Vorgeplänkel..
Seit früher Jugend war die Musik und insbesondere das Musikmachen mein seelischer Dreh- und Angelpunkt. Ich war nie ein fleißiger Radiohörer oder einer, der den mainstream Angeboten an Musik in der Gesellschaft in Funk und Fernsehen folgte oder die aktuellen Hits und ihre Schöpfer und Interpreten buchstabieren konnte - mein Interesse war immer mit ganz bestimmten Musikern verbunden, die „zufällig“ in mein Leben traten und eine bestimmte Faszination auf mich ausübten.
Stark beeinflusst haben mich seit früher Kindheit allerdings Filmusiken von Fernsehsendungen englischer oder amerikanischer Herkunft, meist Krimiserien wie „Die Straßen von San Franzisko (The Streets Of San Francisco)“, „Der Chef (Ironside)“, „Kobra Übernehmen Sie (Mission Impossible)“ usw. die sich bestimmter Big Band Arrangements bedienten.
Das erste Instrument, mit dem ich in Berührung kam, war die akkustische Gitarre, schlicht weil sie im Zimmer meines älteren Bruders Rüdiger herumstand. Rüdiger spielte Songs von Donovan, Leonard Cohen, Bob Dylan, und in seiner politischen Phase auch von Franz Josef Degenhardt. Hier fungierte die Gitarre als reines Begleitinstrument mit einer handvoll Akkorden in den ersten fünf Bünden und gegebenenfalls unter Verwendung eines Kapodasters, um die Tonlagen zu variieren.
So war die Gitarre auch für mich zu Beginn ein reines Begleitinstrument bei Songs von Donovan, Joan Baez, America, Crosby, Stills, Nash and Young über Songs von Emmerson Lake and Palmer bis hin zu Chris de Burgh. Langsam aber interessierten mich zunehmend auch solistische Spielweisen der Rock-Ära, und ich eiferte fleißig meinen Idolen Rory Gallgher, Jimy Hendrix, Eric Clapton, Alvin Lee und Ritchie Blackmore nach, parallel entwickelten sich bei mir aber auch bereits erste Formen des instrumentalen Jazz aus, z.B. durch den Brasilianer Baden Powell. Meine Liebe zur damaligen Rockmusik wurde bald ersetzt durch Jazzgitarristen wie Barney Kessel, Joe Pass, Herb Ellis, Howard Roberts, Kenny Burell, Tal Farlow und JonMcLaughlin. Das war in den frühen 70er Jahren, ich war gerade mal 17 Jahre alt.
Kein berühmtes Solo war mir damals zu schade, um es nicht Rille für Rille von den LPs herunterzuhören und nachzuspielen. Da beendete ich gerne so manchen Kneipenabend mit meinen Kumpels vorzeitig, um lieber meinen neuen Idolen nachzueifern.
Während also die Gitarre quasi vorherbestimmt in mein Leben trat, nach Aussagen meines Bruders bereits als noch Ungeborener durch die ersten Versuche meiner mit mir schwangeren Mutter und später durch ihn selber, trat die Trompete eher „zufällig“ in mein Leben und begleitete mich in den folgenden 40 Jahren in Form einer eigenartigen Hass-Liebe, quasi in einer permanenten On-Off Beziehung: dem Sound, vorallem im Jazz, galt meine ganze Liebe, aber die technische Auseinandersetzung mit diesem widerborstigen Instrument brachte mich oft zur Verzweiflung und so ist es erklärlich, dass ich das Trompetenspiel duzende Male aufhörte nur um später wieder erneut anzufangen - the never ending Story.
Ich interessierte mich gerade für den Jazz-Gitarristen Charly Byrd, der ähnlich wie Baden Powell Fingerstyle Jazz auf der Konzertgitarre spielte. Ich wünschte mir damals eine LP von ihm und meine Tante schenkte mir stattdessen eine Platte von Donald Byrd - knapp daneben: Donald Byrd war ein Jazz-Trompeter des Hardbop Jazz-Stils.
Aber wie das Leben so spielt, fortan begeisterte mich dieses Blechblasinstrument mit seiner Ausdrucksmöglichkeit beim reinen Melodiespiel. Es folgten bald Platten von Dizzy Gillespie, Maynard Ferguson und schon fand ich mich in einer Faszination für Big Band Musik wieder.
Auf der Gitarre selbst faszinierten mich bereits früh die „krummen“ Akkorde, alterierte, verminderte und übermäßige Akkorde, und nun beim Spielen eines reinen Melodieinstruments, war der orchestrale, arrangierte Klang von Bib Band Arrangements meine neue Welt geworden oder eben diese lyrischen Melodie-Linien eines Chet Baker, Miles Davis usw..
