Die Trompete ist von allen Instrumenten, mit denen ich mich beschäftigt habe, die größte Herausforderung geblieben. Die japanische Bambusflöte - Shakuhachi - folgt ihr, dann erst die Querflöte, die im Verhältnis zu den Erstgenannten deutlich leichter zugänglich ist.
Bei Blechinstrumenten wird die Tonquelle eigentlich nicht vom Instrument selbst bereitgestellt wie bei anderen Instrumenten, bei denen bestimmte, physikalische Gegebenheiten für die Tonerzeugung maßgeblich sind, wie z.B. eine „Anblaskante“, an der sich der Luftstrom bricht (alle Flötenarten), oder einem Holzblatt, dass zwischen den Lippen in Schwingung versetzt wird (alle Holzblasinstrumente bis auf die Flöten) etc.. Beim „Blech“ liegt aber nur ein Resonanzkörper in Form des Instruments vor, die Tonquelle sind die Lippen des Bläsers selbst, die in Schwingung versetzt werden müssen. Man spricht auch davon, dass die meisten Instrumente über einen Tongenerator und einen Tonresonator verfügen - beim „Blech“ fehlt aber der Generator.
Diese Tatsache macht die Beherrschung des „Blechs“ so schwierig, denn der Anspruch der „Beherrschung des Instruments“ fällt auf den Bläser selbst zurück: es geht um „Selbstbeherrschung“. Es ist eigentlich erstaunlich, dass gerade das in dieser Hinsicht so schwierige „Blech“ so weit in der Volksmusik verbreitet ist: es gibt sicher mehr Blasorchester als irgend welche anderen.
Ich habe ja schon einige Artikel zu diesem Thema hier eingestellt und möchte mich nicht wiederholen. Aber der Blechbläseransatz ist wie kein anderer in der Diskussion bei Profis, Amateuren, Musik-Professoren und er ist mit allerlei Mythen verknüpft. Es haben sich verschiedenste Ansatzschulen über die Jahrhunderte entwickelt und bis heute streiten sich diese untereinander, welche denn nun die richtige sei. Die einschlägigen Trompetenforen sind gefüllt mit Theorien über den Ansatz und seine psysikalischen Voraussetzungen, in Gitarrenforen oder Flötenforen z.B. kann man das vernachlässigen.
Meine einfache Antwort auf die Frage, was ist der richtige Trompetenansatz? Es kommt darauf an!
Schon die Frage, in welcher Form die Lippen eigentlich als Tongenerator fungieren, scheidet die Geister: die „Buzzer“ schwören darauf zu behaupten, dass letztlich das komplette Öffnen und Schließen der Lippenöffnung zwischen Ober- und Unterlippe die Schwingung erzeugt, etwa wie bei dem Lippenflattern. Die andere Fraktion, zu der ich mich zugehörig fühle, geht eher von einer sympathetischen Tonerzeugung aus: die Lippen buzzen nicht originär sondern als Ergebnis der Resonanz und Wechselwirkung mit dem Instrument und ein Totalverschluss der Lippen bei einem Frequenzvorgang ist nicht erforderlich. Ich habe ein bekanntes Video zitiert und selbst auf YouTube folgendes demonstriert: man bläst ins Trompetenmundstück ohne Buzz der Lippen, einfach nur Luft strömen lassen und verbindet nun gleichzeitig das Mundstück mit dem Mundrohr der Trompete: voila, der Ton entsteht. Die Länge des Mundrohrs alleine, also bei entferntem Stimmzug der Trompete, genügt um diesen physikalischen Prozess in Gang zu setzen - das Mundstück alleine kann dies nicht.
Dies ist der erste wesentliche Punkt. Alle Formen von „Buzzing“ der Lippen alleine oder mit Mundstück repräsentieren daher nicht, was bei der Trompete den Ton tatsächlich erzeugt - Punkt. Das bedeutet nicht, dass diese „Buzzing-Techniken“ nicht auch hilfreich sein können, z.B. zur Entwicklung von Ansatzmuskulatur. Aber es bleibt auch hier dann die Frage: wieviel Muskelkraft ist nötig und förderlich, und wieviel ist kontraproduktiv, denn die Lippen müssen in einem kleinen Bereich im Zentrum ja schwingen können. Auch hier gibt es wieder viele Theorien. Für mich ist das periodische Pulsieren der Lippen der Generator, dafür ist m.E. kein periodischer Totalverschluss der Lippen in der Frequenz des gegebenen Tones erforderlich. Aber manche glauben das und ziehen Videoaufnahmen im Mundstück oder Röntgenaufnahmen als Beweis heran, allerdings konnte ich selbst auf diesen keinen Totalverschluss erkennen.
Eine weitere wichtige Frage ist die Richtung des Luftstromes: Upstream oder Downstream? Das hängt zum einen mit der Kieferstellung des Bläsers zusammen: Unterbiss oder Überbiss. Aber es ist komplizierter. Die normalen Schulen gehen davon aus, dass die Zähne von Unter- und Oberkiefer im Schneidezahnbereich übereinander ausgerichtet sein sollten. Der weithin verbreitete Überbiss erfordert dann, dass der Unterkiefer ein wenig nach vorne geschoben werden muss. Aber diese „künstliche“ Ausrichtung verändert natürlich auch die Bewegungsmodalitäten der Zunge, die ebenfalls eine wichtige Komponente beim Bläser darstellt, nicht nur zur Artikulation, sonder auch zur Mundraum-Resonanzbildung und Steuerung der Tonhöhe durch Luftstrahlkompression.
