt wäre eine viel naheliegendere Angst als die behauptete vor einem Weltkrieg in der akuten Überfallslage, dass der Aggressor in seinem Verhalten noch bestärkt werden würde, falls kein Widerstand erfolgte, und er in Zukunft weitere Überfälle begehen wird. Das ist gemeinhein die anerkannte Psychologie auch bei Entführungen ala Mogadischu - man muss immer so handeln, dass man auch in Zukunft nicht erpressbar ist, auch wenn dies Opfer kosten könnte.
Es wäre daher eine feige Antwort auf diese Angst einer eigenen, drohenden Vernichtung, auf effektive Waffenhilfe für den Angegriffenen zu verzichten.
Es wäre hingegen eine mutige Antwort, alles menschenmögliche auch militärisch zu tun, um dem Überfallenen beizustehen.
Angst vor Überfremdung
Die derzeitigen Krisen auf unserem Planeten lösen Volksbewegungen aus: von armen in wolhabende Länder, von unterdrückten Gewaltregimen in freie Demokratien. Fremde Kulturen, Religionen und Mentalitäten prallen ungebremst aufeinander. Das ist eine Realangst, wenn eine erfolgreiche Integration nicht, aus welchen Gründen auch immer, erfolgen kann.
Irreal aber wäre es, Anstrengungen für eine Integration zu unterlassen bei gleichzeitig unterlassenem Bemühen, auf die Fluchtgründe in den Herkunftsländern einwirken zu wollen. Man würde den Weg des nationalen Selbstrückzuges einer ernsthaften Auseinandersetzung mit einer ungerechten Verteilungssituation auf der Welt vorziehen.
Ein feiges Handeln gegenüber der gemeinsamen Verantwortung für die Welt.
Freilich: diejenigen vor Ort in den Gemeinden, die nun die Flüchtlingsexplosion bewältigen müssen, sind überfordert: es fehlt Geld, Wohnraum und Fachkräfte zur Erstellung des Wohnraums. Es fehlt Infrastruktur: Kindergärten, Sprachvermittlung. Und schlimmer noch: diejenigen, die privat ukrainische Flüchtlinge aufnahmen, finden nun selbst für eigene Kinder keine Kitaplätze mehr, weil dort inzwischen viele ukrainische Kinder untergebracht wurden….das ist kein Populismus sondern Fakt. Populismus allerdings ist es, wenn der CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz z.B. unlängst öffentlich behauptet, dass durch massenhafte Zahnsanierungen bei Flüchtlingen deutsche Bürger keine Termine mehr bekommen.
Das ist alles sehr bitter und beängstigend, aber es zeigt uns auch im Weltdurchschnitt, wie priviligiert wir in den Wohlstandsländern in den letzten Jahrzehnten eigentlich waren. Freilich war unsere Nachkriegseneration auch fleißig, aber sie verfiel natürlich ebenso einem Nachkriegskapitalismus der Verschwendung, eben auch auf Kosten anderer.
Schlussfolgerungen
Populisten und Demagogen werden immer die „feigen“ Lösungen bei ernsten Herausforderungen propagieren, denn sie fassen mutige Lösungen als Zumutungen auf, für die sie die Empörung der Masse mobilisieren wollen. Sie haben kein echtes Einfühlungsvermögen, selbst wenn sie über genügend Intellekt verfügen. Ihre eigenen Interessen der Machtergreifung stehen im Vordergrund. Sie sind nicht wirklich für Demokratie, sie nutzen sie lediglich zu eigenen Zwecken.
Populisten sind Menschen, die von sich behaupten, dass nur sie für das ganze Volk sprechen können und auch nur sie das Volk vertreten. Dabei schüren sie Ängste und Vorurteile. Populisten tun so, als gebe es selbst für sehr schwierige Probleme immer ganz einfache Antworten und Lösungen.
Ich wähle jetzt mal ein untypisches Beispiel, um zu zeigen, das Populismus auch sehr subtil daherkommen kann, und auch aus der „linken“ Ecke:
Sahra Wagenknecht, beliebte Ikone der LINKEN, die allerdings längst nicht mehr die Interessen der Partei sondern ihre ganz eigenen vertritt, ist ein Beispiel von brillianter Rethorik, scharfem Verstand, aber auch von gefühlsarmer Empathie und ideologischer Engstirnigkeit.