Ich durfte dann in Stuttgart auch Mitte bis Ende der 70er alle großen Bigbands mit Weltniveau in einem Stuttgarter Club (AT Musikpodium) live miterleben, sei es Clark Terry, Mel Lewis/Thad Jones oder Peter Herbolzheimers Rhythm Combination and Brass. Natürlich habe ich auch einen Liveauftritt von Chet Baker 1976 dort nicht verpasst. Baker war gerade nach Europa zurückgekehrt, und ich befand mich gerade am Ende meines Zivildienstes.
Ich konnte kaum die Trompete richtig halten, da wurde ich auch schon von der lokalen Rockband Argo in Stuttgart für einen Bläsersatz angeworben, bestehend aus einem Saxophon und einer Trompete - man wollte sich Richtung Blood Sweat and Tears entwickeln. Ein Liveauftritt im Stuttgarter Sudhaus 1978 fand danach auch Erwähnung in der Stuttgarter Zeitung: „Ansatz zu Profil“ - Rockjazz im Sudhaus. Der Saxophonist Jürgen Dautel war ein erklärter Coltrane Fan und mich faszinierten gerade Miles Davis und Dizzy Gillespie.
Die Leidensgeschichte begann….
Das war natürlich alles noch sehr rudimentär von meinen trompeterischen Fähigkeiten her. Aber ich nahm dann konsequent Unterricht beim Stuttgarter Jazztrompeter Frederic Rabold, dem ich viel verdanke. Meine Vorliebe für hohe Töne a la Maynard Ferguson brachte mich zur Methode „Double High C in 37 Weeks“ von Roger W. Spaulding, die ich fast konsequent mit ihm durchzog, mit eigentlich gutem Erfolg auch zu seinem Erstaunen, wäre da nicht das ständige Experimentieren mit Mundstücken während dieses Zeitraumes gewesen. Spaulding brachte mich als erster zur Verwendung von Mundstücken mit V-cup. Das war auch das Geheimrezept von Maynard Ferguson, der beinahe lässig die Trompete in allen Oktaven beherrschte.
Mundstücksafari
Daher konnte sich auch Frederic meine starken Schwankungen beim Trompetenspiel nie wirklich erklären, nur wegen meiner ständigen Experimente hatte er natürlich Einwände, zu Recht: einerseits konnte ich seine Kompositionen mit hoher Trompetenstimme überraschend gut bewältigen, andererseits scheiterte ich bei einfachen Abläufen, wie den ersten 50 Seiten der Arban Schule,sporadisch immer wieder, weil mein Ansatz einfache zu instabil und launisch war. Ich war ein typischer 10 minuts hero. Heute weiß ich, dass das häufige Wechseln von Mundstücken in kurzer Zeit seinen Teil dazu beigetragen hatte, aber auch die vielen Theorien rund um das Trompetenspielen, wenn man nicht einfach wie im Blasverein das Blech in die Hand nimmt und einfach loströtet. Ich war wie bei allem sehr kopflastig und analytisch, insbesondere was Ansatzbildung und Mundstückformen betraf.
Blasverein, überhaupt jede Art von Vereinsmeierei, war nicht mein Ding. War ich als Schüler noch in Tischtennis- und Kampfsportvereinen unterwegs, so fand das Vereinsleben selbst nie meine wirkliche Begeisterung - ich war von Anfang an immer Einzelgänger und Autodidakt mit wenigen Hilfestellungen Dritter. Meine Freizeit als Jugendlicher verbrachte ich ansonsten im Jugendhaus. Hierzu habe ich einen eigenen Post über die 70er Jahre in Stuttgart verfasst. Die offene Jugendarbeit war gerade in Mode und stellte sich als ein Segen für meine Entwicklung heraus.
Ich bin dann mit der Trompete jeden Weg gegangen: downsizing, druckloser Ansatz, Callet‘s Superchops, Whisper G von Cat Anderson, eine DVD von Malte Burba, sogar eine Onlinestunde mit Lynn Nicholson und zuletzt nahm ich auch kurz Unterricht bei Manuel Hilleke von Contemporary Brass Music.
Mein Frust mit der Trompete und die zunehmenden Herausforderungen in Familie und Beruf führten mich Anfang der 90er aber zur Querflöte, die mich dann bis zum heutigen Tag bei erneuten, frustierenden Trompetenversuchen immer wieder auffangen konnte in meinem Drang, Jazz-Standards zu spielen und zu improvisieren. Hier nahm ich dann auch professionellen Unterricht beim Studienkreis Musik in Stuttgart, bei dem ich von Antje Langkafel, heute Dozentin an der HMDK Stuttgart, und Wolfgang Georg Schulz viel lernen durfte. Die Querflöte hatte einen gewichtigen Vorteil: man konnte sie Monate nicht spielen, und beim ersten, erneuten Spielen funktionierte alles sofort wie gehabt. Sollte das bei der Trompete nicht eigentlich auch möglich sein? Von meinem Lehrer wusste ich: 3 Wochen Urlaub ohne Trompete, und man kämpft wieder einige Tage bis zum Anknüpfen an alte Leistungen.
