Gleich vorab: ich bin Hobbymusiker und beschäftge mich seit Jahrzehnten mit unterschiedlichen Instrumenten und vor allem dem Musikstil Jazz.
Nach Gitarre und Gesang in den 60ern wurde bald Trompete gegen Ende der 70er mein Favorit, erst später dann auch verschiedene Flöten. Animiert durch die vielen amerikanischen und englischen Fernsehserien, vorallem die Krimis, in denen immer Big Band Sounds unterlegt waren, war der Weg zum Jazz vorgezeichnet.
Ich habe hier zur Trompete schon einiges geschrieben, und weil dieses Instrument trotz seiner Widerspenstigkeit meine ungeteilte Aufmerksamkeit erfährt, sehr zum Leidwesen meiner Frau Elke, möchte ich hier einen weiteren Aspekt besprechen.
In einschlägigen Foren zur Trompete (Trompetenforum , Trumpet Herald…) kann man viel Nützliches erfahren, aber man bemerkt auch bald, dass es sehr unterschiedliche Meinungen und Erklärungen darüber gibt, wie denn Trompete am besten zu spielen sei, wie der Ton physikalisch entsteht und welches Equipment hilfreich sein könnte. Klar wird aber auch: Trompeter haben ein schweres Leben mit ihrem Instrument - weit mehr als andere Instrumentalisten. Und so dreht sich dort viel um grundlegende Dinge wie z.B. die Ansatztechnik und somit die Tonerzeugung selbst.
Es gibt verschieden Lager, die über den geeigneten Lufteinsatz philosophieren, über die Lippen- und Zungenstellung und etliches mehr. Viel wird auch darüber diskutiert, ob große Mundstücke einen besseren Ton abliefern als kleinere und damit verbunden ist natürlich, wie fleißig oder faul man beim Üben des Instrumentes zu sein hat oder eben nicht. Größere Mundstücke beanspruchen viel mehr Zeit und Energie was die Ansatzbildung betrifft und natürlich auch was die Aufrechterhaltung eines mühsam über Jahre gebildeten Ansatzes betrifft: für die meisten Trompeter ist die Rückkehr aus einem Urlaub ohne Instrument ein Albtraum. Man kann sich leicht wieder wie ein Anfänger fühlen auch nach Jahren mit dem Instrument.
Zum Glück gibt es aber andere Beispiele, z.B. Maynard Ferguson. Maynard konnte Wochen ohne Trompete verbringen und danach sofort seine normale Leistung abrufen. Er verbrachte seine Zeit auch nie mit dem Üben von Etüden, sondern spielte überwiegend Musik. Sein Tonumfang (range) war beispielslos insofern, als er mühelos und mit gleicher Tonqualität über C4 hinaus spielen konnte.
Klar wird ein solches Beispiel bei den selbsternannten oder promovierten Experten nicht geduldet, denn der war ja schließlich ein Ausnahmetrompeter……er spielte auf absurd kleinen und flachen Mundstücken mit kaum einem Innenrand im Mundstück. Jedem Professor für Trompete würden die Haare zu Berge stehen. Dass aber sein spezieller Zugang zur Trompete einige verallgemeinerbare Prinzipien hoher Wirksamkeit verraten könnte, ist nur wenigen aufgefallen - Lynn Nicholson und Jim Manley gehören zu dieser Gruppe.
„Man benötigt viel Luft, man muss körperlich top fitt sein….so, oder so ähnlich die herrschende Meinung….“ und natürlich sollten keine Experimente mit zu kleinen Mundstücken erfolgen.
Die Wahrheit ist aber nach meinem Dafürhalten eine andere. Beginnen wir mit extremen Mundstückdesigns, welche die meisten Professoren für Trompete an den Hochschulen für Musik zurückweisen würden, und Schüler mit solchen Mundstücken wieder nach Hause schicken würden, oder sie zum Umstieg auf konventionelle Mundstücke verpflichten würden.
Die MF (Maynard Ferguson) V-cups von Jim Manley zwischen Lynn Nicholson‘s XPIECE und Maynard‘s FBL TM. Die Mundstücke sind bei James R New in USA beziehbar.
Manley spielte seine erste CD „Lips Trip“ auf einer Spezialkopie von Bob Reeves nach Vorlage seines Giardinelli MF1 Mundstücks (Maynard‘s 60s) ein. Das MF1 entspricht dem „Holy Gral“ Caliccio Mundstück von MF (Maynard 55s) und entspricht auch Greg Black NY 4 oder Greg Black NY Legend MF1. Dan McMillion hatte das Caliccio Original von Houser als „Groovin High“ (GH) kopieren lassen, bevor er zu Gary Radke (GR) ging, später ließ Roger Ingram das ihm von Maynard geschenkte Original von Picket Brass kopieren: „Ingram Vintage Maynard“. Das GR „Groovin High“ konnte bislang nur über Dan McMillion persönlich bezogen werden, wird aber inzwischen auch von Gary Radke in 3 Varianten als „G.O.A.T“ (greatest of all time) angeboten. Übrigens sind diese GR Groovin High Varianten mit den Greg Black Versionen des MF1 vergleichbar.
