Zehn Thesen zu einer gerechteren Gesellschaft

  1. Leistungsgesellschaft vs Sozialgesellschaft
  2. Freier Markt vs. sozial regulierter Markt
  3. Finanzwirtschaft vs. Realwirtschaft
  4. Wohlstand vs. Nachhaltigkeit
  5. Gewinnmaximierung vs Investitionsanreize
  6. Vermögen vs Armut
  7. Technologie vs Sozialverhalten
  8. Fortschritt vs Wachstum
  9. Demokratie vs Machtinteressen
  10. Bürgerbildung vs Herzensbildung


zu 1) Leistungsgesellschaft vs Sozialgesellschaft


„Leistung muss sich lohnen“ ist das Hauptschlagwort unserer modernen Gesellschaft. Der Mensch, so heißt es, kann nur über monetäre Anreize dazu bewogen werden, sein Bestes zu geben.


Dieser Glaubenssatz straft jegliches soziales Engagement: Vereinstätigkeiten, Wohlfahrtstätigkeiten, Alters- Kinder- und Krankenbetreuung, Suppenküchen, Katastrophenhilfen etc.. Kein Tag vergeht, in dem nicht ehrenamtliches Engagement gesellschaftlich gerühmt wird, während der Hauptmaßstab für Leistung der monetär Aspekt bleibt.


Wenn doch auch Geld für soziale Leistungen gezahlt wird, steht dieser monetäre Ausgleich in keinerlei Relation zu den Geldleistungen für Technologie-, Wirtschafts- und Finanzdienstleistungen.


Die Corona-Krise hat dies offensichtlich gemacht: was sind wirklich systemrelevante Berufe, und man fragt sich, was wird dort Verdient?


Das ist die erste Schieflage in modernen Gesellschaften. Ihr liegt das Menschenbild zu Grunde: „der Mensch ist von Natur aus faul und denkt nur an sich“. Egoismus als Begründung von Systemkomponenten, die Anreize und Motivation zum Vermögenserwerb auf der einen Seite benötigen und auf der anderen Seite nach Schutzmechanismen rufen, um einmal Erworbenes zu bewahren.


Altruismus ist was für Träumer und Dumme: die sozialistische Gefahr der Enteignung, das Gespenst der Gleichmacherei menschlicher Leistungen.


Wer sich an Leistung orientieren will, muss zuerst Leistung definieren und messbar machen - das gelingt besser bei Waren und Produkten der Wirtschaft als bei sozialen Dienstleistungen.


Daher: Ehrenämter gehören bezahlt oder zumindest monetär bewertet. Bereits monetär bewertete, soziale Dienstleistungen (nicht Finanzdienstleistungen!) gehören besser bezahlt: über bedingungslose Grundeinkommen und/oder Mindestlöhne.


Solange Vorträge besser bezahlt werden als die Betreibung von Suppenküchen haben wir ein Problem: Gerede statt Taten!


zu 2) Freier Markt vs sozial regulierter Markt


Achtung: hier steht „sozial“ regulierter Markt, nicht „staatlich“ regulierter Markt, auch wenn letzteres leider die Konsequenz sein wird. 


Die Verfechter der freien Marktwirtschaft vertrauen auf die Kräfte der Selbstregulierung und benötigen hierfür die Metapher „Wachstum“.


„Freier“ Markt bedeutet heute aber leider: Gewinne werden personalisiert, Verluste kollektiviert. Müssten große Unternehmen ihre angerichteten Schäden bei Mensch und Natur selber begleichen, würden jene Marktverfechter bald klein beigeben müssen.


Ohne soziale Regelungen durch den Staat wird vieles nicht funktionieren: bezahlbarer Wohnraum, Übergangshilfen bei Strukturwechseln, nachhaltige Produkte, maßvoller Energieverbrauch, schonender Resourcenverbrauch. 