Internet-Foren - Segen oder Fluch?
Das Mundstück der Trompete war daher wie gesagt im Fokus meiner analytischen Studien. Freilich werden überwiegend andere Faktoren in der Trompetenpädagogik in den Vordergrund gehoben, aber für mich war das Mundstück immer die entscheidende Stelle der Verbindung von Mensch und Instrument.
Mir fiel bald u.a. auf, dass kleinere und flachere Kesseldurchmesser für mich jedenfalls zunächst alles vereinfachten, natürlich einhergehend mit klanglichen Veränderungen. Bald informierte ich mich breiter, indem ich mich in einschlägigen Fachforen beteiligte, sowohl in deutschsprachigen als auch in englischsprachigen. Hier fiel mir bald ein deutlicher Emphatieunterschied bei den Mitgliedern beider Trompetenforen auf - einerseits im deutschen und andererseits im amerikansischen Forum. Im deutschen gibt es so etwas wie Platzhirsche und oft einen zynischen, belustigenden Unterton auch in den Kommentaren gegenüber Neulingen, die sich anmaßen, mitreden zu wollen - Kompetenz spiegelt sich dort einseitig wieder in jahrelanger, harter Trompetenarbeit, hochgeladene Soundbeispiele sollen Kompetenz nachweisen, und werden oft dann allzu schnell als dilettantische Beiträge zerissen. Im amerikanischen Forum hingegen kann man mitreden ohne persönlich gleich in Frage gestellt zu werden.
Der Vorteil von Foren allerdings: man lernt mehr Methoden und pädagogische Ansätze kennen und findet genügend Leidensgenossen. Ja, kein anderes mir bekanntes Musik-Forum - z.B. Jazzgitarre etc. - ist so voller Frust und Hilferufe was die Beziehung Musiker und Instrument betrifft wie das der Trompeter.
Es gibt bekanntlich Trompetengurus als Lehrer, die selbst kaum aufgetreten sind und dennoch sich vor „Jüngern“ kaum retten können - einer von ihnen ist z.B. der Amerikaner Clint (Pops) Mclaughlin. Ich habe wohl alle seine Hauptwerke mit der Zeit studiert und auch einigen Gewinn daraus gezogen.
In Europa dürfte der Name Malte Burbe mit seinem gleichnamigen Brass Network ein Begriff sein. Bekannte Trompeter wie Till Brönner, Joe Krauss und Julian Wasserfuhr schwärmen von ihm. Till Brönner, eigentlich vor Burba schon erfolgsverwöhnt, kam irgendwann an eine Grenze. Er berichtete z.B. von Ereignissen, die ihn vor Ende eines Auftritts bereits veranlassten, schon vorzeitig von der Bühne zu gehen. Die Leistungsschwankungen selbst bei guten Trompetern scheinen manchmal nicht unerheblich zu sein - ein Profi wird aber wohl besser damit fertig. Diese Gurus können analytisch Konzepte vermitteln, die den Umgang mit diesem schwierigen Instrument durchaus erleichtern können.
Umgekehrt gibt aber viele Virtuosen auf der Trompete, die nicht auch nur eine Winzigkeit ihres Könnens weitergeben können, weil sie schlicht gar nicht wissen, wie sie das genau machen, was sie tun.
Das beginnt bei der Artikulation - was genau macht die Zunge im Mundraum, welcher Teil der Zunge genau sorgt für eine Trennung der Töne im Mundraum, indem er wogegen den Luftstrom unterbricht? Wo findet eine Verankerung der Zunge statt wenn überhaupt? Wo liegt der Zungenrand genau an, an welchem Zahngranz im Ober- oder Unterkiefer, wenn überhaupt usw.. Bei den meisten wird dies auch nie analytisch betrachtet: es funktioniert oder eben nicht. Gleiches gilt beim Ansatz der Lippen: spitzen, einrollen, kleine Öffnung, große Öffnung usw.. Inzwischen hat sich eine intuitive Methode etabliert, die allgemein Beachtung findet: BE (Balanced Embouchure) von Jeff Smiley, der erkannt hat, dass man zwischen extremen Lipenstellungen experimentieren sollte - der Körper würde dann intuitiv die jeweils richtige Technik adaptieren.