….auch wieder alles umstritten und mit Pro und Kontra behaftet. Am Ende muss man immer selbst Erfahrung sammeln.
Als geübter Analyst habe ich mich als Querflötist natürlich als „Downstreamer“ identifiziert, weil mein Luftstrahl durch die Lippen natürlich abwärts Richtung Kinn gelenkt wird….dort liegt die Blaskante der Querflöte. Die Unterlippe liegt etwas „gequetscht“ auf der hochtechnisierten Mundlochplatte, während die Oberlippe weiter nach vorne kommt.
Bei der archaischen Shalkuhachi stellt sich das Bild völlig anders dar: die Unterlippe ist ebenso frei wie die Oberlippe, und das instrument liegt nur am Kinn bzw. an den Zahnwurzeln des Unterkiefers an. Hier ist der Unterkiefer etwas vorzuschieben, schon um bei größeren Flötendurchmessern überhaupt die der Anblaskante gegenüberliegende Rohröffnung genügend abzudichten. Auch ist es ratsam, die Zungenspitze über den unteren Schneidezähnen in Kontakt mit der Unterlippe zu bringen: das entspricht in etwas dem, was auch die TCE-Schule der Trompete empfiehlt (Tongue Controlled Embouchure). Jedenfalls geht der Lutstrom dann eher Richtung Nase (upstream).
Will man nun höhe Töne erzeugen, muss die Lippenöffnung kleiner werden, und der Luftstrom so gebündelt werden. Dabei wird bei der Flöte der innere Teil der Lippen auch mehr Richtung Schneidekante bewegt. Beim Trompetespielen wäre das also gerade nicht ein zunehmendes „Einrollen“ der Lippen, sondern im Gegenteil. Lynn Nicholson hat hier den Ansatz von Maynard Ferguson analysiert und selbst erkannt, dass durch eine Art Ausrollen des Lippenzentrums im Mundstück mehr flexibles Lippengewebe auf diese Art zum Zuge kommt. Es handelt sich um ein bewusstes Ausrollen des Bereichs um die Lippenöffnung, nicht aber um einen „Kussmund“ ala Maggio im Ganzen. Der offensichtlich Vorteil: man kann durch Zusammenpressen der Lippen auf diese Art den Luftstrom nicht mehr unterbrechen….mit eingerollten Lippen kann man ihn leicht unterbrechen, was tatsächlich häufig die Höhe eines Bläsers einschränkt.
Hier kommt auch die Mundstückform zur Geltung: eine flache V-Form des inneren Kessels unterstützt das Entfalten dieses winzigen Luftkanals hinein in das Mundstück, ohne die Schwingung abzuwürgen (Bottoming out). Das ist für die meisten Bläser gewöhnungsbedürftig, denn eine klare Innenkante im Mundstück mit herkömmlicher Kesselform unterstützt die Tonbildung und Artikulation, vermindert aber die Ausdauer und den vollen Klang. Im Grunde führen konventionelle Kessel-Mundstücke dazu, dass man die Lippenöffnung im Mundstück bei höheren Tönen mit Muskelkraft verkleiner muss und nicht mehr die natürliche Innenbegrenzung des Mundstückes vollständig nutzt. Die V-Form bildet hingegen infinitessimal viele innere Mundstückränder, die immer enger werden, je mehr man die Lippenöffnung in das Mundstück sich entspannen lässt - jawohl: entspannen statt zusammenpressen um Höhe zu erreichen.
Große Mundstücke sollen einen besseren Ton liefern, so der Mythos. Aus meiner Sicht führen sie nur dazu, mehr Ansatzmuskeln zu benötigen und damit auch mehr Übezeit, um diese in Form zu halten. Manche Bläser blasen sich sogar so ein, dass das zu große Mundstück durch Lippenschwellung endlich passend wird - welch ein Drama!
Meine Theorie wird auch von dem bekannten australischen Trompeten-Pädagogen Greg Spence geteilt und er vermittelt viele wertvolle Tips auf seiner Website „mysterytomastery.com“.
Natürlich spielt hier auch das individuelle Klangideal eine Rolle. Eingerollte Lippen erzeugen eine andere Klangqualiät als relaxte Lippen: weniger Obertonspektrum. Das wird in der Klassik gegenüber kommerziellen Anwendungen bevorzugt und spielt eine Rolle bei der Dynamik zeischen laut und leise.
Ich vertrete den Standpunkt: Mundstück so klein wie möglich. Wer weniger Brillanz möchte muss lediglich die Kesseltiefe vergrößern. V-Cups sind zu bevorzugen, um relaxter spielen zu können: weniger „Ansatzmaske“ erforderlich…mehr Urlaub ohne Stress danach :-)
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