Der Staat muss festlegen, dass öffentliche Verkehrsmittel Priorität vor Individualverkehr erhalten - das kann nicht über Bepreisung erreicht werden, solange die Schere Arm/Reich weiter auseinanderdriftet. Hier sind die eigentlichen „Träumer“ zu finden, die das propagieren!


zu 3) Finanzwirtschaft vs Realwirtschaft


Es ist selbst bei Wirtschaftsweisen kein Geheimnis mehr: die Finanzwirtschaft hat sich verselbstständigt und ist ein Instrument globaler „Spielernaturen“ geworden. Wer auf Gewinne und/oder Verluste von Wirtschaftsunternehmen wetten kann, stellt sich jenseits sozialer Verantwortung. Der Finanzmarkt kann und darf nur der Realwirtschaft dienen - ein weiterer Beweis, dass „freier Markt“ nicht funktioniert, wenn soziale Aspekte ausgeklammert werden.


Transaktionssteuern gehören erhoben und deren Einnahmen überwacht. 


zu 4) Wohlstand vs Nachhaltigkeit


„Wohlstand für jeden“ funktioniert leider heute nur, wenn „jeder“ nicht „alle“ bedeutet. Wir sehen das bereits an der Schere zwischen Arm und Reich: natürlich sind „Reiche“ immer auf Kosten von „Armen“ reich. Das ist kein sozialistisches Gedankengut, sondern das ist gesunder Menschenverstand: in einem geschlossenen System wie unsere Erdkugel mit ihren Resourcen kann nichts wachsen ohne woanders zu schrumpfen. Die Natur lehrt uns dies: sollte das einmal nicht harmonisch erfolgen, erfolgen grasse Einschnitte in From von Katastrophen. Auch in Sozialsystemen war das immer so:  irgendwann kommen gesellschaftliche Umsturzversuche und Revolutionen. Besser wäre, man versteht die Zeichen an der Wand und reagiert vernünftig: Geben und Nehmen müssen ausgeglichen sein - dass kann kein an Wachstum ausgerichtetes System bewältigen.


Der Wohlstand der Industriegesellschaften  kann nur schrumpfen müssen, um ein menschengerechtes Leben aller auf diesem Planeten zu ermöglichen. Wir sollten uns für unseren Wohlstand schämen und uns bei den armen Ländern mit Taten entschuldigen.


zu 5) Gewinnmaximierung vs Investitionsanreize


Unterstellt man dem einfachen Arbeiter Faulheit als Hauptbestrebung, so unterstellt man den „Starken“ in der Gesellschaft hingegen Investitionsbereitschaft statt Gewinnsucht.


Beides ist schwarz-weiß Denken aber offensichtlich weit verbreitet. Wer Angst hat, dass Unternehmer wegen höherer Steuern abwandern oder weniger investieren, sollte auch Angst haben, dass unterbezahlte Mitbürger streiken und auf die Strassen gehen. Doch welche Angst ist größer? 


Echte Unternehmer z.B. im Mittelstand werden tatsächlich an ihre Beschäftigten denken, börsenotierte Konzerne allerdings nicht: dort gibt es Horden von überbezahlten Managern die am Ende keinerlei monetäre Verantwortung übernehmen, für die Schäden, die sie anrichten.


Ein bisschen mehr Vertauen in die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer und ein wenig mehr Misstrauen in die Investitionsbereitschaft mancher Unternehmen wäre deutlich gesünder für die Gesellschaft.


zu 6) Vermögen vs. Armut


Vermögen beweist: man hat was geleistet - so wird behauptet. Die Mutter, die nur fünf Kinder großgezogen hat - und hier ist bestimmt keine Ursula von der Leyen gemeint - hat nichts geleistet: kein eigenes Häuschen, keine zwei Premiumklasse Fahrzeuge vor dem Häusschen, kein 4 Jahreszeiten Urlaube pro Jahr.


Was eigentlich vermag „Vermögen“ außer Stolz und Hochmut? Wenn Menschen wie Herr Maschmeyer als ehemaliger Geschäftsführer von AWD Mitbürger ausbeutet und gleichzeitig Bücher darüber schreibt, wie jeder dieses tun könnte, bekommt man einen guten Eindruck.