Blasvereine - der Anschein der Einfachheit von Blasmusik
Die überwiegende Mehrheit der Trompetenlehrer folgen der überlieferten Tradition, man macht es so, wie man es schon immer machte: nur ganz große Mundstücke können einen guten Trompetenton erzeugen und um diese zu beherrschen muss eben viele Stunden am Tag geübt werden, nicht Musik etwa, nein, hauptsächlich langweilige Etüden: Arban, Colin, Clarke, Gordon usw.!
Nun ist ja für jeden Normalo offensichtlich, dass die vielen Blasvereine mit ihren vielleicht einmal in der Woche stattfindenden Treffen offensichtlich doch fähig sind, Auftritte zu bewältigen, ohne dass sie obige Werke überhaupt nur kennen. Und ich vermute nicht ohne Grund, dass bei vielen Hobbymusikern dort dieses wöchentliche Zusammenspiel oft bereits auch bereits das gesamte Übungspensum darstellt. Das Blasinstrument als Volksinstrument hat sich daher überall schnell etabliert.Freilich ist das, was hier dann bei Auftritten abgeliefert wird aus Sicht der Virtuosität oft recht einfach gehalten, es dauert meist etwas, bis bei einem Auftritt einigermaßen ein Gleichklang in der Stimmung der Instrumente erreicht wird und das Durchhaltevermögen der Blechbläser ist dann aber oft gegen Ende bald auch wieder erschöpft und das nicht nur, weil das Bier so gut schmeckt. Der unprofessionelle Ansatz wird durch Pressen des Mundstückes gegen die Zähne kompensiert, was die dazwischenliegenden Lippen natürlch maltretiert. Der geforderte Tonumfang typischer Blaskapellennoten ist daher auch eher unspektakulär.
Das professionelle Gegenargument an dieser Stelle ist der sogenannte „drucklose“ Ansatz. Hier werden nicht die Lippen zwischen Mundstück und Vorderzähnen eingequetscht, was die Durchblutung erheblich verschlechtert, sondern die Lippenmuskulatur selbst sorgt dafür, den notwendigen Widerstand gegen den Luftstrom zu erzeugen.
Nun müssen Lippen aber ja in irgend einer Form vibrieren, um im Kessel des Mundstückes einen Ton im Resonanzraum der Trompete zu initiieren - oder umgekehrt? Dabei ist die Anspannung der Lippenmuskulatur an falscher Stelle wiederum kontraproduktiv, jedenfalls was Flexibilität und vollen Klang betrifft - ein Zielkonflikt also. Ein Zusammenkneifen der eingerollten Lippen kann zwar höhere und/oder leisere Töne verursachen, aber der so erzeugt Klang ist eher dumpf und fiepsig.
Der Ansatz des Trompeters
Genau an dieser Stelle scheiden sich die analytischen Geister. Es gibt in den Foren oft Möchtegern-Physiker, die physikalische Systeme der Strömungslehre (Bernoulli lässt grüßen), das Verhalten von kleinen Öffnungen auf den Luftstrom und die Generierung von akkustischen Tönen daraus zu erklären versuchen, aber es gibt dennoch immer noch die verschiedenen ideologischen Lager: „Lippenbuzz-Vertreter“ und die „Symphatetic Resonance - Vertreter“.
Letzteres besagt, dass man durch das Mundstück bläst ohne einen originären Buzz-Ton zu erzeugen und es dann langsam das Mundstück bei stetigem Luftfluss mit der Trompete verbindet, womit dann erst ein Ton anspringt als Reaktion der Verbindung mit dem Resonator (Trompete): die Lippen schwingen als Sekundärereignis des Systems Lippen-Mundstück-Trompete und nicht als Primärereignis: also nicht die Lippen buzzen primär und der Ton entsteht sekundär, sondern umgekehrt. Der symphatetische Ansatz folgt einer Lehre von Adams und wird z.B. auch von Roger Ingram, Wayne Bergeron und vielen anderen top Trompetern vertreten.
Daher gibt es unsäglich viele Übetechniken mit Lippen-Buzz, Leadpipe-Buzz etz. um den Ansatz zu trainieren, alle möglichen Lippenexpander Gerätschaften, um die Ansatzmuskulatur zu stärken usw.. Mit all dem habe ich mich natürlich auch beschäftigt. Je nach Theorie wird das eine oder andere stärker vertreten oder nicht. Oft wird der Begriff Ansatz-Maske verwendet, eine art statische Grimasse der Gesichtsmuskulatur, bevor die Trompete angesetzt wird. Auch hier viele Theorien: flat chin, upstream, downstream, pivoting.
