BRICS-Summit Südafrika - Augenhöhe zu G7?

Derzeit findet in Johannesburg der 15. Gipfel der BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) statt.


Zunächst die Fakten:


Die G7 als größter, westlich-demokratischer Wirtschaftsverbund (Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten) decken etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung ab und 44 Prozent der Weltwirtschaftsleistung.


Die BRICS-Staaten hingegen decken etwa 41 Prozent der Weltbevölkerung ab und bilden eine Weltwirtschaftsleistung von etwa 20 Prozent ab.


Im Gegensatz zu den G7 Staaten umfassen die BIRCS Statten auch Länder, die keinen demokratischen Weg einschlagen wollen: Russland und China, um die wichtigsten zu nennen. Aber auch demokratische Länder mischen mit, wie z.B. Indien, Brasilien und Südafrika. Letztere werden wie z.B. auch die USA zu den „unvollständigen“ Demokratien gerechnet, weil gewissen Machtmerkmale, z.B. die weitreichenden Machtbefugnisse des amerikanischen Präsidenten, der am Parlament vorbei per Dekret handeln kann, noch einen demokratischen Wandel benötigen. Wohin derartige, demokratische Anomalitäten führen können, zeigte sich bei der vorherigen Präsidentschaft von Donald Trump.


Aber zurück zum BRICS-Gipfel.


Er wird überschattet vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die damit verbundenen Getreidelieferungsprobleme an die Regionen der Erde, die sie dringend benötigen,  und der Tatsache, dass ein Regierungschef der BRICS per internationalem Haftbefehl gesucht wird und daher nicht persönlich anwesend sein kann und nur via Videobotschaft teilnehmen kann: Wladimir Putin. 


Man hört, seine erste Teilnahme per Video erfolgte nicht live sondern mittels einer vorher aufgenommenen Aufzeichnung und es wird gemunkelt, dass ihn selbst dort ein Doppelgänger vertreten hat: im Video ist in Südafrika die Stimme deutlich tiefer als beim gleichen Video in Moskau und er blickt auf sein linkes Handgeleng, obwohl er seine Uhr am rechten Handgelenk trägt.


Mich wundert es nicht, dass ein Ex-KGB-Mann wie Putin selbst sein Regieren als Präsident mit Täuschungen und Betrug veranstaltet. Ob das wiederum die Führer der BRICS-Staaten einfach so hinnehmen werden, steht auf einem anderen Blatt. Putin hatte ja vor seinem Einlenken, der Bitte Südafrikas zur Nichtteilnahme in Person zu folgen, eindeutig eine mögliche Verhaftung seiner Person dort als kriegerische Handlung bezeichnet - eine handfeste Drohung und Erpressung an die Adresse des Südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa, der daraufhin versuchte, beim Internationalen Gerichtshof eine Aussetzung des Haftbefehls für die Zeit des Kongresses zu erwirken - offensichtlich ohne Erfolg.


Also liebe BRICS-Führer: Euer Anliegen nach Augenhöhe mit den derzeitigen Wirtschaftsmächten in allen Ehren, aber eine Zusammenarbeit mit einem kriminellen Klan-Chef im Kremel?


Ich bin gespannt, wie lange Xi Jinping die  Spiele Putins auf der Weltbühne noch mit anschauen wird. Er selbst hat im Auftakt des BRICS-Summit aber auch klar den Feind benannt: die USA.


Doch eines nach dem anderen.


Beim aktuellen Treffen geht es u.a. um Erweiterungsfragen (40 Länder wollen beitreten, über 20 haben bisher einen formellen Antrag gestellt, darunter Saudi-Arabien, Iran und Ägypten). Aber es geht auch um die angestrebte Ablösung der Schlüsselwährung der Welt, dem US-Dollar.


Nun muss man zugeben, dass die Leitwährung US-Dollar in die Jahre gekommen ist und inzwischen ein starker EURO den Finanzmarkt betreten hat. Der EURO ist auch nicht wie der US-Dollar befleckt mit einer vergangenen Politik des US-Imperialismus und dem vergangenen Kollonialismus der ehemaligen Nationalstaaten Europas. Aber ich denke, man ist im BRICS-Verbund noch weit entfernt, die bisherige Leitwährung durch eine eigene zu ergänzen.


Während Russland und China eine rasche Erweiterung begrüßen würden, sehen das Südafrika, Brasilien und vor allem Indien gänzlich anders. Indien und Brasilien pflegen eine „Sowohl als auch“- Politik statt einer „Entweder-Oder“-Politik: man will auch Wirtschaftsbeziehungen zum Westen beibehalten. 


