Ich habe vor vielen Jahren häufig in einschlägigen Fachforen für Trompete auch international gepostet und mich dort überwiegend mit Ansatztechniken und Mundstück Designs beschäftigt.
Mir fiel bereits früh auf, dass ich extrem sensibel auf unterschiedliche Mundstücke für Trompete reagierte: sie konnten darüber entscheiden, ob Töne klar und leicht zu erzeugen waren, oder eben nicht. Ich war auch immer überzeugt, das es sich damit so verhält wie bei Schuhen: sie müssen individuell einfach passen und Konfektionsware mit generellen Größenrastern sind dabei nur eine Richtschnur, maßgeschneidert wäre natürlich optimaler, wenn man sich das leisten kann.
Die Mundstücke, die oft mit Anfängertrompeten ausgeliefert werden sind meist in der Größe Bach 7c, also mit einem Innendurchmesser von ca. 16,2 mm oder 0,638 Zoll, für Anfänger zu tief und innen zu scharfkantig. Bach Mundstücke sind hinsichtlich ihrer Maße auch sehr unzuverlässig. Man benötigt eigentlich ein Maßsystem, bei dem die wichtigsten Parameter getrennt dargestellt werden:
Innendurchmesser: groß, klein
Randbreite: dick, dünn
Randform: rund, flach
Kesselform: C- oder V- Form
Kesseltiefe: flach, tief
um die gebräuchlichsten zu nennen.
Hinzu kommen noch entscheidendere Parameter wie Eintrittswinkel vom Mundstückrand in den Kessel (Alpha Winkel), höchste Stelle auf dem Rand (High Point), Innenkante des Randes scharf oder rund usw..
Alle diese Parameter haben immer zwei Seiten: sie können die Artikulation unterstützen, sind dann aber beim Tönebinden problematischer, sie können den Klang beinflussen: breit oder warm usw.. Es macht einen Unterschied, ob man Leadtrompete in einer Big Band spielen möchte, oder lieber in einer kleinen Jazz Combo, in einem Blasorchester oder etwa im klassischen, sinfonischen Bereich.
Es verhält sich mit dem inneren Mundstückrand hinsichtlich der schwingenden Lippen wie bei einer Türe: es gibt einen Anker oder Angel- und Drehpunkt (Alpha Winkel), den schwingenden Teil selbst und einen Stoppunkt. Wird der Stoppunkt überschritten, bricht der Ton ab und man nennt das bottoming out. Das hängt dann auch vom Ansatz ab, nämlich wieviel Lippenmaterial ins Mundstück eindringen kann oder soll. Der Trompeter regelt das auch mit der Art seines Ansatzes, indem er die Lippen aus- oder einrollt.
„auf Messers Schneide meint“, dass dieser Angelpunkt bei jedem Menschen physiologisch anders benötigt wird, denn die Muskulatur der Lippen und das schwingende Lippengewebe sind bei jedem anders ausgeprägt, und damit ist nicht gemeint, wieviel bereits am Ansatz gearbeitet wurde. Die Lippen müssen an ihren Endpunkten gegeneinander fixiert werden können, ohne den mittleren, schwingenden Teil erstarren zu lassen. Gleichzeitig muss der schwingende Teil dennoch über die Motorik beeinflusst werden können, um Klangcharakteristik und Tonhöhe regeln zu können.
Das hört sich kompliziert an, ist aber meistens unwillkürlich und intuitiv spürbar und die reine Tonvorstellung erzeugt im Körper dann bereits die notwendigen physiologischen Veränderungen.
Von großer Hilfe ist hierbei aber die Gestaltung des Mundstücks im Detail. Es gibt Mundstücke, die dem Körper mehr darin unterstützen, diesen bei jedem Ton neu zu erzeugenden Gleichgewichtszustand der komplizierten Schwingungs- und Druckverhältnisse intuitiv herzustellen.
Dieser Zusammenhang wurde mir besonders klar, als ich mich mit den Mundstücken von Maynard Ferguson (MF) beschäftigte. Nun ist MF natürlich kein Vorbild für einen sinfonischen Klang, sondern für einen Frontman in einer Big Band: ein breiter, schneidender Trompetenklang der über die gesamte Big Band erstrahlt ist gewünscht. In einem Blas- oder Sinfonieorchester wäre das ein NO GO.