Es dürfte aber klar sein, dass das Buzzen mit den Lippen, oder mit dem Mundstück oder mit Mundstück und Leadpipe nichts mit der Art der Schwingung der Lippen beim Spielen selbst zu tun haben dürfte. Manche Gelehrte streiten sich gar, ob bei der Lippenschwingung im Mundstück überhaupt ein vollständiger Verschluss der Lippenöffnung in der Frequenz des erzeugten Tones stattfindet oder eben nicht. Es könnte ja auch eine nur graduelle Veränderung des Durchmessers der Lippenöffnung als oszilierende Schwingung sein, welche die Tonschwingung dann erzeugt. Das alles wird bis heute eifrig diskutiert und selbst Viedeoaufnahmen innerhalb des Mundstückes oder im Computer Tomografen klären diese Fragen nicht gänzlich.
Man weiß also noch sehr wenig über die wirkliche Tonerzeugung bei der Trompete, auch wenn man glaubt alles zu wissen. Es gibt Versuche mit Mundstücken, bei denen der Weg der Luft vom Mundstück in das Mundrohr per Membran verhindert wird und die Luft stattdessen über eine weitere Bohrung aus dem Kessel geführt wird: es funktioniert! Wer es nicht glaubt: https://youtu.be/0vUX_hX-fZs. (Jon Ruff explores the redirected air flow in a trumpet mouthpiece). Wo ist da dann das „mehr Luft“ Argument noch begründet, das selbst ein Maynard Ferguson so betonte?
Es gibt also viel Ideologie und daraus abgeleitete Pädagogik was diese Dinge betrifft. Ich habe mich dafür entschieden, eher auf jene zu hören, die beides können: gut spielen und gut erklären - deren gibt es aber sehr sehr wenige!
Butter bei die Fische…
Meine Haupteinfluss dabei war wie gesagt zunächst Maynard Ferguson selbst und später dann Lynn Nicholson, ein Ausnahmetrompeter was die höchsten Trompetenlagen betrifft, ein überzeugter Nachfolger und Bandmitglied von Maynard Ferguson, wenn auch nur für knapp für ein Jahr - 1974-1975.
Maynard Ferguson ist ja bekanntlich der Ausnahmetrompeter in jeder Hinsicht: er spielte in den tiefsten Lagen bis in die höchsten Lagen mit gleicher Tonqualität und Durchsetzungskraft und mit größter Ausdauer. Auffällig war: er hatte immer ein ganz spezielles Mundstückdesign, die jeder Lehrer und Trompetenprofessor als aberwitzig und kontraproduktiv zurückweisen würde. Wenige Normaltrompeter konnten dieser Art Mundstück überhaupt Töne entlocken, was Maynard eine Art Sonderstellung verlieh. Oft fällt in diesen Fällen dann das Wort „Naturansatz“.
Maynard erhielt das erste, richtungsweisende Mundstück vermutlich von John DiStaulo, ein sehr guter kannadischer Leadspieler, der aber später an einem Lungenemphysem litt. DiStaulo hatte im Keller eine Drehbank und experimentierte mit Mundstücksdesign - Maynards Eltern beauftragten ihn in Meinhards frühen Jugendjahren, ein Mundstück zu konstruieren.
DiStaulo fertigte das Mundstück aus einem Rudi Muck 13c, indem er den oberen Kessel abtrennte bis nur noch ein flacher, abgerundeter Rand und der kleinere, konische Rest des Mundstücks übrig blieb - es blieb also lediglich ein kleiner flacher V-cup mit geringem Duchmesser übrig, ganz entgegen den bis dahin bekannten Konstruktionen von Mundstücken als C-cups: tiefe, breite Kessel mit typischer Kesselform eben. Das V-cup Konzept war zwar bereits bekannt aus der Hörner-Szene, aber diese waren eben sehr tief um den gewünschten warmen Ton zu produzieren. Maynard hatte dieses Design dann konsequent über 50 Jahre beibehalten, und erst mit Monette in den späteren 90ern zu Gunsten herkömmlicher Mundstücke aufgegeben - zum Nachteil, wie man von seinen vertrauten Kollegen hört. Er hatte in diesen 50 Jahren davor auch nicht mal zum Spaß mal einen Mundstückwechsel mit herkömmlicher Bauweise durchgeführt.
Neu an Mynards damaliger Entdeckung war das äußerst flache V-cup design gepaart mit einem verschwindenden inneren Mundstücksrand. Aus Nahaufnahmen kann man erkennen, wie er bei zunehmender Höhe das Innere der Oberlippe nach außen stülpt, besonders auf seiner linken Mundseite. Damit ist also kein „Stülpansatz“ nach Maggio mit ausgerollten Lippen gemeint, auch nicht das Gegenteil nach Stevens mit eingerollten Lippen, sondern ein unmerkliches Verändern der Vibrationsfläche der Lippen im Mundstück von innen nach außen. Es gibt moderne Methoden, sich zwischen den beiden Extremen „Einrollen/Ausrollen“ der Lippen zu bewegen (Balanced Embouchure von Jeff Smiley). Das weist bereits in die richtige Richtung, aber es fehlt hier noch der Schwerpunkt auf relaxed embouchure und ein ihn unterstützendes Mundstückdesign.
