Sehr geehrter Herr Mützenich,
Besonnenheit, Klarheit und Vernunft sind gute und geforderte Tugenden, Herr Mützenich, besonders in Zeiten des Krieges - aber Ehrlichkeit tut in diesen Tagen ganz besonders Not, besonders bei der SPD-Führung und dem Bundeskanzler.
Die Stimmen aus Davos von Fachleuten beim Wirtschaftsforum, die den Auftritt des Kanzlers als „überheblich, unerheblich und peinlich“ wegen seiner unangebrachten Eigenwerbung in diesen Zeiten bezichtigen, sind noch nicht verhallt, da hören wir aus Ramstein peinliche Ergebnisse der deutschen Verteidigungspolitik: immer noch keine Kampfpanzer aus Deutschland für die Ukraine!
Die stereotype Begründung von Ihnen, dem Kanzler und anderen hochrangigen SPD-Vertretern: Deutschland darf keine Kriegspartei werden, Deutschland macht keine Alleingänge, „rote Linien“ dürfen nicht überschritten werden.
Die stereotype Antwort darauf kann nur lauten: wieder wird gezögert und gezaudert im Kanzleramt, wenn es um adäquate militärische Unterstützung geht - es wird zwar irgendwann reagiert, aber eigentlich immer zu spät. Es mutet als Farce an, wenn der neue Verteidigungsminister vor Publikum in Ramstein bekennen muss: wir werden erstmal keine Leopard liefern, und Verbündete, die dazu bereit wären, bekommen von uns keine Genehmigung….aber ich habe mein Ministerium beauftragt, eine Bestandsanalyse zu verfassen. Hallo, geht es noch? Ein Jahr seit Beginn des Überfalls liegt so etwas noch nicht vor?
Wenn Lloyd Austin als amerikanischer Verteidigungsminister die Ausrede von Herrn Scholz widerlegt, der eine Leo-Lieferung von amerikanischen Lieferungen des M1 Abrams abhängig macht, erweist sich „Besonnenheit“ eher als „Feigheit“: Herr Austin hat in Ramstein die logistischen Probleme bei der Wartung eines M1 als Hinderungsgrund genannt, nicht etwa das „überschreiten roter Linien“ in einem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Die Ukraine selbst hat bereits drei Wochen nach Kriegsausbruch den Leopard von uns gewünscht und bis heute wird gezaudert und gezögert! Ob aus Ihrem Munde, aus dem von Lars Klingbeil oder aus dem von Kevin Kühnert: Sie alle wollen uns Bürgern weismachen, das sei Besonnenheit?
Ich sage Ihnen, das ist eine alte SPD-Krankheit, die sich außenpolitisch aufreibt zwischen einem Händereichen wollen gegenüber Russland und einem Verstecken hinter der militärischen Macht der USA. Ein Pazifismus der Wehrlosigkeit und der Überzeugung: die anderen werden es schon richten. Die „Anderen“? Die beklagen sich gerade gehäuft über Deutschland. Ist Ihnen das schon aufgefallen Herr Mützenich, oder klammern Sie sich selbstverliebt an Ihre Beurteilungen Ihrer politischen Gegener in Fragen der unzureichenden Waffenlieferungen, z.B. bei Frau Strack-Zimmermann, dass sei ja alles nur ein Empörungsritual mit Schnappatmung? Das mit jedem Tag nicht nur mehr Tote zu beklagen sind, sondern auch Putin seinem Ziel der Eroberung der Ukraine mit seiner Angstmache täglich wieder näherkommt, scheint Sie nicht zu rühren. Da kommt dann schnell das Argument: ein Leo macht noch keinen Frühling - aber ein Kreigseintritt wäre das schon…..hören Sie sich eigentlich selber noch zu?
Wenn Sie tatsächlich etwas über Besonnenheit bei gleichzeitiger Ehrlichkeit lernen wollen, statt diese nur für sich zu reklamieren, verweise ich Sie bitte an unseren ehemaligen Bundespräsidenten Hans Joachim Gauck, was den Umgang mit Herrn Putin betrifft.
Ich nehme lieber Empörungsrituale wahr statt eine ständige Versteckmentalität hinter dem großen Bruder USA. Wie hätten Sie denn bitte argumentiert, wenn der Krieg während der Ära Trump ausgebrochen wäre - richtig: Sie hätten überhaupt keinen Plan!
Sie und Ihre SPD träumen weiter einen Dämmerschlaf des fremdgeschaffenen Friedens, bei dem man sich selbst keine Hände dreckig machen kann.
Das hat Tradition: nukleare Teilhabe ist kritisch, Macrons Angebot, seine Atomwaffen europäisch einzubinden war bereits Frau Merkel suspekt usw…
Und jetzt traut man sich nicht nur zur Lieferung von Leopards - besser kann russische Propaganda gar nicht wirken - nein, man verbietet es sogar lieferwilligen Verbündeten.
Beenden Sie bitte endlich diese Peinlichkeiten ihrer Partei, für die gerade Sie Verantwortung tragen. Lernen Sie echte Verantwortung in einem Europa der „Zeitenwende“, für das Sie zwar das Narrativ beigetragen haben, nicht aber den erforderlichen Mut des konkreten Handelns.
Und nein, diejenigen, die seit langem Kampfpanzer liefern wollen, werden eben nicht als nächste danach rufen eigene Soldaten zu schicken, oder Kampfflugzeuge….das ist wieder nur Ihre persönliche Rhetorik des Versteckens vor echter Verantwortung.
Im übrigen ist dies auch die aktuelle Meinung des NATO-Generalsäkretärs, mit dem Sie und die Bundesregierung sich doch so hautnah immer abstimmen: die Lieferung von Kampfpanzern ist kein Kriegseintritt - basta!
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