Wer sprengte die Nordstream Pipelines? Ein Deutungsversuch.

Jüngst haben Ermittlungen zu den Sprengungen ergeben, dass wohl ein 6 köpfiges Team verantwortlich ist, auf dessen gemieteter Yacht Sprengstoffreste gefunden wurden. Der Anschlag erfolgte von Deutschland aus, der Eigentümer der Yacht ist eine Firma in Polen, die von zwei Ukrainern geführt wird. 


Die Nordstream Lecks wurden durch einen Druckabfall am 26.September 2022 identifiziert. Am 10. September hatte die Ukraine erste Erfolge mit einer Gegenoffensive, die Anfang November sogar zu einem Rückzug russischer Truppen aus Cherson führte.


Im September 2022 hat die EU ein Öl-Embargo gegen Russland beschlossen, dass allerdings erst ab Dezember 2022 bzw. Februar 2023 zum Zuge kommen soll.


Soweit die bisherigen Fakten.


Es stellt sich nun vorrangig die Frage, nach den Motiven dieses Anschlags, bevor voreilige Schlussfolgerungen gezogen werden.


Es gibt folgende Motivlagen:


  1. Die USA könnten aus Interesse am eigenen Verkauf ihrer fossilen Rohstoffe an einer Einstellung russischer Lieferungen interessiert sein. Die Nordstream-Pipelines waren immer in ihrer Kritik.
  2. Die ukrainische Regierung  hat während des Krieges immer eine entsprechende Forderung gestellt.
  3. Ukrainische Oppositionelle, quasi pro-russische Kräfte der Ukraine könnten im Rahmen einer False-Flag Operation damit die weitere westliche Militärunterstützung diskreditieren
  4. Der Kremel selbst könnte mit einer Fals-Flag Operation die westliche Unterstützung schwächen wollen
  5. Polens Präsident Duda hatte für den Abriss der Nordstream Pipeline votiert, denn ein Zurück zu Handelsbeziehungen mit Russland sind für ihn ein No-Go.


Politisch dürfte seit September eines klar sein: die EU und besonders Deutschland wollen erstmal bis auf weiteres kein russisches Öl mehr haben. Alle Anstrengungen von Robert Habeck laufen seit geraumer Zeit darauf hinaus: Einkauf von fossilen Rohstoffen als Übergangslösung aus Drittstaaten, bis der nachhaltige Energiewandel vollzogen wurde.


Damit sind die Pipelines Nordstream, wenn auch teuer bezahlt, seit September 2022 eigentlich obsolet geworden. Warum also diese noch sprengen?


Punkt 1. dürfte daher die USA oder deren Geheimdienste ausscheiden lassen, denn es wird bereits Fracking-Gas aus USA bezogen, das Ölembargo steht und Putin hat bereits selbst die Lieferungen bis auf Null gedrosselt. Die USA will auch sicher nicht die westliche Unterstützung der Ukraine torpedieren. Zwar könnte es Stimmungen in den USA geben, die in der Ukraine kein zweites Vietnam oder Afghanistan wünschen, und vielleicht auch keine Waffen mehr liefern möchten, aber diese Theorie ist gemessen an den Motiven w.u. m.E. stark zu vernachlässigen.


Punkt 2. Die Ukrainische Regierung hat seit September 2022 eine erfolgreiche Gegenoffensive am Laufen, die westliche Unterstützung mit Waffen ist gut, das Ölembargo gegen Russland ist ausgesprochen und eine False-Flag Operation  der ukrainischen Regierung ist widersinnig: man muss Russland keine Schuld für die Sprengung zuspielen, Russlands Schuld ist bereits ausreichend mit dem Angriffskrieg dokumentiert.


Punkt 3.  Ukrainische Oppositionelle, sozusagen Kollaborateure, russland treue Ukrainer könnten ein Interesse daran haben, denn es stehen weitere westliche Unterstützungsleistungen für die derzeitige Regierung der Ukraine dann auf dem Spiel.


Punkt 4. Hier gilt natürlich Punkt 3. analog: der Kremel möchte mal wieder durch Lug und Trug Operationen den Westen schwächen und damit die westliche Unterstützung der Ukraine untergraben.


Punkt 5 steht stellvertretend für alle Dritten, die an Nordstream etwas auszusetzen hatten. Da dies meist mit der Angst vor einseitiger, russischer Handelsabhängikeit zu tun hat, diese aber zum damaligen Zeitpunkt bereits mit guten Konzepten verringert wurde, ist das eher ein Punkt der Vollständigkeit halber.


Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass die Punkte 3. und 4. am wahrscheinlichsten sind. Die Pipelines sind aus russischer Sicht ebenfalls obsolet geworden, bieten aber ein interessantes Objekt, um die ukrainische Regierung ins Schussfeld zu bringen - das sind sowieso in den Augen Putins alles Nazis, die Entfernt gehören. Hier wäre eine klassische False-Flag Operation anzunehmen und sie wäre auf Grund bisheriger Erfahrung bei russischem Handeln auch angebracht. Das Russland bei den Untersuchungen beteiligt werden möchte, ist ein weiteres Indiz…angebracht wäre stattdessen eine UN-Beteiligung.


Eine Trennung der Punkte 3. und 4. ist eigentlich akademisch. Jedenfalls hat die Regierung der Ukraine sicher kein Interesse, die Unterstützung des Westens mit solch einer Tat selber und eigenhändig in Frage zu stellen. 


Warten wir also ab, was die weiteren Ermittlungen aufdecken werden. Aber ich dachte, ich muss mal Argumente zu einer Meinungsbildung anbieten, denn ich vernahm gerade von einem „Experten“ in NTV eine Votierung für Punkt 2., die ukrainische Regierung könnte verantwortlich  sein, was einfach meinen gesunden Menschenverstand herausforderte.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0