Lynn und seine Entdeckung bei sich und bei Maynard
„Relaxed“ ist das, was laut Lynn Nicholson einen Trompeter in die Lage versetzt, auch nach 4 Wochen „off the Horn“ sofort seinen üblichen Range ohne großes Einspielen abrufen zu können. Dieses Phänomen wurde bei Maynard beobachtet und kann bei Lynn aktuell auch noch beobachtet werden. Man hat das früher mal als „Naturansatz“ bei Ausnahmeindividuen bezeichnet, um zu erklären, dass sich die meisten anderen Trompeter für die maintenance ihres Ansatzes täglich stundenlang abrackern müssen. Lynn meint dazu lapidar, das diese Trompeter einfach nur zu große Kessel spielen und ihre Lippen erst durch Anschwellen passend spielen müssen. Lynn hat seine Methode in Gedenken an Maynard Ferguson „MF Protocol“ und als „Mindless Hardware Methodology“ bezeichnet.
Ein Nachteil hat dieses sehr wirksame Mundstückkonzept dennoch: man kann in den höchsten Lagen zwar explosiv spielen, der Ton ist auch über alle Register identisch, aber man kann den Ton leider nicht großartig verändern. Mir fiel bei Maynard auch auf, dass sein Flügelhornklang nicht sehr viel vom Trompetenklang abwich.
Selbst Roger Ingram hat in seiner Mundstückslinie ein solches flaches V-cup integriert, das er immer bei einsetzender Erschöpfung des Ansatzes erfolgreich verwendet: erschöpft meint hier also erzwungenes relaxed Sein! Lynn entwickelte daher seine „Mindless Hardware Methodology“ - gemeint ist ein spezielles Mundstück und ein isolierter Mundstücksrand als Werkzeuge, diesen Maynard typischen Ansatz intuitiv zu entwickeln: das Nicholson XPIECE und der Reversible Rim. Letzterer kann von zwei Seiten genutzt werden mit Unterschiedlichen Innenkanten, wenn man überhaupt von „Kanten“ sprechen kann: ein Rand ist konvex (spätere Jettone Mundstücke von Maynard verfolgten dieses Prinzip, denn nun konnte ein genügend flacher, runder Übergang mit einem tieferen V-Kessel kombiniert werden), der andere normal V-cup. Das „Buzzen“ auf diesem Rand spiegelt ein Mundstück wieder, das kein Feedback geben kann, die Lippen müssen völlig relaxed und über den ganzen Innendurchmesser zum Schwingen kommen - mit viel Luft versteht sich.
Hier ist dann auch meine einzige Kritik an Lynns Ansatz: es geht nach meiner Erkenntnis auch mit viel weniger Luft aber dafür hoher Kompression wie z.B. dem Callet-Supershops-Prinzip…..und wir haben w.o. ja erkannt, dass der Trompetenton auch entsteht, wenn keinerlei Luft in die Trompete gelangt. Jim Manley demonstriert das in seinen Youtube clips eindrucksvoll. Auch er folgt dem flachen v-cup Prinzip.
Die Idee, dass geschickt gewähltes Equipment eine erforderliche Ansatz-Maintenance überflüssig machen könnte, gefiel mir auf anhieb sehr gut: man braucht eine gewisse Anfangszeit des aggressiven Experimentierens mit verschiedenen Mundstück-Durchmessern und Kesselformen - diese Phase kann allerdings auch sehr frustierend sein. Hat man dann aber seines gefunden, passiert genau das, was man früher Naturansatz nannte. Man könnte mit Lynn auch sagen: ein flacher v-Cup trainiert die Lippen zur Realisierung infenitesimal kleiner und unendlich vieler, multibler Ansätze über den konischen Verlauf der v-cup Innenstruktur. Man kann bei solchem Üben geradezu erkennen, wie von einem Ton zum anderen plötzlich mehr Luft als Ton kommt, und beim nächsten wieder ein Ton - jeder Ton hat quasi seine eigene Qualität der Lippenstellung.
Leider bot der Markt lange Zeit nicht diese Bandbreite an Mundstücken an. Man musste selber basteln oder teure Custom-Mundstücke anfertigen lassen. Das ist heute deutlich einfacher. Dabei möchte ich auf James R. New verweisen (früherer Kanstul Experte) oder auf die Legends Brass Mundstücklinie von Derek Saidac, der mitlerweile alle Exotenmundstücke großer Spieler als Nachbau in seinem Lager verfügbar hat. Darunter sind extreme Innendurchmesser bis 14 mm, wobei sich der Bach Standard von Bach 1 (17,5 mm) bis Bach 20 (15 mm) bewegen dürfte. Das bietet bereits einen guten Experimentierrahmen, leider sind damit noch nicht die Mundstücksrand Probleme gelöst: breiter Rand, dünner Rand, scharfe Innenkante, runde Innenkante (bite, alpha angel) und die Kesselform V- oder C-cup.
