Faschismus, Narzissmus, Machogehabe….unsere Autokraten der Neuzeit

ILLUSTRATION BY MATTHEW FRENCH/THE GLOBE

Der Psychoanalytiker Erich Fromm wurde 2020 in einem YouTube Video zum Thema Faschismus und Autorität befragt. Ich möchte seine Argumentation aufgreifen und vertiefen. Erich Fromm ist für mich, seit ich sein Buch „Haben oder Sein“ damals in den 90ern gelesen hatte, einer von einigen unverzichtbaren Bezugspunkten für meine eigene Ausrichtung im Leben geworden.


Unser gegenwertiger Zeitgeist ist ja geprägt von Modetrends, hippen Events, digitaler Ablenkung und Selbstdarstellung wie Selfies, Status Meldungen in social Media, wie z.B.: was mache ich heute, womit beschäftige ich mich gerade wo auf dem Planeten, was erlebe ich gerade?


Erich Fromm spricht von einem tiefen, teils unbewußten Gelangweiltsein vom Leben an sich, mitten im größten Wohlstand. 


Gleichzeitig ist der Wohlstand nicht nur ein Ergebnis der jahrhunderte andauernden Ausbeutung anderer Menschen in unterentwickelten Regionen der Welt durch die wirtschaftlichen Gewinnernationen, die mit ihrem Imperialismus und Kollonialismus sich unterlegene Teile der Welt Untertan gemacht haben, er ist auch das Ergebnis einer kapitalistischen Leistungsgesellschaft, für welche die Anpassung an bestimmte Ziele und Ideale durch Konsum und Wachstum, einhergehend mit künstlichen Marktanreizen durch Konkurrenz statt Kooperation im Vordergrund stehen. Soziale Aspekte genießen hier nicht so sehr Berücksichtigung und Anerkennung, es sei denn im ehrenamtlichen und karitativen Bereich. Der Wert eines Menschen in der Leistungsgesellschaft bemisst sich überwiegend am Einkommen - das schließt von vorne herein soziales Engagement aus, denn hier muss man mit bloßer, nicht monetärer, gesellschaftlicher Anerkennung zu Frieden sein.


Das beginnt bereits im Elternhaus, setzt sich fort in den Schulen bis in den Beruf hinein, der selten noch bewußt gewählt, gewünscht oder erstrebt wurde, sondern eher den allgemeinen Gesellschaftszielen geschuldet wird: MINT Fächer in der Schule sind die politisch favorisierten, während Kunst, Musik, Kultur, Soziales sogenannten „Leistungsverweigerern“ und „Träumern“ vorbehalten bleibt, denn, der Wert einer Arbeit bemisst sich am Einkommen, und damit nicht am Enthusiasmus im ganzen Spektrum der Begabungsvielfalt, sondern nur dort, wo es die Wirtschaft offensichtlich voranbringt: in Naturwissenschaft und Technik und vielleicht noch im Wirtschafts- und Geldwesen. Freilich, es gibt Nischen: man könnte Blogger oder Influencer werden und damit Kohle machen. Aber diese Nischen werden quantitativ überschätzt und bedeuten ein qualitatives Disaster für die Menschheit.


Was hat das nun alles mit Faschismus und autoritärem Charakter zu tun? 


Die aktuelle Jugend gilt vielen Mitgliedern der Nachkriegsgenerationen bereits als faul, weil sie eine Work-Life-Balance einfordern. Lehrbetriebe bieten inzwischen die 4 Tage Woche an, um überhaupt noch Lehrlinge begeistern zu können. Die Jugend strebt an die Uni statt ins Handwerk. Kein Wunder, denn wo kann man das meiste Geld verdienen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen? Da ist doch ein Beratungsgespräch als Wirtschaftsberater im Kostüm oder Anzug deutlich attraktiver, und das Bankkonto zeigt am Ende des Monats auch deutlich bessere Salden.


In unseren Demokratien macht sich wieder eine Tendenz zum Nationalismus und Faschismus breit, während eingefleischte Autokratien ihren Anspruch auf Weltherrschaft neu formulieren. Alleine in Europa sind bereits einige rechtsorientierte Regierungen am Start, einige befinden sich noch auf dem Weg dorthin: man braucht wieder Führerpersönlichkeiten, die wissen, wo es lang geht. Man selbst ist überfordert im Umgang mit eigenen Zielen, sucht fremde Ziele sich zu eigenen zu machen, und versucht Desorientierung durch Gefolgschaft zu kompensieren…..genau das ist der Weg in den Faschismus.