Seit Ausbruch des Ukrainekrieges wird sie nicht müde, den Westen, besonders die USA und die NATO, für das Verhalten des Diktators Putin verantwortlich zu machen: Putins Russland fühle sich durch die Ausbreitung der NATO in seinen Sicherheitsinteressen bedroht. Putins staatspolitischen Ziele und Ressentiments gegen den Westen hingegen, die er seit den 90er Jahren offen ausspricht und in sein neostalinistisches Weltbild integriert hat, und dabei gleichzeitig die russische Gesellschaft in einen Propaganda-, Überwachungs- und Marijonettenstaat umgeformt hat, werden von Frau Wagenknecht schlicht ignoriert. Aber er hat ja Atomwaffen, da gebührt ihm auch der notwendige Respekt.
Respekt, der auf einer unbegründeten Angst vor einer atomaren Zerstörung der Welt herrührt. Frau Wagenknecht schürt diese Angst tatsächlich immer wieder wie Putins Machtapparat selbst es auch tut. Dass Olaf Scholz in China erreicht hat, dass eine atomare Lösung des Ukrainekrieges ein weltpolitisches „no go“ darstellt, verschweigt sie, wenn auch sonst China als großer Friedensverhandler von ihr bemüht wird.
Auf die Frage des Historikers Karl Schlögel bei Anne Will, warum sie sich denn nicht wie er selbst mal ein Bild über die wahren Zustände in der Ukraine machen wolle, antwortet sie schlicht: "Ich fahr doch nicht in ein Land, in dem mir angedroht wird, dass ich umgebracht werde!"….das ist ihre Interpretation des Tweets des jetzigen Vizeaußenministers der Ukraine Melnyk: „Oskar Lafontaine und seine Frau Sahra Wagenknecht sind beide die schlimmsten Komplizen vom Kriegsverbrecher Putin, die als solche noch zur Rechenschaft gezogen werden. Und zwar sehr bald“.
Herr Melnyk ist ja zweifelsohne bekannt für seine unsensiblen Äußerungen als damaliger Botschafter der Ukraine in Deutschland, aber ist die Schlussfolgerung von Sahra Wagenknecht tatsächlich angebracht oder dient sie anderen Zwecken?
An anderer Stelle wiederholt sie ständig auf die Frage nach einem Ukraine-Besuch: sie glaube nicht, dass sie in einem Kriegsgebiet wahre Informationen erhalten könnte. Frau Wagenknecht bezieht ihre Einschätzungen hingegen viel sicherer und überzeugender aus intelektueller Distanz zum wahren Geschehen von ausgewählten Publikationen im In- und Ausland und zieht ihre eigenen Schlüsse lieber aus emails von geflüchteten, ukrainischen Soldatenfrauen, die nicht mehr wollen, dass ihre Männer an der Front gegen Putins Soldaten kämpfen. Und natürlich ist die Flucht von über 700.000 wehrfähigen Ukrainern in ganz Europa ein klares Zeichen, dass die Ukraine nicht mehr weiterkämpfen möchte und das Sterben an der Front Leid ist. Zusätzlich werden dann immer wieder die selben US-Generäle und Thinktanks der USA als Kronzeugen benannt, die ihre Einschätzung immer wieder bezeugen sollen, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann, auch wenn deren Aussagen längst nicht mehr dem aktuellen Kriegsgeschehen gerecht werden. Dass es weit mehr abweichende Meinungen unter Experten gibt verschweigt sie wiedereinmal. Und ganz wichtig: die Ukraine gewinnt diesen Krieg nicht, indem es Russland unterwirft, sondern wenn es ihr gelingt, Russland logistisch zum Rückzug aus besetzten Gebieten zu zwingen. Es macht keinen Sinn, Frau Wagenknecht, immer wieder zu insistieren, die Ukraine könne den Krieg nicht gewinnen, wenn man keine klare Vorstellung von „gewinnen“ hat. Der Gewinn der Ukraine wäre einzig der Rückzug russischer Truppen, nicht deren Unterwerfung!
Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass diese Ausreden von Frau Wagenknecht kein Ausdruck echter Anteilnahme am gegenwärtigen Schicksal der Ukraine sind? Für Frau Wagenknecht scheinen die Vergangenen Verbrechen des westlichen Imperialismus (ja, die gibt es!), besonders der USA, weit aus zentraler als die viel aktuelleren imperialistischen Interessen des Kreml bezüglich seiner ehemaligen Brudervölker, die er wieder gewaltsam zu einer Post-UdSSR vereinen möchte - unter seiner Führung versteht sich.
Und: reist nicht gerade der ehemalige Staatspräsident und jetzige stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates der Russischen Föderation Dmitri Medwedew in von Russland annektierte Gebiete in der Ukraine umher und verkündet vollmundig auf Telegram: „Die militärische Spezialoperation wird bis zur vollständigen Zerstörung des Nazi-Regimes in Kiew fortgesetzt“ und „Der Sieg wird unser sein. Und es wird weitere neue Regionen innerhalb Russlands geben“. Klare Fakten der Absichten der Russischen Föderation sprechen hier gegen jegliche Interpretationsversuche von berechtigten Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation aus Angst vor dem Westen. Putin hat keine Angst vor westlicher Bedrohung durch Raketen, wie Frau Wagenknecht unermüdlich uns einzureden versucht, er hat in wirklichkeit Angst vor westlichen Werten der Freiheit, Menschenrechten und der Demokratie, die er allesamt als dekadent einordnet.
Es kommt daher nicht von Ungefähr, dass Frau Wagenknecht in die Ecke der Putin-Versteher gerückt wird und damit in ein Boot mit manchen Vertretern der AfD geworfen wird. Auch in der Migrationsfrage kommt sie den Interessen der Rechtspartei sehr nahe. Inzwischen macht ihr Ex-Mann Niemeyer als Reichsbürger von sich Reden und tritt in Moskau als legitimer Vertreter einer deutschen Exilregierung auf, welche die jetzige Bundesregierung unter Olaf Scholz für „suspendiert“ erklärt. Immerhin hat Frau Wagenknecht 16 Jahre (1997-2013) an dessen Seite verbracht, bevor sie sich in Oskar Lafontaine verliebte.
Eine gewisse Russland-Symphatie scheint beiden gemeinsam und ebenso der Haß gegen den imperialistischen Westen. Wie sagt Niemeyer so schön: „Sahra macht das parlamentarisch, ich außerparlamentarisch“.
Das ist ein subtiler Populismus, der uns suggerieren soll, dass Frieden gegen Freiheit im Namen des Pazifismus die Lösung sei. Und wenn die Gründung einer eigenen Partei von Sahra Wagenknecht mit über 30 Prozent gehandelt wird, womit der AfD im Osten gewaltig das Wasser abgegraben würde, macht das diese Form des Populismus nicht weniger gefährlich.
Aber ich habe mich nun genug an Frau Wagenknecht abgearbeitet, obgleich ich einst ein glühender Anhänger ihrer Ideen war und mich u.a. der „Aufstehen“ Bewegung anschloss. Ich machte auch Vorstöße bei der lokalen LINKEN, wurde aber dann doch abgeschreckt, als ich erfuhr, wie man dort Frau Wagenknecht zu Recht wahrnimmt, trotz ihrer ansonsten guten Kapitalismuskritik.
Ihre geopolitischen Schlussfolgerungen des Ukrainekrieges in seinen Ursachen, seinen Zielen und seinem Ausgang sind tendenziös russlandfreundlich und antiamerikanisch und somit nicht seriös.
Was wir aber wirklich in diesen Zeiten benötigen ist mehr Mut, mit echten oder eingeredeten Ängsten adäquat umzugehen und gerade nicht populistischer Propaganda zu verfallen.
Angst ist ein Indikator dafür, dass sich gerade etwas gravierend verändert und unserer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Panik hingegen und Abschottung sind gefährlicher als eine reife Angstbewältigung, die Dinge beim Namen nennen darf, aber gleichzeitig Möglichkeiten und aber auch Grenzen des eigenen Handelns aufzeigen muss.
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