Lynn empfiehlt wenig Bite am inneren Mundstückrand und einen flachen V-cup bei kleinem Innendurchmesser und bietet seine Mundstückslinie bei James R. New an.
Allerdings vertrittt er auch den mehr Luft Ansatz wie Maynard Ferguson.
Basics beim Trompetespielen
In der Auseinandersetzung mit meinen Ansatzproblemen in einschlägigen Foren wurden mir immer wieder Fehler bei den Basics bescheinigt - auf Ferndiagnose natürlich nur - was mich ziemlich ärgerte: mein Problem waren weder Atmung, Luftführung noch herkömmliche Ansatzprobleme.
Meine Atmung einschließlich Stütze war professionell durch Gesangsunterricht und Querflötenunterricht seit den 90er Jahren entwickelt. Zur Querflöte kam zeitgleich auch die japanische Bambusflüte - Shakuhachi - die eine besondere Herausforderung an die Tonerzeugung stellte. Querflöte war dagegen ein Kinderspiel. Shakuhachi studierte ich bei einem Shihan der Kinko Schule Dr. Jim Franklin, bei dem ich auch mit klassischer japanischer Musik und Notation in Kontakt kam und 1998 am International Shakuhachi Festival in Bolder/Colorado teilnahm. Auf allen Blasinstrumenten einschließlich Trompete beherrsche ich seit jeher auch die Zirkularatmung.
Nein, mein Problem war einzig der häufige Mundstückwechsel: hatte ich gerade ein Superteil im Einsatz, das deutlich Verbesserungen bei weniger Anstrengung brachte, hielt das 2-3 Tage an um dann für längere Zeit problematisch zu werden - man nennt diesen Vorgang Honeymoon. Hat sich das Problem innerhalb einer Woche nicht bereinigt, wechselte ich wieder - ein großer Fehler. heute weiß ich, die Akklimation eines neuen Mundstückes kann nach der Honeymoon Phase mehrere Wochen dauern.
Nun gibt es Trompeter, die spontan auf jeder Art von Mundstück spielen können - Nick Drozdoff ist z.B. so ein Kamerad. Der kann dann jede Menge Mundstücksempfehlungen geben, die aber für den Normalverbraucher eigentlich wertlos sind.
Eine weitere, entscheidende Lektion für mich war die Erkenntnis, die ich über Callet Superchops gewann, die Zungenlage und Aktivität im Mundraum: Verankerung der Zunge an der unteren Lippe, also zwischen den forderen Schneidezähnen, und Artikulation mit dem hinteren, oberen Zungenspitzenteil gegen die oberen Schneidezähne bei der Einfachzunge. Der Zungenrand liegt dabei am oberen Zahnkranz an. Der Zungenrücken bildet durch anheben und absenken den Resonanzraum. Das entspricht einer klaren Luftkanalisierung Richtung Lippenöffnung. Der Tonansatz erfolgt über einen sogenannten Spitbuzz. Vor dieser Erkenntnis eierte meine Zunge freischaffend und wirr im Mundraum umher.
Zurück zu den Anfängen
Ich merkte bald, dass ich zwar kurzzeitig mit extrem kleinen Durchmessern und flachen v-cups extreme Höhe erreichte, aber irgendwie ließ meine Konsistenz zu Wünschen übrig.
Mein Klangideal hat sich nach einer langen Ferguson Phase wieder auf das der großen Trompeter Miles Davis und Chet baker zurückbesonnen.
Der britische Trompeter Bryan Corbett legte bei mir wieder meinen Schalter für ein anzustrebendes Klangideal um. Damit verbunden wurde auch mein langjähriges downsizing wieder in ein upsizing umgewandelt. Ich fragte Bryan per eMail, was er für ein Mundstück spielt und er antwortete: eigentlich ein Taylor ML bzw. L, aber eine Spezialanfertigung mit eher einem V-Cup. Er meinte allerdings, dass ein Monette B2GS3 dem Klang sehr nahe kommt, wenn auch auf einem Taylor Horn ein Taylor Mundstück besser wäre. Zusammen mit den jüngsten Erkenntnissen bei Manuel Hilleke von Contemporary Brass Music landete ich fortan bei Monette B2 bzw. B2GS3, wobei mir die Monette „Slap“ nicht ganz so zusagten, das alte B2 schien mir besser und „runder“. Ich probierte auch kurz Schilke 18, aber das war nicht mein Ding.