Wenn Politiker über die Besteuerung von Vermögen reden, wird je nach politischer Grundeinstellung Vermögen anders interpretiert: nur Vermögen, dass nicht für privaten Luxus verwendet wird, sondern für Investitionen, ist „gutes“ Vermögen. Daher kann z.B. auf einfache Weise „schlechtes“ Vermögen besteuert werden: eine Luxusgüter Umsatzsteuer.


Kauft ein Unternehmer Produktionsmittel, zahlt er den geringsten Mehrwertssteuersatz, kauft er Luxusgüter, den höchsten Mehrwertssteuersatz. Diese Steuer hat den Vorteil, dass sie direkt an den Gütern erhoben wird, beim Kauf - es gibt keine Hinterziehungsmöglichkeit außer geheime Preisnachlässe, die man überwachen muss.


Abschreibungsmodelle sind wieder viel zu kompliziert, wenn man weniger Bürokratie möchte.


Luxusvermögen erzeugt Armut und ist nicht nachhaltig. Luxusprodukte bedienen einen kleinen wenn auch umsatzstarken Markt. Das Argument, auch dies seien Arbeitsplätze, ist zynisch gegenüber denjenigen, die durch Sammeln von Pfandflaschen überleben müssen.


zu 7) Technologie vs. Sozialverhalten


Wenn heute von besserer Bildung gesprochen wird, ist i.d.R. jene gemeint, die sich später auch monetär niederschlägt: die Ingenieure sollen es richten - Entfesselung der innovativen, technischen Kräfte, um alle Probleme der Zukunft zu lösen, besonders den Klimawandel und die Gefahr von Pandemien und anderen gesundheitlichen Gefahren. Gesundeitliche Gefahren allerdings können eher durch gesunde Erährung und gesunde Lebensweise reduziert werden. Hier wäre eine humanere Lebensmittelindustrie wichtiger als eine überbetonte Pharmaindustrie.


Spricht ein Herr Lindner von einem „Bullerbü“ der GRÜNEN, so muss er sich selbst vorwerfen lassen, auf eine Nation von „Daniel Düsentriebs“ zu hoffen!


Schauen wir uns an, was seit der Industrialisierung passiert ist: eine Spaltung der Welt in reich und arm, in Industrienationen und Entwicklungsländer.

Gleichzeitig eine maßlose Ausbeutung der Natur für den Wolstand weniger - das ist die wahre Bilanz. Und dieses Konzept soll am Abgrund der Klimakatastrophe weiter beschworen werden?


Technologie ist für sich kein Weltretter. Das Sozialverhalten der Menschen ist entscheidender: Technologie kann unterschiedlich verwendet werden und nur die Intension der sie einsetzenden Menschen kann positiv etwas verändern.


E-Autos als Luxuskarossen und SUWs, bei denen der Antrieb seine Kräfte überwiegend für die Bewegung der eigenen Masse statt für sein menschliches Transportgut verbraucht, ist sicher keine ökologische Innovation. Aber was tut man nicht alles, um ein Abwandern innovativer Kräfte zu vermeiden?


Man sieht: die Angst vor der Abwanderung von Kapitalisten ist größer als die Angst vor der Machtübernahme der Sozialisten.

Letztlich sind beides aber nur irreale, zweckdienliche und instrumentalisierte Kampagnen. 


Die Parteien mit dem christlichen „C“ zeigen einmal mehr, dass sie von dem wahren Sozialisten und Begründer ihres „C`s“ nicht wirklich was verstanden haben.


zu 8) Fortschritt vs. Wachstum


Hartnäckig hält sich politisch die Wirtschaftsmaxime: „ohne Wachstum kein Wohlstand“. 


Ein Erhard Eppler hat vor langer Zeit einmal in einem Buch versucht diese falsche These, man muss schon sagen, diesen Mythos, zu widerlegen.


Der Begriff wurde zusätzlich einseitig auf die Güterwirtschaft ausgelegt: mehr Wachstum bedeutet mehr Güter, mehr Güter benötigen mehr Konsum - unsinnigen Konsum. Warum braucht man 20 unterschiedliche Anbieter für wirklich essentielle Güter, die Menschen benötigen? Der Markt? Ohne umweltschädliche Verpackungen wären diese Anbieter gar nicht zu unterscheiden - welch ein Irrsinn!