Erich Fromm beschreibt den autoritären Charakter als einen, der sowohl sadistische als auch masochistische Verhaltensweisen zeigt. Fromm meint damit nicht im engen Sinne die sexuell ausgeprägten, pervertierten Machtphantasien, er meint eine Art „Trittbrettfahrertum“: „nach oben spuren, nach unten treten“.


Ein Sadist möchte seine eigene Ohnmacht durch Macht über andere kompensieren und benötigt hierzu ebenfalls ohnmächtige Menschen. Gerät er allerdings an ein Nicht-Opfer, kann dies umgekehrt zu einer Art Bewunderung führen und er unterwirft sich dann oft gerne selber und wird so zum Masochisten. Menschen, die nicht wirklich was mit sich und ihrem Leben anzufangen wissen, sind jene, aus denen sich faschistische Autokratien manifestieren.


Fromm kategorisiert weiterhin zwischen „offener“ Autorität und „verdeckter“ Autorität. Früher gabe es überwiegend offene Autorität: du machst was ich sage, sonst….ob bei den Eltern oder beim Boss bei der Arbeit. Der Vorteil einer offenen Autorität: man kann gegen sie rebellieren.


Anders bei der heute üblichen „verdeckten“ Autorität: man gibt sich als Eltern oder Chef wohlwollend, es wird nicht gleich mit Strafe oder Entlassung gedroht, es geht subtiler.


Fromm bringt das Beispiel, wenn Mutti von Hänschen möchte, dass er das Spinatgericht isst, so sagt sie heute nicht: „iss das bitte auf, sonst…..“, sonder sie formuliert: „Du darfst alles essen“ und macht dann ein trauriges Gesicht, wenn Hänschen nicht isst. Gegen ein trauriges Gesicht der Mutter kann Hänschen natürlich schlecht rebellieren.


Narzissmus


Diese Mechanismen etablieren auch eine gefährliche Form von Narzismus. Bei der narzistischen Persönlichkeitsstörung findet sich ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten), ein durchgehendes Bedürfnis nach Bewunderung und ein Mangel an Einfühlungsvermögen in andere. Personen mit dieser Störung legen ein übertriebenes Selbstwertgefühl an den Tag. Letztes Paradebeispiel dürfte der abgewählte US-Präsident Donals Trump sein. Dass er seine damalige Abwahl nie akzeptiert hat und auch nie akzeptieren wird und alles als Witch-Hunt und Verschwörung gegen seine Person interpretiert, gehört zu diesem narzistischen Muster. 


Die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki teilt in einem Interview zum Thema „Zeitalter der Narzisten - Leute wie Trump, Putin und Erdogan passen in die heutige Zeit“ die Auffassung:


„Narzisstische Menschen sind wie ein Fass ohne Boden. Sie haben keinen Boden, auf den etwas Positives fallen und Früchte treiben könnte. Sie brauchen immer wieder Zuwendung, immer wieder Bestätigung. Im Grunde suchen sie Liebe, aber sie bekommen Bewunderung. Und sie glauben Bewunderung sei Liebe.

Aber Bewunderung macht nicht satt, weil sich Bewunderung immer nur auf Äusserlichkeiten bezieht. Und Liebe hiesse «ich nehme Dich so, wie Du bist – und ich liebe Dich so, wie Du bist.» Das haben Narzissten in ihrer Kindheit nie erfahren und das suchen sie ein Leben lang.“


Derart charakterlich ausgestattete Menschen geraten mit ihrer Parolen, Behauptungen und Lügen schnell in das Bewußtsein von Menschen, die nach externer Führung suchen. Sie wollen sich im Sonnenlicht der Großartigkeit eines Führers selber großartig fühlen. Die Hälfte amerikanischer Bürger stehen weiter hinter Donald Trump, egal welche Verfehlungen er im Amt oder außerhalb des Amtes sich zu Schulden hat kommen lassen. Auch seine Unterstützung durch profitsüchtige Privatsender wie FOX bilden eine gefährliche Gemengelage aus sadistisch-narzistischen Größenwahn mit kapitalistischer, medialer Unterstützung. Ich habe dies bereits in einem Post genauer untersucht (April 2023: „Donald Trump - die unterschätzte Gefahr für Demokratie und Weltfrieden“).