Jim Manley ist ein ungewöhnlicher Trompeter aus St. Louis/MO (Missouri). Er ist einen völlig eigenen Weg gegangen, um sein Trompetenspiel zu entwickeln. Auch bei ihm sind die üblichen Maßnahmen zur Ausbildung an der Trompete fehlgeschlagen, und er wurde von einem seiner Lehrer als hoffnungsloser Fall eingestuft. Bald schon entdeckte er, dass die üblichen Konzepte in der Ausbildung von Trompetern zwar auch erfolgreich sein können, aber größtenteils der Physik des Instruments widersprechen. Man kann sagen: es gibt gute und Spitzentrompeter, die ihren Job gut und sehr gut machen, trotz eines physikalisch nicht optimierten Umgangs mit der Trompete. Das erklärt auch, warum ausgerechnet dieses „schwierige“ Instrument dennoch ein verbreitetes Volksinstrument werden konnte. Man kann die Trompete spielen, auch wenn man sie „falsch“ spielt. Häufiger führt allerdings „falsches“ Spielen auch zu den üblichen Problemen: geringer Tonumfang, wenig Ausdauer, schlechter Ton - und damit früher oder später zur Aufgabe des Instruments beim Einen oder Anderen.
Manley hat also nach vielen Jahren klar erkannt, dass die Trompete viel, viel weniger Luft benötigt als die meisten Trompeter einsetzen. Es braucht nur eine sehr geringe Aktivierungsenergie um die Luftsäule im Instrument zum Schwingen anzuregen. Manley demonstriert dies regelmäßig durch leichtes Klopfen auf das Mundstück mit zwei Fingern, was ein lautes Pop Geräusch durch die Trompete hervorruft.
Der zweite Faktor für ein solches „effizientes Atmen“ (…nicht „blasen“) ist die Bereitstellung entspannter Lippen, um diese in Schwingung zu versetzen. Im Innendurchmesser kleine, und flache V-förmige „Kessel“ ala Maynard Ferguson unterstützen einen relaxten Ansatz, bei dem das innere, weiche Lippenmaterial (Schleimhäute) um die Luftöffnung der Lippen herum nach außen gestülpt wird, ohne dabei einen „Kußmund“ zu bilden. Das Eindringen der Lippen in den V-Kessel muss minimal gehalten werden, gerade nur soviel, dass das weiche Lippenmaterial bei höheren Tönen der konischen zulaufenden Innenwand des Mundstücks folgen kann um die Luftöffnung zu verringern wie es dem zu erzeugenden, höheren Ton dann entspricht. Die genauen Details können von Lynn Nicholson erfahren werden (MHM, MF-Protocol). Ein interessantes Experiment hierzu:
Beim Trompetenansatz wird unterschieden zwischen eingerollten und ausgerollten Lippen und eine moderne Schule, der „Balanced Embouchure“ (BE) von Jeff Smiley macht sich zu nutze, zwischen diesen Extremen zu vermitteln. Das Experiment: mit eingerollten Lippen (das Lippenrot wird nach innen verlagert) kann man bei einem totalen Lippenverschluss tatsächlch den Luftstrom unterbrechen, bei ausgerollten Lippen geht das gar nicht! Ein erstes Geheimnis, das Beachtung finden sollte. Lynn Nicholson hat in seinem MF-Protocol als erster klar darauf hingewiesen. Maynards Spielweise war genau jene der ausgerollten Lippen - Lynn nennt dies „unfurling“. Er selbst nutzt diese spezielle Technik erst über C3, Maynard hat dies generell praktiziert, wie man auf vielen Videoaufnahmen verifizieren kann. „Einsetzen“ (ins Lippenrot) gilt eher als falscher Ansatz in der konventionellen Schule, aber es handelt sich auch nicht wirklich um ein Einsetzen im Sinne einer falschen Ansatztechnik.
Ich selbst habe eine persönliche Videostunde über Skype bei Lynn genommen und sein Ausleihvideo „Got High Notes?“ später gekauft. Lynn hatte in den 70ern den Ansatz von Maynard studiert und analysiert, als er ihn als Bandmitgleid auf Tour begleitete.
