Der Ansatz ist bei der Trompete von zentraler Bedeutung neben der Atmung.
Es gibt wie wie öfters erwähnt unzählige Theorien darüber und es gibt Lehrer, die als Ansatzspezialisten in die Geschichte eingingen: Lois Maggio, Clint Pops McLaughlin, Stevens-Costello, Balanced Embouchure und in Deutschland Malte Burba. Auf letzteren schwören viele Trompeter, vor allem jene, die irgendwann in ihrer Karriere heftige Einbrüche erlebten. Als Beispiel sei Till Brönner genannt, der irgendwann sogar einmal die Bühne während eines Auftritts früher verlassen musste, weil nichts mehr ging.
Malte Burba ist nicht mein Fall, denn sein Lehransatz folgt zwar korrekten physikalischen Prinzipien, aber der strikt dogmatische Aufbau seines Weges mit dem Anspruch der universellen Gültigkeit ist sicher nicht jedermanns Sache.
Aber natürlich haben die meisten Ansatzschulen einen gleichgelagerten Anspruch auf Universalität, mit der Ausnahme BE - Balances Embouchure. Hier ist Raum für eigene Experimente und der Ansatz bewegt sich zwischen den Extremen eingerollter und ausgerollter Lippen.
Natürlich hängt am Ansatz auch die Klangvorstellung des Bläsers: brillant leuchtend oder warm schmeichelnd, um mal zwei Extreme zu nennen. Der Stil der Musik spielt als nächstes eine Rolle: klassisch oder kommerziell.
Unter kommerziell, was meiner klangliche Zielvorstellung entspricht, versteht man: Musical, Big Band, Pop, Rock, Funk, Soul etc..Hier wird ein „breiterer“ Klang bevorzugt. Möchte man z.B. bei Balladen eher wärmere Ausdrucksweisen, greift man auf ein Flügelhorn zurück.
Doch weiter zu dem Ansatzgeheimnis, über welches ich nun sprechen möchte: es beruht auf dem Ausnahmetrompeter Maynard Ferguson und in der Folge auf Lynn Nicholson, der mit seinem analytischen Verstand genau untersucht hat, wie Maynard das bewerkstelligt hat. Hier darf und muss mehr persönlich experimentiert werden als in anderen Schulansätzen.
Fragt man nämlich Ausnahmetrompeter persönlich danach, wie sie das machen, was sie machen, erntet man öfter ein Schulterzucken anstelle von nützlichen Hinweisen. Das Phänomen ist auch in der therapeutischen Psychologie bekannt: dort gab und gibt es Ausnahmetherapeuten wie z.B. die Familientherapeutin Virginia Satir, den Hypnosetherapeuten Milton Erickson und den Gestalttherapeuten Fritz Perls, die allesamt besonders erfolgreich waren. Hätte man sie befragt, wie sie das anstellen, hätte man kaum Antworten erhalten: sie wussten es einfach nicht, weil sie es intuitiv taten. Daher haben sich ein paar Linguisten bemüht, die erfolgreichen therapeutischen Intervention dieser Drei zu analysieren und wurden fündig: es gab Interventionsmuster, die von anderen Therapeuten übernommen werden konnten. Mit diesen Sprachmustern und neurologischen Zusammenhängen haben damals Richard Bandler und John Grinder NLP begründet: Neuro Linguistisches Programmieren. Doch das nur am Rande.
Lynn Nicholson ließ Maynard auf seinem abschraubbaren Mundstücksrand blasen (Giardinelli MF1) um zu sehen, was seine Lippen im Mundstück so treiben. Im Gegensatz zu Mundstückbuzzing oder Leadpipebuzzing ist ein Mundstückrand alleine eine Herausforderung: es gibt gar keine Resonanzräume, die bei der Tonbildung helfen. Und Lynn entdeckte bei Maynard wie auch bei sich selbst, dass die Lippen eine besondere Position insbesondere bei Tönen ab C3 einnahmen: eine sogenannte „unfurled“ Position, eine „entfaltete“ oder „ausgerollte“ Position im Zentrum um den gebildeten Luftkanal im Zentrum der Lippen.
Lynn demonstriert in seinem ausleihbaren Vimeo-Video „Got High Notes?“ genau, was man unter „unfurling“ versteht. Inzwischen gibt es auch ein kostenlosen Minutenclip auf Youtube, wo er das demonstriert. Im gebührenpflichtigen Clip demonstriert er eindrücklich, wie eher „eingerollte“ Lippen dazu tendieren, bei ihrem Zusammenpressen den Ton abzuwürgen, was mit „unfurled“ lips völlig unmöglich ist.
Die zweite Komponente ist, ein Mundstück zu benützen, das dieses „unfurling“ unterstützt: flache V-cups. Nicht umsonst hat Maynard Ferguson diese von ihm selbst entdeckte Phenomen über Jahrzehnte nie in Frage gestellt. Lynn hat daher eine hardware basierende Methode entwickelt, um diesen Maynard Ansatz (er nennt ihn MF-Protocol) intuitiv herauszubilden: das XPIECE und den RM (Reversible Rim), oder schlicht MHM - Mindless Hardware Methodology.
Lynn nutzt den „unfurl“ Effekt wie gesagt nur im höchsten Register, während bei Maynard ersichtlich ist, dass er seinen kompletten Range so spielte.
Lynns Idee dabei ist, dass man neben seinem alten Ansatz gleichzeitig ein neues Muskelgedächtnis mit diesen Hilfsmitteln für dieses „unfurling“ aufbaut: wenige Minuten am Anfang und Ende des Tages.
Der Reversible Rim spielt dabei eine erhebliche Rolle, denn ohne „unfurling“ wird man dort keinen Ton herausbekommen.
Natürlich begünstigt „unfurling“ einen breiteren Klang, wie er im kommerziellen Raum benötigt wird, aber mit einiger Beherrschung lassen sich auch hier weitere Klangoptionen entwickeln.
Also, das war das große technische Geheimnis eines Maynard Ferguson, welches durch Lynn Nicholson der Welt enthüllt wurde.
Ich habe dieses System selbst erfolgreich angewendet. Kritisch dabei ist, letztlich ein Mundstück zu finden, dass für die eigene Lippenstruktur optimal arbeitet. Man hat es gefunden, wenn man entspannt über den Range der Trompete spielen kann, auch nach Wochen ohne zu spielen. Das XPIECE war mir am Ende zu abgerundet im Inneren (konvex), analog Maynards späten Jet-Tone Mundstücke. Für mich arbeitet derzeit meine verkleinerte Version von Maynards erstem, 1955 von Dominic Caliccio entwickelten Mundstück am besten: der „Holy Grail“ (HG) der Trompetenmundstücke, das „Groovin‘ High“ (GH). Das GH hat ca .605“ Innendurchmesser, meine verkleinerte Version RW-GH560 .560“.
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