Der Faschismus glaubt an eine bestimmte Art von Stärke und Überlegenheit über andere, meist auf die eigene Nation begrenzt und oft etnisch begründet. Gesellschaftliche Randerscheinungen haben für ihn kein Existenzrecht: Behinderte, LGBT, Leistungsschwache haben hier keinen Raum für Entfaltung. Wenn Floridas Gouverneur Ron De Santis für die Republikaner einen offenen Krieg gengen den Disney Konzern führt, wird dies deutlich: Disney hatte DeSantis' hoch umstrittenes Verbot, in Floridas Grundschulen sexuelle Orientierung und Transgenderfragen zu behandeln, öffentlich kritisiert. Seither heißt es vor allem in den überregionalen Medien, DeSantis wolle Disney den Sonderstatus allein aus Rachegelüsten entziehen. 


Faschismus ist immer intolerant gegenüber anders Denkenden und anders Lebenden. Er möchte Kontrolle über alle Lebensvorgänge, er hat Angst vor dem Chaos, vor Anarchie.


Philosophisch beschreibt Anarchie einen gesellschaftlichen Zustand, in dem staatliche Institutionen nur minimal Gewalt ausüben, und stattdessen eine maximale Selbstverantwortung des Einzelnen vorherrscht. Sie beschreibt also keinen „gesetzlosen“ Zustand, setzt aber insgesamt reifere Individuen voraus, als man sie gegenwärtig gemeinhin auf der Welt antrifft.


Aber eine solche Angst vor Anarchie, nur weil man andere Lebenskonzepte nicht tolerieren möchte, ist zutiefts irrational und oft auch religiös motiviert: da kann der russische Präsident zwar gegen westlichen Werteverfall am Beispiel der Schwulenehe wettern und dabei russisch-orthodoxe Glaubensinhalt bemühen, aber kann er sich denn wirklich sicher sein, dass in seiner Orthodoxen Kirche nicht ebenfalls wie in der Römisch-Katholischen Kirche die schlimmsten Befürchtungen bezüglich eines Mißbrauch von Schutzbefohlenen nicht auch an der Tagesordnung sind?


Meist sind es gerade derartig hohe Ideale von Reinheit und Stärke, die geradezu das Gegenteil erreichen. 


Der Faschismus taucht leider immer wieder auf, denn er ist das Resultat eines noch unreifen Menschen.


Die vielschichtigen Ablenkungsmanöver in modernen Gesellschaften machen seine Bürger nicht reifer, im Gegenteil.


Eine überwiegende Verwirklichung im „Außen“ führt uns immer tiefer in ökologische Krisen, denn im „Außen“ werden unsere begrenzeten Resourcen auf der Erde verbraucht: Himalaya-Tourismus, die Suche nach Erlebnis-Kicks im Außen durch Extremsport, das genießen wollen, es aber nicht wirklich zu können beschreibt den heutigen Normalmenschen. Menschen fliehen aus witschaftlichen Gründen nach Europa, sie wollen unseren Wohlstand. Wir, die wir im Wohlstand leben, wissen bereits nicht mehr die kleinen Dinge des Alltags zu schätzen und müssen ständig von einem Event zum nächsten hetzen. Es ist kein Fehler, Natur genießen zu wollen, aber muss man sich dazu immer weiter und immer öfter an entferntere und neuere Schauplätze der Erde begeben, mit ökologisch fragwürdigen Fortbewegungsmitteln? Zweimal am gleichen Ort Urlaub zu machen mutet fast schon an den damaligen Protest gegen das Establishment an: wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.  


Auf der anderen Seite gibt es Menschen in Hunger- und Kriegsbebieten, die an Ort und Stelle ausharren müssen und aber auch teilweise wollen, wenn man an die Ukraine denkt. Heimat ist oft eher eine innerliche Angelegenheit und kann nicht im Außen gefunden werden. Man kann auch nicht vor seinen persönlichen Problemen ins Außen fliehen, denn die Probleme im Inneren reisen immer mit.


Mir bleibt nur zu hoffen, dass wir Menschen zunehmend unseren inneren Weg finden, jeder von uns, frei von äußerer Manipulation, frei von inneren, psychologischen Defiziten unserer Kinder- und Jugendjahre, die wir oft mechanisch endlos wiederholen, zum Leidwesen nicht nur von uns selbst, sonder auch Anderer in unserem direkten Umfeld.

Lassen wir uns von diesen Herren nicht ins Boxhorn jagen….

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