Aber gerade hier gibt es immer noch viele Mißverständnisse: man meint, kleinere Mundstücksdurchmesser können keinen dunkleren, warmen Klang erzeugen. Und umgekehrt: nur flachere Kessel können im hohen Register unterstützen usw.. Die Sache ist nicht so banal, aber doch einfacher.
Der „breite“ Klang gegenüber einem „dunklen, warmen“ Klang hängt wesentlich vom Alpha Winkel ab und in zweiter Linie von der Kesseltiefe. Der größere Tonumfang hängt mehr vom Innendurchmesser ab: auf großen Durchmessern kostet Höhe viel Kraft, auf kleinen eben nicht.
Je höher der Alpha Winkel, desto „breiter“ wird der Klang. MF hat dies in den 80ern durch sein neues Design geschickt zu nutzen gewusst: mit dem Wechsel von Holton zu Jet-Tone veränderte er sein Mundstückkonzept.
Am Anfang seiner Karriere spielte er flache, wenig konkave V- cups, aber immer mit runder Innenkante: er hat das Mundstück mehr gegen die Lippen gepresst als manch anderer und wollte vermeiden, dass die Durchblutung der Lippen abgeschnitten wird. Ein sehr flaches V-cup hat automatisch einen hohen Alpha Winkel, der für viel Breite im Klang sorgt. Und seine kleinen Mundstücksdurchmesser (ca. 15 mm, 0,610 inch) sorgten für das sichere Spielen in den hohen Lagen. Der Flache Kessel unterstützte dies natürlich zusätzlich.
In seiner Phase in England und Europa Ende der 60er und Anfang 70er hat er mit den FBL Mundstücken wieder eher tiefere Kessel in V-Form verwendet, diese waren nun strikt V-förmig, also weder konvex noch koncav.
Dabei ging „etwas“ Höhe verloren, aber der Klang war voller.
Nach seiner Rückkehr in die USA 1973 wählte er wieder flachere Kessel (Holton MF3) bis er Ende der 70er Jahre mit der Firma Jet-Tone die konvexen V-förmigen Kessel entdeckte: sie boten den Vorteil im Ansatzbereich wie ein flacher V-Kessel zu wirken und im weitern Kesselverlauf aber wieder steiler und tiefer zu werden. Ein intelligentes Konzept, für viele aber waren diese Mundstücke nicht spielbar, da man gewohnt war, die Lippen mit dem Mundstück an bestimmten Punkten zu verankern, was nun unmöglich schien, da jegliche Innenkante fehlte.
Ich selbst habe mit allen seinen Mundstückbauformen experimentiert. Die konvexen V-cups waren anfänglich immer verblüffend einfach zu spielen, wenn die Lippen entspannt waren, z.B. nach einer längeren Spielpause. Das Phänomen wurde auch von Maynards Bandkollegen beobachtet: er konnte nach Touren wochenlang ohne Trompete sein und dennoch aus dem Stand seine normale Form abrufen - das können heute wenige Trompeter!
Natürlich spielt auch die größe der Bohrung vom Kessel in den Mundstückschaft und die Gestaltung dey inneren Schaftd (Backbore) eine wichtige Rolle. Hier wird besonders der Blaswiderstand im System geregelt: manche Trompeter kieben einen freieren Luftfluss (große Bohrung), andere benötigen mehr Widerstand beim Blasen (kleine Bohrung).
Aber etwas Platzierungssicherheit auf den Lippen benötige ich auch und bin daher wieder bei den MF Mundstücken der 60er gelandet, besonders das tiefere FBL TD. Es gibt auch ein FBL TM (Trumpet Medium) das etwas flacher als TD (Trumpet Deep) ist. Die FBL sind inzwischen selten, denn sie wurden nur zwischen 1967-1970 produziert.
Konventionell sind die Lippen so stark eingerollt, dass mit dem Zusammenpressen der Lippen die Luft gestoppt werden kann.
Unkonventionell (unfurled) kann durch das Pressen der Lippen aufeinander die Luft durch sie nicht gestoppt werden!
Mit dieser Technik und mit geigneter „Hardware“ (Mundstück v-cup design mit sehr hohem Alpha Winkel like Maynard) erzeugt man einen resonanten und gleichförmigen Klang in allen Registern. Lynn spricht von Mindless Hardware Methology!
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