Atomausstieg auf Bayrisch - oder - wie man mit Biertisch- und Stammtischparolen Aufmerksamkeit erringen kann

Markus Söder, der selbsternannte „Führer“ des „politischen FC Bayern“, hat wiedermal bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt - eigentlich will er aber nur für sich selbst bei der Bayernwahl 2023 punkten:


Er will die nun erfolgte Stilllegung auch seines bayrischen AKW Isar 2 durch die grünen Falschdenker in der Ampel in Berlin partout nicht hinnehmen und fordert künftig Länderzuständigkeit für die Weiterbetreibung von AKWs als Brückentechnologie statt Kohleverstromung.


In der Sendung „Bayern Agenda“ vom 18.4.2023 von München.tv zeichnet er ein düsteres Bild für den kommenden Winter für die aus seiner Sicht völlig hirnrissige Abschaltung der Atomkraft zum jetzigen Zeitpunkt, die ja eigentlich auch von der CDU seinerzeit mitbeschlossen wurde, aber von der Ampel wegen dem Ukrainekrieg bereits einmal hinausgezögert wurde. Söder will mehr: Atomenergie bis 2028.


2011 hatte Söder noch, damals als Bayrischer Umweltminister, ob der Gefahren dieser Technologie und des Mangels an Endlagern für einen Atomausstieg in Bayern für 2022 plädiert und der bayrischen FDP, die erst 2025 den Ausstieg wollte, selbst sogar mit seinem Rücktritt gedroht - woher also dieser Sinneswandel?


Wie urteilt  der Kabarettist Urban Pirol  über die Person Markus Söder so treffend: „Herr Söder ist ein Ankündigungsweltmeister“, und er listet gleich auf, was Söder schon angekündigt hatte, und was bisher nie zu einem brauchbaren Ende gebracht wurde:


  • Magnetbahn Transrapid 2008 vom Flughafen zum Bahnhof München, gescheitert am Widerstand der bayrischen Gemeinden
  • sein „Space-Valley“ Projekt rund um die Weltraumrakete „Bavaria One“ um Bayern zu einem Hightech Provider zu transformieren 
  • Herstellung des russischen Corona-Impfstoffes Sputnik V in Bayern; mit dem Einmarsch der Russen in der Ukraine hat er das Projekt gestoppt.


Was aber sind nun Söders Argumente zur vorübergehenden Beibehaltung der Atomenergie, die ja auch von der FDP propagiert wird?


Er wirft der Ampel, speziell den Grünen eine Art „Doppelmoral“ vor, wenn sie zwar für den Klimaschutz eintreten, dann aber Kohlekraftwerke als Brückentechnologie zu erneuerbaren Energien propagieren, statt den „sauberen“ Atomstrom vorübergehend weiter zu nutzen. Da werden Vergleiche bemüht wie: diese weitere Verstromung von Kohle statt Atomstrom würde uns zusätzlich 1/3 CO2 Ausstoß kosten, die unser heutiger Pkw-Verkehr bereits verursacht. Dass die Klima-Kleber-Terroristen aber bereits deshalb ein Tempolimit gefordert hatten, das diese vorübergehende Belastung kompensiert hätte, will er nicht erwähnen - gleich wie die FDP Strategen, die lieber auch nach 2035 noch mit ihren Porsches und Efuels unterwegs sein wollen und dafür im letzten Moment europäische Entscheidungsprozesse durcheinanderbringen …wo ist die Doppelmoral bitte tatsächlich?


Da wird von Söder ein Horrorszenario für den kommenden Winter aufgebaut: Stromausfälle, nicht mehr bezahlbare Strompreise - der einigermaßen sorglos abgelaufene Winter sei ausschließlich meteorologisch zu begründen und auf das Wetter könne man sich im kommenden Winter nicht verlassen. Söder spricht von einer fehlenden Sicherheit für eine Grundversorgung mit Strom, die bei Windkraft und Sonnenkraft, also bei erneuerbaren Energien, ja nicht gegeben wäre. Ist das so? Das Wasserstoff-Speicherkonzept, die Erstellung einer Stromnetzstruktur bis nach Bayern hat er kategorisch in den letzten Jahren abgelehnt, um bloß keinen Windstrom aus dem Norden bekommen zu müssen. Dass dort aber oft Windräder abgeschaltet werden müssen, weil zu viel Strom erzeugt wird, den man z.B. nicht in Richtung Süden der Republik loswird, erwähnt er nicht. Seine Worte: „Im Norden pfeifts, im Süden scheints“ sind zwar korrekt, aber dass ein bundesweites Verteilungskonzept von erneuerbaren Energien dennoch neben der vor Ort Erzeugung sinnvoll sein könnte, will er nicht wahrhaben.


Den Brennstoffabfall beim Atomstrom sieht er neuerdings auch nicht mehr wirklich als Problem an. Endlagerung für 1 Millionen Jahre sei quatsch und die Wissenschaft wird schon was erfinden, um das Problem zu lösen….hört sich nach FDP an: wir vertrauen auf die zukünftige Innovation unserer Wissenschaftler und unserer Startups….man glaubt nicht mehr nur an den Papst, nein, man glaubt auch an die zukünftigen Daniel Düsentriebs, die auf wundersame Weise schon eine technsiche Lösung finden werden.


Söder wirft der Ampel auch Doppelmoral vor, weil Fracking-Gas aus USA bezogen wird, anstatt in NRW endlich deutsches Fracking selbst zu betreiben, und dass wir Atomstrom aus Frankreich beziehen statt in selbst weiter zu erzeugen. Dass Frankreich einige seiner ca. 50 Atomstrommeiler wegen der Klimakrise im letzten Sommer mangels vorhandenem Kühlwasser und niedriger Flussstände abschalten musste ignoriert er geflissentlich.


Und da wäre ja noch Atomfusion statt Kernspaltung, was ja bei den Grünen auf taube Ohren stoßen würde. Ist das wirklich so? Sind andere tatsächlich nicht so technologieoffen wie der bayrische Ministerpräsident? Wer zu offen ist, ist nicht ganz dicht, sagt man.


Und vorallem ist Atomstrom eigentlich kaum bezahlbar, auch das verschweigt er, auch wenn er das Endlagerproblem vermutlich darin sieht, seinen zukünftigen bayrischen Atommüll dann vielleicht mit der Bavaria One auf den Mond zu schießen.


Und da wäre noch der TüV-Süd, auf dessen Aussagen man in Bayern vertraut, was die Sicherheit der Weiterbetreibung von Isar 2 betrifft. Dass die TüV-Süd Begutachtung bereits einmal versagt hat bei dem großen Staudammunglück in Brasilien 2019 verschweigt er ebenfalls.


Also: möge Herr Söder mit seinem zugegeben glänzenden Intellekt doch bitte seine politischen Ambitionen weiter ausschließlich in bayrischen Festzelten ausleben, wo er offensichtlich die Fürsprecher bekommt, die er braucht.

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