Wachtum ist sicher eines nicht: Fortschritt! Fortschritt ist auch nicht, „alles“ zu digitalisieren - Geld als Krypto-Währung  z.B. ist ein kritisches Beispiel.


Was ist dann Fortschritt: die Entwicklung eines ökologischen, sozialen Bewusstseins zum Beispiel. Technischer Fortschritt ist eine Einbahnstrasse: wir können unsere ökologischen Fehler nicht mit Technologie in den Griff bekommen. Verzicht auf unnötige Waren und Dienstleistungen durch wachsendes soziales und ökologisches Verständnis ist wahrer Fortschritt und wahres Wachstum.


zu 9) Demokratie vs. Machtinteressen


„Die Macht geht vom Volke aus“ - ein schöner Glaubenssatz.


Aber haben wir heute nicht eher eine „Lobbykratie“? Ich glaube jedem einigermaßen vernünftig denkenden Bürger heute ist klar: partikulare Gruppeninteressen stehen den Regierenden näher als der Bürger selbst.


Regierende haben immer weniger Fachkompetenz - insbesondere nach den vielen Ressortwechseln mancher Politiker. Der einfache Bürger muss langjährige Ausbildungen und anschließende Prüfungen und Zertifizierungen über sicher ergehen lassen, aber dort, wo die Fäden der Macht in der Hand gehalten werden, kann eine Familienministerin ohne weiteres Verteidigungsministerin werden.


Klar: dafür gibt es dann Berater - aber wenn das dann auch noch schief läuft?


Nein, ohne Grundkompetenz geht es auch im politischen und erst Recht auch nicht im Regierungsamt.


Wir haben demokratisches Bewusstsein verloren. Dies gilt es wieder aufzubauen. Partikulare Machtinteressen einflussreicher Gruppen gehören kontrolliert.


zu 10) Bürgerbildung vs Herzensbildung


Bildung ist neben Technik das Zauberwort für mehr Wohlstand und mehr soziale Gerechtigkeit. 


Kein Wunder: beide hängen miteinander zusammen. Wer über bessere Bildung verfügt, kann sich attraktivere Berufe wählen.


Was aber ist ein „attraktiver“ Beruf? Na klar: derjenige, bei dem ich ohne große Anstrengung mit Schlips, Krawatte oder Kostüm später in Sitzungen, Vorträgen und Tagungen gutes Geld verdiene, oder als Software- und Hardwareentwickler meinen Spieltrieb gewinnbringend versilbern kann. Warum sich für niedrig bezahlte, soziale Berufe interessieren oder sich mit teils unangenehmen, anstrengenden Verhältnissen im Handwerk herumschlagen?


Also: welche Bildung hätten wir den gerne? Mehr MINT Fächer natürlich. Hier ist sie wieder, unsere derzeitige Ausrichtung und Gesellschaftshoffnung. Ich kann nur sagen: hopeless. 


In dieser Welt wird am Ende nicht der gewinnen, der die größten Innovationen vorantreibt, sondern derjenige, der die größte Empathie entwickelt. Wenn ein Kanzlerkandidat durch einen Lacher im Hintergrund am falschen Ort zum falschen Zeitpunkt um seine Wahl fürchten muss, weiss man, was ich meine.


Solidaritätsakte werden bei zunehmenden Umweltkatastropehn immer wichtiger werden: und da werden auch wieder mehr Handwerker als Ingenieure und Akademiker gefragt sein.


Nicht „was“ ich tue, sondern „warum“ ich etwas tue, wird wieder in den Fordergrund rücken müssen.


Wofür „brenne“ ich? Das gehört ins Zentrum von Bildung und nicht: wo kann ich am schnellsten Wohlstand erzielen. Wenn Ärzte keine Landpraxen mehr bevölkern wollen, wenn Abiturienten nur noch an die Universitäten streben, wenn gute Noten einziger Maßstab bleiben, bleibt eines auf der Strecke: Herzensbildung. Es macht einen Unterschied, ob ich meinen Mitschüler als zukünftigen Konkurrenten begreife oder aber als Teamplayer.

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