Bei China und Russland ist das nicht so offensichtlich. Zumindest sind dort die Gedanken der Bildung eines politischen Gegenblocks zu den westlichen Demokratien, insbesondere der USA offensichtlich.


Grundsätzlich sollte internationaler Handel ja nicht von Werten wie Menschenrechten und Umweltschutz abhängen, wenn man eine interessenbasierte Handelspolitik verfolgen möchte. Aber irgendwann werden obige Werte auch dahingegend entscheidend, ob verlässliche und vertrauenswürdige Handelsbeziehungen mit einem Partner überhaupt noch möglich sind.


Im Fall von Putins Russland kann man dies inzwischen klar verneinen. Wenn der russische Kremlchef die Blamage einer nicht möglichen, persönlichen Teilnahme vor dem eigenen Volk auch damit zu kompensieren versucht, dass seine Anwesenheit in Moskau derzeit wichtiger sei, so ist doch zu erkennen, wie stark das Machtgefüge im Kreml inzwischen ins Wanken geraten ist.


Die angestrebte „Augenhöhe“ von Schwellen-Staaten mit den führenden Wirtschaftsmächten ist definitiv legitim. Es kann dabei auch keine Rolle spielen, wie beteiligte Staaten mit ihren eigenen Bürgern umgehen: man kann eigene Modelle des Umgangs mit Menschen nur vorleben und nicht schulmeisterlich predigen. 


Eine andere Qalität wäre es, wenn jene Staaten sich eindeutig zu „Schurkenstaaten“ (Begriff der Bush-Regierung) entwickeln, in dem sie mit militärischer Macht versuchen andere Staaten einzuschüchtern. In diesem Falle ist entschlossenes, wertebasierendes Handeln von streitbaren Demokratien des Westens erforderlich. Es gibt beim sich seit jahrtausenden entwickeltenden Humanismus auf dieser Erde kein Zurück mehr. 


Umgekehrt müssen die Vertreter westlicher Demokratien, deren Wertebild durch eine westliche Philosophie des Individualismus geprägt wurde, lernen, dass der Osten durchaus andere philosophische Ansätze verfolgt hat und damit auch anderer Werte generiert hat: der Kern scheint mir zu sein, dass der Osten das Kollektiv wichtiger einschätzt als das Individuum, während der Westen das Individuum höher als das Kollektiv einschätzt. In den Demokratien gibt es sogar Abwehrrechte des Individuums gegenüber dem Staat.


Damit bekommen die „Menschenrechte“ und die „Verantwortung für die Natur“ im Westen eine andere Bedeutung als im Osten - das läßt sich nicht ignorieren.


Wir leben aktuell in einer Zeit, in der diese Unterschiede offen zu Tage treten und im politischen Handeln sich niederschlagen.


Die Kunst wird sein, dabei keine „Fronten“ oder „Blöcke“ zu bilden, sondern im gegenseitigen Respekt auf ein Miteinander hinzuwirken. Das geht sicher nicht über Schuldzuweisungen aus der Vergangenheit, und daraus begründetem Revanchismus, das geht sicher nur über einen Neuanfang unter Respektierung der neuzeitlich etablierten, geopolitischen Lage. 


Für mich wäre das Ende des Zweiten Weltkrieges und seine geopolitischen Ergebnisse die unabdingbare Basis für einen solchen Weg. Dieser wurde auch in Helsinki von der Mehrheit der Staaten eigentlich auch so beschlossen - und wer dagegen im Nachhinein verstößt, muss sich schon als „Schurke“ bezeichnen lassen, der international keinen Respekt genießen kann und damit auch international geächtet werden muss.


Bei dieser erforderlichen Ächtung tun sich einige Saaten leider schwer, sei es aus historischer Gesonnenheit oder aus anderen wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen. Ob nun Individuum oder Kollektiv in einem Staatengebilde wichtiger sein sollen - die völkerrechtlich anerkannten Grenzen der derzeitigen Staats-Kollektive auf der Erde müssen einen gemeinsamen Wert darstellen, der nicht beliebig oder historisch in Frage gestellt werden darf.


Die Staaten, die sich einer Verurteilung des russischen Angriffskriegs nicht anschließen können, müssen sich letztlich fragen, ob ihre geschaffenen Abhängigkeiten von einem derartigen Aggressor nicht das größere Problem in der eigenen Zukunft sein werden.

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