Ich kam per eMail mit Jim Manley in Kontakt, als ich mich für sein Mundstück von Stomvi USA interessierte: das JimFlex Mundstück mit einem Innendurchmesser von ca. .560 inch (ca. 14,2 mm). Er schwört ebenfalls auf die Struktur der Maynard Mundstücke, allerdings nutzt er noch etwas kleinere Varianten. Damals eröffnete er mir, dass er nicht mehr sein JimFlex spielt, sonder das GHM VR HG von Stomvi. Das besorgte ich mir dann auch und wir haben beide auf der Herstellerseite positive Empfehlungen ausgesprochen.
Ich nahm Unterricht bei einem Stuttgarter Jazz Trompeter Ende der 70er und erneut in den 2000ern: Frederic Rabold - er war lange Zeit auch Bandleader bei der Uni-Bigband Stuttgart. Bei ihm lernte ich das Trompetespielen nach Noten, aber Technik konnte er leider nicht vermitteln, wie so oft bei guten Trompetern. Ende 2021 versuchte ich es online bei CBM (Contemporary Brass music) von Manuel Hilleke: didaktisch ausgeklügeltes System….aber mein Ziel konnte ich wieder nicht erreichen. Ich bin eben ein Sonderling, der als Autodidakt trompeterische Experimente betreibt und analysiert. Spiele ich in einer Band, stehe ich auf einer Bühne? Mif der Trompete ist mir das zwar noch nicht gelungen, aber mit Querflöte, Gitarre und Gesang schon. Aber die Trompete bleibt mein Ziel. Ich wechselte von unkonventionellen zu konventionellen Mundstücken bis z.B. Monette B2 oder Bach 3C. Aber stundenlanges, tägliches Üben auf großen Pötten können und sollten sich nur Profis leisten, die bereit sind, herkömmlichen Lehren unbedingt zu folgen, und entsprechende Einschränkungen hinzunehmen.
Irgendwann erinnerte ich mich auch, dass ich bereits früher Mark Curry in den USA bat, mir eine kleinere Version seiner Kopie des Groovin High Mundstücks zu erstellen, also der ersten Kopie des Mundstücks von Maynard, dass er sich 1955 von Dominic Caliccio erstellen ließ.
Das frühe Houser Duplikat (90er) von Maynards Mundstück:
„MF“ Maynard Ferguson, und hier der erste McMillion Prototyp vor den GR GH Mundstücken:
Mark Curry hatte das Houser Duplikat
Groovin High ebenfalls gescanned und mit einem Scan des Giardinelli MF1 von Kanstul verglichen:
GH ist etwas kleiner als Giardinelli MF1, Mark Curry:
„FYI, the GH prototype has an ID of .605" and the MF1 an ID of .620" measured 1/32" (.0312") from the crown of the mouthpiece.“
…..und ich habe es mir dann von .605“ auf .560“ verkleinern lassen: „RW GH 560“ auf zwei seiner „Black Jack“ Blanks (äußere Mundstückform):
links meine verkleinerte Version von Mark Curry von der Houser Kopie rechts.
….das entspricht in etwa auch dem JimFlex von Stomvi, wobei die modernen Mundstückdesigner keine klaren v-cups bevorzugen, sonder eher leicht gewellte v-cups: bei Stomvi USA nennt sich das Prinzip VR (Very Resonant). K.O. Skinsnes hat als Präsident von Stomvi USA und als Mundstückexperte und -Hersteller dieses Prinzip verwirklicht.
Die Idee, das ursprüngliche „Groovin High“ ebenfalls zu verkleinern, ergab sich aus dem Vergleich meiner Lippenstruktur mit der von Maynard Ferguson, als er sein Caliccio-Mundstück in den 50ern spielte:
…meine Lippen links sind deutlich schmaler!
Rechts kann man das Caliccio (Groovin High) noch erkennen.
Der Effekt war sehr verblüffend: ich konnte sofort entspannt bis C4 spielen, allerdings war dieser Effekt bald (ein paar Tage später) wieder relativiert: der sogenannte „Honeymoon“ von Mundstücken hatte zugeschlagen. Spontan sind Mundstückwechsel von groß nach klein immer verblüffend erfolgreich, weil das Muskelgedächtnis erstmal überlistet wird. Ein paar Tage später aber ergreift die alte Spielweise mit dem alten Mundstück wieder die Kontrolle und ein neues Gedächtnis mit dem neuen Mundstück muss erst erneut aufgebaut werden. Wenn man dies nicht rasch erkennt, wird man Opfer einer Mundstücksafari. Ich selbst wurde auch immer wieder Opfer.
Inzwischen weiß ich: man sollte sich immer breit informieren, am Ende aber zählt die eigene Erfahrung.
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