Wieder einmal ein Beitrag zu meinem Lebens-on-and-off Instrument: Trompete.
Ich habe hier schon einige Beiträge eingestellt, auf die ich auch gerne verweise.
Heute möchte ich auf den Sound, also auf die klanglichen Färbungen des Trompetentones eingehen. Natürlich hat oder sollte jeder Trompeter seinen eigenen Ton entwickeln, aber es lassen sich grundsätzlich 3 Kategorien darstellen, die nicht unerheblich auch vom Equipment abhängen: Bauweise von Trompete und von Trompetenmundstück.
Da ich mich persönlich wenig auf der Trompete mit der Klassik beschäftigt habe, werde ich mehr Worte über die Jazz- und die Commercial Trompete verlieren. In der Klassik werden gerne auch eher die Drehventil-Trompeten verwendet statt die jüngeren Perinetventil Trompeten.
Im Jazz liebt man in kleinen Formationen wie Trio, Quartet und Quintet eher den warmen, rauchigen Klang, während in den größeren Formationen wie z.B. der Big Band eher der strahlende Klang Anklang findet.
Es ist auch logisch, dass in Bläsersätzen mit mehreren Blech-Bläsern die Instrumente und deren Spielweise aufeinander abgestimmt sein sollten. Es macht keinen Sinne, wenn im Trompetensatz zwischen 1. und 4. Trompete erhebliche Klangabweichungen vorliegen: man möchte einen harmonischen, ausgeglichenen Gesamtklang.
In der Big Band sieht das bereits anders aus: da soll zumindest die sogenannte Leadtrompete durchaus auch überstrahlende Qualitäten haben.
Der Begriff „Commercial“ grenzt eine Gruppe von Klangidealen gegenüber dem klassischen Trompetenklang ab. Hierunter kann man moderne Musikformen aus Rock, Pop, Unterhaltung, Musical als auch Big Band verstehen.
Ich persönlich fand meinen Weg zur Trompete nach erstem Kontakt mit Club-Jazz (wärmer Klang) bald schon im strahlenden Klang der Leadtrompete, der mich seitdem faszinierte: Maynard Ferguson (MF) war in den 70er Jahren bereits mein Held und ist es bis heute geblieben. Big Band sound begleitete mich seit meinen Kindheitstagen durch amerikanische Serien und Spielfilme.
MF überzeugte seit seiner frühen Jugendzeit bei Bands wie Stan Kenton für Showeinlagen eines Trompetenspiels bis in die höchsten Trompetenlagen. Jeder Trompeter strebt eigentlich, ob offen oder geheim, die Beherrschung des hohen Registers an: wir reden daher vom Tonbereich zwischen C3 und C4.
Für die meisten Trompeter in örtlichen Blasorchestern dürfte das C3 bereits eine Herausforderung darstellen. Aber wirklich melodisch mit Ausdruck auch im Altissimo Bereich spielen zu können, bedarf bestimmter Skills, über die MF besonders verfügte.
Schnell kommen Vorurteile darüber ins Spiel, worin das Geheimnis dieser besonderen Fähigkeiten liegen könnte: „der hat einen Naturansatz“. Ich habe mich ausgiebig mit MF, seiner Trompetentechnik und seinem Equipment beschäftigt, und dabei auch z.B. von Lynn Nicholson persönlich entsprechende Bestätigung erhalten: Maynard hatte sich von Anfang an mit Mundstückformen auseinandergesetzt, die er selbst nachträglich bei gekauften Mundstücken modifizierte: sein erstes war ein Rudi Muck, dessen Rand er soweit herunterfeilte, bis nur noch der flache, tiefer liegende V-cup förmige Teil, der in die Bohrung mündete, übrig blieb. Einen Innenrand im Mundstück hat er völlig abgerundet. Aus dieser Marke Eigenbau wurde in den 60ern sein von Dominic Callichio konstruiertes Mundstück, von dessen Form er bis in die späten 90er nicht mehr abgewichen ist, sondern dass er nur weiter optimierte. Es wurde von der Fachwelt später als „Holy Gral“ (HG) betitelt.
