Ostermärsche - Ostermärchen statt Sommermärchen?

Die Friedensbewegung - und auch ich gehöre ihr seit früher Jugend an, wenn ich mich an meine Proteste gegen die Aufstellung der Pershing-Raketen in Deutschland erinnere - steht vor einer schwierigen Aufgabe, denn erstmals seit 1963 nach nun 60 Jahren geht es nicht nur um die Stationierung von Atomraketen der NATO auf deutschem Boden in Zeiten eines Kalten Krieges, nein, diesmal wütet ein heußer Krieg mitten in Europa, direkt an den Grenzen unserer europäischen Freunde.


Diesmal wollen wir aber keine Atomwaffen bei uns oder unseren NATOverbündeten in Stellung bringen, nein, diesmal wollen wir lediglich der überfallenen Ukraine u.a. auch Waffenhilfe leisten.


Das Teilwort „Waffen“ in „Waffenhilfe“ schmeckt vielen Friedensbewegten offensichtlich nicht: eine leichte Mehrheit der Deutschen ist inzwischen gegen weitere Waffenlieferungen, getrieben durch eigene Ängste, der Krieg könne uns bald mehr betreffen als die Ukraine selbst, aber gleichzeitig auch verleugnend, was denn die Konsequenzen eines Lieferungsstops von westlichen Waffen an die Ukraine für diese tatsächlich bedeuten würde.


Ein Kritiker fasst das so in Worte: Die Einstellung von Waffenlieferungen an die Ukraine ist bestenfalls naiv, schlimmstenfalls verantwortungslos!


Angst ist ein schlechter Ratgeber und Befürchtungen sind schnell geäußert, ohne tatsächlich ein Für und Wider von Waffenhilfen realistisch abzuwägen.


Und so sind die gegenwärtigen Friedensaufrufe, die endlich wirksame Verhandlungen fordern, und diese sich nur bei ruhenden Waffen sich vorstellen können, nicht realistisch und praktisch - sie sind lediglich Gesinnungsethisch.


Man fühlt sich erinnert an Münteferings Urteil über Frau Strack-Zimmermann: „…alles nur Empörungsritual und Schnappatmung…“, nur diesmal auf der Seite der Waffengegner.


Ja, wir sind alle empört, wenn täglich Menschen durch Waffen sterben, und wir sehnen uns alle nach Frieden. 


„Stellt euch vor, es wäre Krieg und keiner geht hin“? Das ist der kritische Punkt, nämlich „keiner“! Ich kenne zumindest einen, der dennoch hingeht: Putin.


Zwar nimmt die Putin-Flucht in Russland gehörig zu: inzwischen wird Thailand von Russen mit Oneway-Tickets überflutet, aber die wohlhabende Machtclique rund um den Kremel und der Staatsduma, die alle ihre eigenen Söhne natürlich keinesfalls an die Militärische Spezialoperation verschwenden wollen, sind jene, die ebenfalls keinesfalls diesem Aufruf w.o. folgen werden.


Wir Deutschen lieben ein Sommermärchen, wenn es den Fussbal betrifft, aber wir sind auch sonst anfällig für Märchen, die in modernen Zeiten auch als „Narrative“ bezeichnet werden.


Putin und sein Gefolgsleute sind aktuell die größten Märchenerzähler was diese modernen Narraive betrifft, und wir Deutschen glauben diese brav: der Westen ist eigentlich Schuld an seiner tragischen Umorientierung, die ihn zum Überfall auf einen friedlichen Nachbarn Ukraine veranlasst hat, rein aus Verteidigungsgründen gegen eine zunehmende westliche Bedrohung, die Russlands Existenz bedroht natürlich.


Aber über diese Form der historischen Läge habe ich bereits fundierte Posts geschrieben und ich möchte sie hier nicht wiederholen.


Viel habe ich auch schon geschrieben über realistische Einschätzungen von Bedrohungen und von welcher Seite her sie tatsächlich drohen: wenn derjenige, der Gewalt über Recht setzt statt Recht über Gewalt, dann auch noch Recht behalten sollte mit seinem Handeln, dann erst eskaliert der Krieg in der Ukraine wirklich.


Wie behält derjenige aber, der Gewalt über Recht setzt, nicht Recht? Indem er mit Gegengewalt aufgehalten wird. Das ist weder unchristlich noch unpazifistisch - Argumente hierzu können bei unserem ehemaligen Bundespräsidenten Gauck nachgelesen werden, der als Pastor erfolgreich bei den Protesten in der damaligen DDR mitwirkte - also einer, der nie im Ruhekissen westdeutscher Behaglichkeit unter amerikanischen Schatzschirmen eingeschlafen ist, wie derzeit viele Intellektuelle aus dem Lager der Philosophen, Theologen, Schriftsteller und Künstler in Deutschland. 


Wenn Russland und Belarus im Verbund mit China ein eigenes Werte- und Wirtschafts- und Machtsystem in Form von Autokratien installieren wollen, einen Gegenentwurf zu unserem westlichen auf Demokratie beruhenden Systemen, so tun wir gut daran, den zweitgrößten Flächenstaat im Osten von Europa nicht im Stich zu lassen.


Im Stich lassen würden wir die Ukraine, wenn wir ihr keine Waffen mehr liefern würden, denn was dann passieren würde ist weitaus evidenter und gefährlicher auch für uns Deutsche selbst aber auch für Europa, als alle Szenarien, die bei weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine das Schlimmste annehmen. 


Man kann derzeit nicht mit einer Staatsführung verhandeln, die klare Eroberungsabsichten mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verfolgt, mit einer verbrieften, aktenkundigen Ideologie seines Führers hinterlegt, die inzwischen ganz offen Kriminelle und Verurteilte als Helden feiert.

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