So führte mich mein Weg von Bach 7C (wird heute beim Neukauf von Trompeten immer mitgeliefert (Ausnahme Carol Brass mit 3C) über extrem flache und kleine Mundstücke mit ausgefallenen Rand- und Kesselformen (bis 14 mm Innendurchmesser) wieder zu Bach 1,5, 3, und 5 Größen. Bach 3C und 5C sind auch besser als 7C, das eigentlich das tiefste der drei Mundstücke darstellt und für Anfänger eigentlich eine Herausforderung darstellen. Für Anfänger sind m.E. flachere Kessel erstmal besser. Bach Mundstücke sind leider sehr unterschiedlich bei gleicher Typenbezeichnung, aber das 7C hat eine schärferen Innenrand als ein 3C oder 5C, noch weicher sind die Tilz Varianten: man nennt das hoher Alpha Winkel. Diese Art Rand kommt meiner langjährigen Gewöhnung an Ferguson Mundstücken entgegen, die all gar keinen Alpha Angel hatten.
Obgleich ich erhebliche Kritik an dem Marketing und der Preisgestaltung von Dave Monette bezüglich seiner Produkte habe, so sind die Mundstücke dennoch außerordentlich gut. Aber das sind auch die Stomvi Flex, James R. New, Mark Curry, Gary Radke und Greg Black Mundstücke.
Bei mir hat also ein 4 Jahrzehnte dauernder Entwicklungsprozess stattgefunden und ich habe mich entschlossen, wieder die gute alte Arban Schule
systematisch zu bearbeiten, bei der ich vor 4 Jahrzehnten im Ersten Band bei Übung 50 stehen geblieben war. Dazu verwende ich eine Anleitung von Eric Bolvin, das „Arban Manual“, die eine klare
tägliche Auswahl aus den Arban Übungen im Wochenrhythmus systematisch zusammenstellt. Es handelt sich um 69 Lektionen, für jede ist mindestens eine Woche vorgesehen. Als Rentner ist das eine sehr
gute Zeitstrukturierung, die auch noch Spaß macht. Mal sehen, ob ich dieses widerspenstige Instrument am Ende doch noch wenigstens so meistere, wie das bereits mit Querflöte und Gitarre der Fall
ist: Jazz Standards aus den Realbooks spielen in Begleitung durch die iReal-Pro App, welche komfortabel und realitätsnah eine Begleitband abbildet.
Apropos Handy Apps: neben dem iReal Pro empfehle ich auch iTablaPro. Diese App hatte ich erworben, als ich mich im Rahmen meiner Flötenstudien auch mit der indischen Bansuri beschäftigte. Die indische Phisopophie der Tongestaltung nach dem Ideal der menschlichen Gesangsstimme hat mich sehr beeinflusst. Wolfgang Schultz aus Eningen unter Achalm/Reutlingen hat mir diese Philosophy praktisch vermittelt, als ich bei ihm während meiner Zeit beim Studienkreis Musik (Stuttgart, Piano Fischer) Querflöte und auch Shakuhachi praktizierte. Er hat ein ganzes Buch über den Zusammenhang menschliche Stimme und Instrumentalstimme verfasst, bei dem der indische Sanskrit Ausdruck „Swara“ eine zentrale Rolle spielt. Würde man das Wort „Swara“ in seine Sanskrit Wurzeln zerlegen, so erhielte man „Swa“, das für „Selbst“ steht und „ra“, das für schenken, geben steht. Es geht also um die Fähigkeit, die Essenz seiner selbst zu geben.
Die indische Musikpraxis ist am Raga orientiert, einer modal ausgerichteten Musik von Tonfolgen, die bestimmte Themen und Stimmungen ausdrücken. Als Bezugston dient ein gleichmäßiger, anhaltender Basiston (Drone), meist durch die Tambura gespielt. Jede Raga entfaltet sich an ihrem Basiston, der immer im Hintergrund bleibt.
Die App iTablaPro bietet hier ein vollständiges Instrumentarium, bei dem sowohl der Grundton als auch die rhythmische Begeiltung variiert werden kann.
Die Trompeterin Ingrid Jensen benützt zum primären Einspielen diese Begleittechnik, die eine Art Meditation darstellt: „Swara Sadhana“.
Auch ich habe diese Praxis von der Bansuri über Shakuhachi und Querflöte nun auf die Trompete übertragen. Meine erste Aktion jeden Tag ist zum Basiston cis/es in der App 10 Minuten Tonfolgen meditativ zu praktizieren, wobei auf den Klang geachtet wird. Das ist essentiell für mich geworden, bevor irgendwelche technischen Übungen oder Musikstücke geübt werden.
CTR-7660L-GSS Bb-SL
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