Über seine Biografie erfährt man, warum er diese spezielle Art von Mundstück bevorzugte: er wollte vermeiden, dass die Lippen zwischen Zähnen und Mundstück abgeschnitten werden und sein spezieller Ansatz durch die konische, flache Innenwandführung des Mundstücks unterstützt wird. Was aber nun macht seinen Ansatz so speziell? Lynn Nicholson bezeichnet ihn als „unfurled“ oder „entfaltet“, was meint, dass der innere Teil der Lippen den Arperture-Tunnel bildet. Arperture beschreibt die Form der Lippenöffnung innerhalb des Ansatzes, indem die Schwingung initiiert wird. Geht man von zwei möglichen Extrempunkten der Lippenspannung aus, so kann man die Lippen als entweder „eingerollt“ oder „ausgerollt“ bezeichnen. Extrem ausgerollt wäre der sogenannte „Kussmund“, während extrem eingerollt der „Wut- oder Anstrengungsmund“ …. „unfurled“ meint aber einen dritten Weg.
Die günstigste Ausgangsstellung der Lippen vor dem Aufsetzen des Mundstücks ist die Mundstellung, die ein „M“ artikulieren könnte. Nun wird es subtil: während man bei der Bildung des „M“ die beiden Lippen zunehmend gegeneinander presst, versucht man gleichzeitig mehr das innere Material bei der Lippenöffnung nach außen zu bringen. Hierzu ist eine gewisse Anspannung in den Mundswinkeln erforderlich. Die Kontrolle, ob man es richtig macht: egal wie stark man die Lippen aufeinander preßt, man kann immer noch Luft durch sie hindurchführen! Rollt man die Lippen dabei zu stark ein, wird der Luftfluss unterbrochen und ein Ton würde unterbrochen - das Hauptproblem bei vielen Trompetern, die im Altissimo nicht spielen können.
Die so erzeugt Soundqualität des inneren Lippenfleisches in einem dazu kommenen flachen Mundstückkessel ist natürlich strahlender, fetziger, und bestimmt kein rauchig warmer Trompetenklang. Auch die Dynamik zwischen laut und leise ist natürlich schwieriger herzustellen. Dies ist eine Frage der Stütze, eines Ausgleichs der subtilen Druckverhälnisse im gesamten Körper.
Der konische Verlauf des v-förmigen, flachen (!) Kessels unterstützt und führt diesen „unfurled“ Lippenteil automatisch immer enger, je mehr Höhe man durch mehr Atemdruck erreichen möchte. Klar, dass natürlich auch der Innendurchmesser des Mundstücks eher im „engeren“ Bereich als herkömmlich liegt: MF spielte immer um die 15 mm (.590 inch), obgleich er über dickere Lippen verfügte, die bereits in Normalszustand das innere Lippenrot zeigten. Maynard kam auf dieses enge, v-förmige Format über sein Experimentieren mit Hornmundstücken. Die Ansatzform wird auch als „Einsetzen“ bezeichnet, entspricht aber nicht ganz dem „unfurling“.
Bei dieser Spielweise ist natürlich der Übergang vom Mundstückinnenrand in den v-förmigen Kessel von substantieller Bedeutung: der sogenannte „hohe“ Alpha-Angel. Er ist bei MF so hoch, dass viele Normaltrompeter sofort attestieren: auf sowas kann man doch nicht spielen - aber man kann! Es braucht allerdings viel Übung und subtile Selbstbeobachtung, die sich am erzeugten Klang orientiert. Jeder Übergang von einem Ton zum nächsten ist am Anfang eine Herausforderung, mehr als beim klassischen Ansatz. Man kann sich schon mal ein viertel Jahr lang wieder wie ein Anfänger anhören, aber mit der Zeit stimmt sich dieses intelligente System intuitiv ein.
Mundstücke mit klarer Innenkante und großem Innendurchmesser sind großzügiger bei der Leichtigkeit der Tonerzeugung als diese MF Konfiguration. Aber die Mühe lohnt sich.
Maynard hat das Design seiner Mundstücke im Laufe der Jahre vervollkommnet: aus den frühesten, flachen V-cups mit leicht konkaver Gestaltung wurden strickte v-cups bis hin zu konvexen v-cups, bei denen der Übergang Innenrand zum v-cup überhaupt nicht mehr wahrnehmbar ist. Ich halte seine Mundstücke der späten 60er bis vor Ende der 70er (FBL, Holton) für den Normalverbraucher als machbar. Die späteren konvexen Jet-Tone sind da schon eine andere Herausforderung.
Kommentar schreiben